Apple Watch in der Familie
Ausgewählte Apple-Watch-Modelle lassen sich seit watchOS 7 auch ohne eigenes iPhone verwenden – doch die Einschränkungen sind massiv.
Ab sofort kannst du eine Apple Watch auch als smartes Gerät für Kinder einsetzen. Wir zeigen dir wie.
Die erste Apple Watch war zum Verkaufsstart anno 2015 nicht viel mehr als eine Art kleiner Zweitbildschirm für das iPhone. Erst über die vergangenen Hardware-Generationen hinweg emanzipierte sich Apples Smartwatch – nicht zuletzt dank immer mehr eigener Prozessorleistung. Mehr und mehr Apps sind autark auf der Computeruhr lauffähig, die mit der Apple Watch Series 3 hinzugekommene Modellvariante „GPS + Cellular“ist dank eigenem Mobilfunkmodul sogar ohne Smartphone in der Nähe jederzeit online.
Dennoch: Bislang musste jeder Apple-Watch-Träger ein eigenes iPhone besitzen, denn nur mithilfe eines Apple-Smartphones lässt sich die Watch aktivieren, einrichten und somit letztlich verwenden. Mit der in watchOS 7 hinzugekommenen Familienkonfiguration ändert sich das – zumindest ansatzweise. Denn zur Inbetriebnahme und Einrichtung muss noch immer zum iPhone gegriffen werden. Allerdings nicht mehr zum eigenen, sondern zu dem von Mama oder Papa. Das zumindest impliziert der Begriff „Familienkonfiguration“.
Die Voraussetzungen
Um die Familienkonfiguration nutzen zu können, benötigt man eine Apple Watch Series 4 oder neuer – auch die neue, „kleine“Apple Watch SE findet Unterstützung. Das Cellular-Modell aber soll es sein; ein aktiver Vertrag mit eSIM für die Apple Watch wird indes nicht zwingend vorausgesetzt. Der Einstiegspreis also liegt bei rund 290 Euro.
Wer nun denkt, er kann seine ältere Apple Watch Series 4 einfach so mir nichts dir nichts etwa seinem Neffen vermachen, hat die Rechnung ohne Apples Liebe zum Kleingedruckten gemacht. Denn neben watchOS 7 und einer kompatiblen Apple Watch muss ein iPhone ab Modell 6s und iOS 14 vorhanden sein. Der Nutzer der familienkonfigurierten Apple Watch benötigt zudem eine eigene Apple ID, die einer aktiven
Familienfreigabe zugeordnet ist. Die Familienfreigabe setzt wiederum zwingend eine der Apple ID des Familienverwalters zugeordnete Kreditkarte voraus. Das beschränkt die Verwendung tatsächlich auf den Familienkreis.
So geht’s
Die Familienkonfiguration einer Apple Watch unterscheidet sich in den ersten Schritten nicht von der Einrichtung einer persönlichen Apple Watch. Den Vorgang startet man in der Watch-App auf dem iPhone mithilfe der Menüpunkte „Apple Watch hinzufügen“und „Für ein Familienmitglied konfigurieren“. Es folgen das Koppeln einer Uhr durch das Scannen der Apple Watch und die grundlegenden Einstellungen – etwa die Wahl des Handgelenks, das Festlegen der Textgröße, das Erstellen eines Entsperrcodes und das obligatorische Abnicken der Geschäftsbedingungen.
Die darauffolgenden Schritte unterscheiden sich je nachdem, ob der Träger der Watch bereits eine eigene Apple ID besitzt und ob die zwingend vorausgesetzte Familienfreigabe schon eingerichtet ist. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist es nun an der Zeit – die Watch-App führt durch den länglichen Prozess.
Sind die grundlegenden Einstellungen getätigt, muss sich die Person, welche die Uhr künftig
tragen soll, in der Watch-App auf dem iPhone anmelden. Die vielen nachfolgenden Nachfragen gestalten den Prozess zäh, sorgen aber mit Blick auf den Datenschutz für die notwendige Transparenz – auch wenn der Junior damit vielleicht noch nichts anzufangen weiß.
Es folgen die optionale Aktivierung und Konfiguration von Mobilfunk, Freigabe der Ortungsdienste, Siri, Nachrichten in iCloud, Gesundheitsdaten, Notruf SOS, Notfallkontakten, Notfallpass, Aktivität, Trainingsrouten-Protokoll und Fotos. Auch lässt sich „Vor dem Kaufen nachfragen“konfigurieren, damit der Träger der „familienkonfigurierten“Apple Watch auf Nachfrage Käufe zulasten der in der Familienfreigabe hinterlegten Kreditkarte tätigen darf. Außerdem lassen sich ausgewählte, vertrauenswürdige Kontakte aus dem iPhone mit der Apple Watch teilen – etwa, damit Mama, Papa und die Großeltern auf einen Fingerzeig hin erreichbar sind.
Eine nette Spielerei gibt es auch: Mithilfe der „Schulzeit“-Funktion lässt sich das Erscheinungsbild und Nachrichtenverhalten der Apple Watch Stundenplanbasiert reduzieren. Da der Schulzeit-Modus aber jederzeit vom Träger der Watch beendet werden kann, handelt es sich letztlich um nicht vielmehr als eine Alternative zum Theatermodus mit vereinfachtem Ziffernblatt. Eltern erhalten über den „Schulzeitbericht“auf dem zur Einrichtung genutzten iPhone aber ein genaues Protokoll, wann, wie oft und für wie lange der Schulzeit-Modus deaktiviert wurde.
Was funktioniert – und was nicht funktioniert
Eine mithilfe der Familienkonfiguration eingerichtete Apple Watch verfügt über nur knapp einen Bruchteil der Funktionen einer regulär in Betrieb genommenen Apple Watch. Viele der Dinge, mit denen Apple offensiv für seine Smartwatch wirbt, liegen in der Familienkonfiguration brach. Weder das EKG (ab Apple Watch Series 4) noch das Pulsoximeter der Apple Watch Series 6 lassen sich nutzen.
Benachrichtigungen über unregelmäßigen Herzrhythmus sind ebenso nicht verfügbar wie die Apps zur Zyklus- und Schlafverfolgung. Und die Anwendungen zu Podcasts, Fernbedienung und Nachrichten findet man ebenfalls nicht auf der Familien-Uhr. Dass Apple Pay nicht funktioniert, verwundert da kaum noch – und das, obwohl Apple Pay beispielsweise unter Nutzung der Sparkassen-Girocard inzwischen auch Minderjährigen offen steht.
Damit nicht genug: Einige Funktionen sind an das Alter gebunden. Das mag hinsichtlich der Verlässlichkeit einiger gesundheitsorientierten Funktionen Sinn ergeben, aber könnte dennoch für Enttäuschung sorgen. Mitteilungen zu hoher und niedriger Herzfrequenz sind nur für Träger ab 13 Jahren verfügbar, die Sturzerkennung ab 18 Jahren. Benutzer unter 13 Jahren sehen in der Aktivität-App zudem Bewegungsminuten anstelle von Aktivitätskalorien für das Bewegungsziel.
Und was funktioniert? Die Apple Watch bleibt in der Familienkonfiguration ein ausgewachsener Fitnesstracker mit Pulsmessung. Auch Musik lässt sich hören, der Standort abfragen, der Geräuschpegel messen und die WalkieTalkie-App nutzen. E-Mails und Nachrichten landen auf der Watch und Drittanbieter-Apps lassen sich meist ebenfalls verwenden.
Wer soll das nutzen?
„Familienkonfiguration“– der Name der Funktion an sich, aber auch Funktionen wie Schulzeit zur elterlichen Definition AppleWatch-freier Zeiten machen klar, an wen sich die weitestgehend iPhone-freie Apple Watch in erster Linie richtet: Familien mit schulpflichtigen Kindern. Dass damit nicht etwa Teens gemeint sind, liegt auf der Hand: Diese besitzen oft nicht nur bereits ein eigenes Smartphone, sondern dürften ob des weitreichenden Eingriffs in die eigenen Daten inklusive des Teilens des eigenen Standorts als digitale „Fuß“-Fessel wenig erfreut sein.
Im Hier und Jetzt ist eine familienkonfigurierte Apple Watch somit ein schönes Gadget für „Helikoptereltern“, die ihrem eigentlichen Träger eher überschaubare Funktionen gewährt. In erster Linie dürfte für sie das Orten des Standorts interessant sein. Diese Funktionalität wird für das die Uhr tragende Kind durch ein paar Apps kaschiert und „ertragbar“. Zu bedenken ist dabei eine eventuell ablehnende Haltung sowohl von Schulleitung, Lehrern und Mitschülern.
Wer trotz der vielen Einschränkungen dennoch zu einer Apple Watch mit Familienkonfiguration greifen will, sollte die neue Apple Watch SE wählen – die meisten fortgeschrittenen Funktionen teurerer Modelle lassen sich ja ohnehin nicht nutzen.