„Der wichtigste Schritt ist, Gebäude zu dämmen!“
Interview mit Matthias Kersken, Wissenschaftler im Bereich Energieeffizienz am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
Gerade erleben smarte Thermostate unter anderem aufgrund der politischen Weltlage einen Boom. Wie groß schätzen Sie den Nutzen der Technik ein?
Smarte Thermostate sparen im Wesentlichen Energie dadurch ein, dass die Heizung aus ist, wenn niemand zu Hause ist. Einige Systeme erkennen auch, wenn die Fenster zum Lüften geöffnet werden und schließen dann automatisch die Heizkörper-Thermostate. Je nach System und Nutzung des Gebäudes können hierdurch Einsparungen von über 20 Prozent der Heizenergie (ohne Trinkwarmwasserbereitung) erreicht werden. Natürlich kann die Heizung auch per Hand heruntergedreht werden, aber dann kommen die Bewohner:innen in eine kalte Wohnung nach Hause, müssen jeden Raum einzeln aufsuchen und wenn es vergessen wird oder keine Zeit mehr ist, läuft die Heizung weiter und es wird keine Energie eingespart.
In welchen Wohnsituationen können die Menschen damit signifikant Geld sparen?
Hier ist vor allem der Altbau interessant, da dort generell viel mehr Wärme als im Neubau benötigt wird. Vor allem, wenn die Wohnung oder das Haus regelmäßig von allen Bewohner:innen für mehrere Stunden verlassen wird, kann eine wirksame Absenkung der Temperaturen erfolgen.
Was würden Sie Menschen neben smarten Thermostaten empfehlen, um Heizkosten zu sparen und generell ökologischer und dennoch halbwegs warm durch diesen und kommende Winter zu kommen?
Vor allem bei Haushalten, bei denen keine langen Abwesenheiten bestehen, muss häufiger gelüftet werden, um die Raumluftqualität zu erhalten und das Wachstum von Schimmelpilz zu vermeiden. Durch geöffnete Fenster kann jedoch viel Wärme entweichen. Die beste Lösung ist hier ein Wohnungslüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung; diese gibt es auch für einzelne, besonders feuchte Räume wie Bad, Küche und Schlafzimmer zum Einsetzen in die Wand. In einzelnen Wohnungen dürfen Bewohner:innen dies in der Regel nicht ohne Rücksprache mit der Eigentümergemeinschaft umsetzen, da sie den Wohnraum mieten und die Außenwand zum Gemeinschaftseigentum zählt.
Hier hilft ein günstiges Hygrometer (LuftfeuchteMessgerät), um zu sehen, wann genug gelüftet ist und zu vermeiden, dass die Fenster nicht unnötig lange geöffnet sind. In ungedämmten Altbauten sollten 40 Prozent Luftfeuchte nicht überschritten werden; 50 Prozent bei neueren oder sanierten Gebäuden. Wenn am geschlossenen Fenster Zugluft bemerkt wird, sollte die Fensterdichtung erneuert werden; oft kann diese über das Internet bestellt und dann getauscht werden. Auch hier gilt: gegebenenfalls besser mit den Vermieter:innen abstimmen!
Mit welchen realistischen alternativen Methoden können wir Ihrer Meinung nach in Zukunft unsere Wohnungen und Häuser heizen – oder gibt es solche gar nicht?
Doch, die gibt es. Die momentane Politik forciert klar den Einsatz von StromWärmepumpen; vor dem Hintergrund des geplanten Ausbaus der erneuerbaren Stromproduktion erscheint dies sinnvoll. Um Dunkelflauten zu überbrücken, werden kleine Wärmespeicher sinnvoll sein, die ein Gebäude ein paar Stunden oder wenige Tage ohne Strombezug warmhalten.
Der zentrale Schlüssel der Wärmewende ist aber definitiv nicht die Erzeugerseite, sondern die Gebäudehülle, die vor allem im Baubestand oft hohe Wärmeverluste verursacht.
Der wichtigste Schritt ist also, Gebäude zu dämmen und Lüftungen mit Wärmerückgewinnung zu nutzen. Auch Nah- und Fernwärmenetze werden künftig eine wichtige Rolle spielen, da diese die Einbindung von Geothermie oder Prozess-Abwärme erlauben; in Bestandsquartieren sind diese aber häufig nur schwer nachzurüsten.
Wo sehen Sie noch Potenzial bei den smarten Thermostaten, was ist ausbaufähig?
Die wesentlichen Funktionalitäten existieren, sind aber in der Regel nicht in einem Produkt vereint: automatische Abwesenheitserkennung, Lüftungserkennung, Nutzung der Wettervorhersage für die Raumheizung und Trinkwarmwasserbereitung, nächtliches Schließen der Rollläden (insbesondere bei alten Fenstern). Auch Systeme, welche einen automatischen hydraulischen Abgleich ermöglichen, können insbesondere im Bestand helfen, Energie einzusparen. Noch ungehobene Potenziale gibt es sicherlich bei den Zentralheizungen von Mehrfamilienhäusern, deren Regelungen meist keine Wettervorhersage nutzen und die ihre Parameter nicht automatisch dem aktuellen Betrieb anpassen.