Musik an, Welt aus!
Ein bereits hervorragendes Produkt weiter verbessern? Mit den neuen AirPods Pro versucht sich Apple an ebenjener Quadratur des Kreises. Mit Erfolg?
Rund drei Jahre sind seit der Veröffentlichung der ersten AirPods-Pro-Generation vergangen. Und ja, auch bei mir macht der nicht zu einem vernünftigen Preis zu ersetzende Akku langsam, aber sicher die Grätsche. Ersatz muss also her: gut, dass sich in der zweiten AirPods-Pro-Generation daher tatsächlich nicht nur Produktpflege-Kosmetik wiederfindet, sondern substanzielle Neuerungen.
Neuer Wein in alten Schläuchen
In den AirPods Pro der 2. Generation steckt mit dem „H2“ein neuer Chip. Dieser beherbergt doppelt so viele Transistoren wie der Vorgänger. Der neue Chip verbessert die In-Ears mit mehr Leistung in nahezu allen Bereichen, in denen Rechenpower gefragt ist: Die Geräuschunterdrückung ist effektiver, der adaptive Entzerrer arbeitet feiner und der nun ebenfalls adaptiv arbeitende Transparenzmodus will das Gehör schützen helfen. Mehr Akkulaufzeit bringen die Neuen darüber hinaus nicht zuletzt dank des Wechsels auf Bluetooth 5.3 ebenso mit wie ein neu gestaltetes Ladecase, welches die Technik eines AirTag integriert. Und Personen mit kleinen Ohren freuen sich darüber, dass jetzt ein Satz nochmals kleinerer Silikon-Ohrstöpsel zusätzlich mit in der Schachtel liegen.
First Things First
Im Idealfall „klingen“Kopfhörer an sich nicht. Stattdessen soll das Ausgangsmaterial, sprich die Musik, möglichst originalgetreu reproduziert werden. Je kleiner die Kopfhörer, desto eher wird das physikalisch zur Herausforderung. Es ist und bleibt erstaunlich, wie gut die AirPods Pro ihrer Bauform und Größe zum Trotz klingen. Auch die neue Generation klingt von den Bässen über die Mitten bis zu den Höhen ausgewogen, mit einer überzeugenden Zeichnung von Details und ohne Verzerrungen. Im direkten Vergleich punkten die neuen AirPods Pro gegenüber dem Vorgänger mit mehr Präzision, insbesondere beim klaren Zeichnen tieferer Frequenzen. Ein Unterschied ist also tatsächlich hörbar.
Ohropax Ultra
Lärm nervt nicht nur, sondern kann sogar krank machen. Ob es jetzt der normale Flickenteppich verschiedenster Klänge im Büro ist, Krach in Bus und Bahn, der im Homeoffice von der Klimaanlage entfesselte Tornado oder gar, gewissermaßen die Königsdisziplin, das Röhren von Triebwerken beim Transatlantikflug: Aktive Geräuschunterdrückung nimmt lästigem Lärm den Schrecken. Die Funktionsweise ist so schlicht wie genial: In den Kopfhörern wird ein in der Phase gedrehtes Gegensignal erzeugt, welches den Lärm auslöscht. Das funktionierte bereits in den AirPods Pro von 2019 gut – für mich persönlich sogar so gut, dass sie mir seitdem als Ohropax-Ersatz dienen.
Die in den AirPods Pro (2. Generation) verbesserte aktive Geräuschunterdrückung stellt Apple besonders prominent als Neuheit hervor. Diese soll bis zu doppelt so viel an unerwünschten Geräuschen herausfiltern wie noch im Vorgängermodell der Fall. Wissenschaftlich fundiert ließ sich das im Kreise der Mac-Life-Redaktion nicht belegen, wohl aber subjektiv im Vergleich zur Probe hören. Dazu koppelten wir sowohl die neuen AirPods Pro als auch das 2019er-Modell mit ein und demselben iPhone und steckten uns je ein Ohrteil der 1. und 2. Generation in den Gehörgang. Monitorlautsprecher vom Typ Adam A3X simulierten Krach wie Fluglärm, Baustellengeschepper und Menschenmengen – auch der Staubsaugroboter durfte zum Test laut aufspielen. In der überwiegenden Zahl der Hörversuche war dabei von zwei Personen klar zu benen
nen, welcher Ohrstecker derjenige ist, der mehr Schall zu schlucken vermochte. Kurzum: Ja, die Geräuschunterdrückung ist effektiver, auch hier hat Apple ein Marketingversprechen erfüllt.
Überarbeitet wurde in Generation 2 auch der Transparenzmodus. Umgebungsgeräusche werden der Musikwiedergabe hinzugemischt, um die Außenwelt trotz Knopf im Ohr wahrnehmen zu können. Die neue adaptive Transparenz fängt Pegelspitzen ab und kombiniert somit gewissermaßen Transparenzmodus und Geräuschunterdrückung miteinander. Mit Blick auf die mit iOS 15 eingeführte „Konversationsverstärkung“werden die AirPods Pro zu mehr als nur In-Ears, der Weg zur vollwertigen Hörhilfe ist nicht mehr weit.
Wo wir schon beim Thema Lautstärke sind: Bei der Musikwiedergabe lässt sich diese nun auch durch Wischgesten auf dem „Stängel“der AirPods Pro anpassen. Dazu wird der aus dem Ohr ragende Teil der In-Ears zwischen Daumen und Zeigefinger gelegt, dann mit Letzterem entweder vom Ohr weg (leiser) oder zum Ohr hin (lauter) gewischt. Das funktioniert sowohl mit dem linken als auch dem rechten AirPod. Wer auf anderem Weg lauter oder leiser stellt, kann die Geste mit Veröffentlichung von iOS 16.1 zur Vermeidung von Fehlbedienungen aber auch ausschalten.
Die neue Hardware steckt in einem verbesserten Ladecase. Dieses hält jetzt mit bis zu 30 Stunden zusätzlicher Wiedergabe nicht nur bis zu sechs Stunden mehr an zusätzlicher Laufzeit bereit, sondern integriert sich auch voll in das „Wo ist?“-System. Dank integriertem U1-Chip lässt sich das Case so gleich einem AirTag auf den Zentimeter genau lokalisieren. Wenn es über die „Wo ist?“-App angepingt wird, macht es auf sich aufmerksam. Außerdem „kommentiert“es unter anderem einen geringen Ladestand oder den Kopplungsvorgang mit entsprechenden Signaltönen. Die kleine, weiße Schatulle verfügt zudem über einen Befestigungspunkt für Lanyards. Ebenfalls hinzugekommen ist die Klassifizierung nach IPX4 für Case und Ohrstecker. Heißt: Die AirPods Pro sind jetzt „offiziell“gegen Schweiß und Spritzwasser geschützt. Geladen wird weiterhin via Lightning-Buchse, ein USB-C-auf-LightningKabel liegt bei. Alternativ versteht sich das neue Ladecase über Qi und MagSafe hinaus auf das Laden via Apple-Watch-Ladepuck.
Die Preisfrage
Kritiklose Lobhudelei? Mitnichten. Die AirPods
Pro verteidigen in der 2. Hardware-Generation schlicht ihren Status als unsere Referenz. Keine anderen True-Wireless-In-Ears bieten ein besseres Komplettpaket aus ausgewogenem Sound, aktiver Geräuschunterdrückung, ausgezeichneter Akkulaufzeit und der klar besten Einbindung in das Apple-Ökosystem. Es mag besser klingende Ohrsteckerchen geben, aber nirgends sonst ist das Gesamtpaket für Nutzer:innen eines iPhone, iPad und/oder Mac stimmiger.
Die neuen AirPods Pro sind ob der Verbesserungen bei Klang, Geräuschreduzierung via Antischall, dem adaptiven Transparenzmodus und dem überarbeiteten Case klar besser als ihre Vorgänger – alles andere wäre auch Blödsinn.