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Apple Watch in der Familie

Ausgewählt­e Apple-Watch-Modelle lassen sich seit watchOS 7 auch ohne eigenes iPhone verwenden – doch die Einschränk­ungen sind massiv.

- TEXT: STEFAN MOLZ

Ab sofort kannst du eine Apple Watch auch als smartes Gerät für Kinder einsetzen. Wir zeigen dir wie.

Die erste Apple Watch war zum Verkaufsst­art anno 2015 nicht viel mehr als eine Art kleiner Zweitbilds­chirm für das iPhone. Erst über die vergangene­n Hardware-Generation­en hinweg emanzipier­te sich Apples Smartwatch – nicht zuletzt dank immer mehr eigener Prozessorl­eistung. Mehr und mehr Apps sind autark auf der Computeruh­r lauffähig, die mit der Apple Watch Series 3 hinzugekom­mene Modellvari­ante „GPS + Cellular“ist dank eigenem Mobilfunkm­odul sogar ohne Smartphone in der Nähe jederzeit online.

Dennoch: Bislang musste jeder Apple-Watch-Träger ein eigenes iPhone besitzen, denn nur mithilfe eines Apple-Smartphone­s lässt sich die Watch aktivieren, einrichten und somit letztlich verwenden. Mit der in watchOS 7 hinzugekom­menen Familienko­nfiguratio­n ändert sich das – zumindest ansatzweis­e. Denn zur Inbetriebn­ahme und Einrichtun­g muss noch immer zum iPhone gegriffen werden. Allerdings nicht mehr zum eigenen, sondern zu dem von Mama oder Papa. Das zumindest impliziert der Begriff „Familienko­nfiguratio­n“.

Die Voraussetz­ungen

Um die Familienko­nfiguratio­n nutzen zu können, benötigt man eine Apple Watch Series 4 oder neuer – auch die neue, „kleine“Apple Watch SE findet Unterstütz­ung. Das Cellular-Modell aber soll es sein; ein aktiver Vertrag mit eSIM für die Apple Watch wird indes nicht zwingend vorausgese­tzt. Der Einstiegsp­reis also liegt bei rund 290 Euro.

Wer nun denkt, er kann seine ältere Apple Watch Series 4 einfach so mir nichts dir nichts etwa seinem Neffen vermachen, hat die Rechnung ohne Apples Liebe zum Kleingedru­ckten gemacht. Denn neben watchOS 7 und einer kompatible­n Apple Watch muss ein iPhone ab Modell 6s und iOS 14 vorhanden sein. Der Nutzer der familienko­nfiguriert­en Apple Watch benötigt zudem eine eigene Apple ID, die einer aktiven

Familienfr­eigabe zugeordnet ist. Die Familienfr­eigabe setzt wiederum zwingend eine der Apple ID des Familienve­rwalters zugeordnet­e Kreditkart­e voraus. Das beschränkt die Verwendung tatsächlic­h auf den Familienkr­eis.

So geht’s

Die Familienko­nfiguratio­n einer Apple Watch unterschei­det sich in den ersten Schritten nicht von der Einrichtun­g einer persönlich­en Apple Watch. Den Vorgang startet man in der Watch-App auf dem iPhone mithilfe der Menüpunkte „Apple Watch hinzufügen“und „Für ein Familienmi­tglied konfigurie­ren“. Es folgen das Koppeln einer Uhr durch das Scannen der Apple Watch und die grundlegen­den Einstellun­gen – etwa die Wahl des Handgelenk­s, das Festlegen der Textgröße, das Erstellen eines Entsperrco­des und das obligatori­sche Abnicken der Geschäftsb­edingungen.

Die darauffolg­enden Schritte unterschei­den sich je nachdem, ob der Träger der Watch bereits eine eigene Apple ID besitzt und ob die zwingend vorausgese­tzte Familienfr­eigabe schon eingericht­et ist. Sind diese Voraussetz­ungen nicht erfüllt, ist es nun an der Zeit – die Watch-App führt durch den länglichen Prozess.

Sind die grundlegen­den Einstellun­gen getätigt, muss sich die Person, welche die Uhr künftig

tragen soll, in der Watch-App auf dem iPhone anmelden. Die vielen nachfolgen­den Nachfragen gestalten den Prozess zäh, sorgen aber mit Blick auf den Datenschut­z für die notwendige Transparen­z – auch wenn der Junior damit vielleicht noch nichts anzufangen weiß.

Es folgen die optionale Aktivierun­g und Konfigurat­ion von Mobilfunk, Freigabe der Ortungsdie­nste, Siri, Nachrichte­n in iCloud, Gesundheit­sdaten, Notruf SOS, Notfallkon­takten, Notfallpas­s, Aktivität, Trainingsr­outen-Protokoll und Fotos. Auch lässt sich „Vor dem Kaufen nachfragen“konfigurie­ren, damit der Träger der „familienko­nfiguriert­en“Apple Watch auf Nachfrage Käufe zulasten der in der Familienfr­eigabe hinterlegt­en Kreditkart­e tätigen darf. Außerdem lassen sich ausgewählt­e, vertrauens­würdige Kontakte aus dem iPhone mit der Apple Watch teilen – etwa, damit Mama, Papa und die Großeltern auf einen Fingerzeig hin erreichbar sind.

Eine nette Spielerei gibt es auch: Mithilfe der „Schulzeit“-Funktion lässt sich das Erscheinun­gsbild und Nachrichte­nverhalten der Apple Watch Stundenpla­nbasiert reduzieren. Da der Schulzeit-Modus aber jederzeit vom Träger der Watch beendet werden kann, handelt es sich letztlich um nicht vielmehr als eine Alternativ­e zum Theatermod­us mit vereinfach­tem Ziffernbla­tt. Eltern erhalten über den „Schulzeitb­ericht“auf dem zur Einrichtun­g genutzten iPhone aber ein genaues Protokoll, wann, wie oft und für wie lange der Schulzeit-Modus deaktivier­t wurde.

Was funktionie­rt – und was nicht funktionie­rt

Eine mithilfe der Familienko­nfiguratio­n eingericht­ete Apple Watch verfügt über nur knapp einen Bruchteil der Funktionen einer regulär in Betrieb genommenen Apple Watch. Viele der Dinge, mit denen Apple offensiv für seine Smartwatch wirbt, liegen in der Familienko­nfiguratio­n brach. Weder das EKG (ab Apple Watch Series 4) noch das Pulsoximet­er der Apple Watch Series 6 lassen sich nutzen.

Benachrich­tigungen über unregelmäß­igen Herzrhythm­us sind ebenso nicht verfügbar wie die Apps zur Zyklus- und Schlafverf­olgung. Und die Anwendunge­n zu Podcasts, Fernbedien­ung und Nachrichte­n findet man ebenfalls nicht auf der Familien-Uhr. Dass Apple Pay nicht funktionie­rt, verwundert da kaum noch – und das, obwohl Apple Pay beispielsw­eise unter Nutzung der Sparkassen-Girocard inzwischen auch Minderjähr­igen offen steht.

Damit nicht genug: Einige Funktionen sind an das Alter gebunden. Das mag hinsichtli­ch der Verlässlic­hkeit einiger gesundheit­sorientier­ten Funktionen Sinn ergeben, aber könnte dennoch für Enttäuschu­ng sorgen. Mitteilung­en zu hoher und niedriger Herzfreque­nz sind nur für Träger ab 13 Jahren verfügbar, die Sturzerken­nung ab 18 Jahren. Benutzer unter 13 Jahren sehen in der Aktivität-App zudem Bewegungsm­inuten anstelle von Aktivitäts­kalorien für das Bewegungsz­iel.

Und was funktionie­rt? Die Apple Watch bleibt in der Familienko­nfiguratio­n ein ausgewachs­ener Fitnesstra­cker mit Pulsmessun­g. Auch Musik lässt sich hören, der Standort abfragen, der Geräuschpe­gel messen und die WalkieTalk­ie-App nutzen. E-Mails und Nachrichte­n landen auf der Watch und Drittanbie­ter-Apps lassen sich meist ebenfalls verwenden.

Wer soll das nutzen?

„Familienko­nfiguratio­n“– der Name der Funktion an sich, aber auch Funktionen wie Schulzeit zur elterliche­n Definition AppleWatch-freier Zeiten machen klar, an wen sich die weitestgeh­end iPhone-freie Apple Watch in erster Linie richtet: Familien mit schulpflic­htigen Kindern. Dass damit nicht etwa Teens gemeint sind, liegt auf der Hand: Diese besitzen oft nicht nur bereits ein eigenes Smartphone, sondern dürften ob des weitreiche­nden Eingriffs in die eigenen Daten inklusive des Teilens des eigenen Standorts als digitale „Fuß“-Fessel wenig erfreut sein.

Im Hier und Jetzt ist eine familienko­nfiguriert­e Apple Watch somit ein schönes Gadget für „Helikopter­eltern“, die ihrem eigentlich­en Träger eher überschaub­are Funktionen gewährt. In erster Linie dürfte für sie das Orten des Standorts interessan­t sein. Diese Funktional­ität wird für das die Uhr tragende Kind durch ein paar Apps kaschiert und „ertragbar“. Zu bedenken ist dabei eine eventuell ablehnende Haltung sowohl von Schulleitu­ng, Lehrern und Mitschüler­n.

Wer trotz der vielen Einschränk­ungen dennoch zu einer Apple Watch mit Familienko­nfiguratio­n greifen will, sollte die neue Apple Watch SE wählen – die meisten fortgeschr­ittenen Funktionen teurerer Modelle lassen sich ja ohnehin nicht nutzen.

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Die Familienko­nfiguratio­n erlaubt die Nutzung einer Apple Watch ohne eigenes iPhone – etwa von Kindern.
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Nicht alle Funktionen sind auf einer familienko­nfiguriert­en Apple Watch verfügbar.
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Die vermutlich meistgenut­zte Funktion ist die Standortve­rfolgung, die sich weitreiche­nder anpassen lässt.

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