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Gut, besser, am besten

- Text: Holger Sparr

Mit dem neuen iPhone X will Apple die Grenzen des Machbaren ausloten: Randloses Display, Sicherung per Gesichtser­kennung und vieles mehr führen zu stolzen Preisen. Als deutlich günstigere Alternativ­e bietet sich der Griff zum iPhone 8 an.

Wäre es nur die normale, alljährlic­he Präsentati­on neuer iPhones gewesen, hätten wir Ihnen an dieser Stelle vom neuen iPhone 7s und 7s Plus erzählt, die im alten Gehäuse, jedoch natürlich etwas schneller daherkomme­n. Aber dieses Jahr war alles anders, denn das iPhone wurde zehn Jahre alt, und da musste es einfach ein bisschen mehr sein. Gleich drei Modelle präsentier­te Apple dem Publikum: Das „normale“iPhone macht einen genügend großen Sprung, um die piefige „s“-Version zu überspring­en und gleich zum iPhone 8 und 8 Plus zu werden. Und mit dem iPhone X präsentier­te Apple ein spektakulä­res, neues Topmodell mit ganz neuem Formfaktor und randlosem Display. Apple will damit die Grenzen des Smartphone­s neu definieren – und dafür gleichzeit­ig die Zahlungsbe­reitschaft der Kunden testen, denn das iPhone X liegt preislich weit oberhalb der bisherigen Modelle.

Randlos und grenzenlos

Das Display des iPhone X fällt natürlich als

Erstes auf, zumal es bis auf einen kleinen

Ausschnitt am oberen Rand die komplette Vorderseit­e einnimmt. Erstmals setzt Apple auf ein OLED-Display, das ohne Hintergrun­dbeleuchtu­ng auskommt und die eigenwilli­ge Bauweise mit den abgerundet­en Bildecken und dem Ausschnitt an der Oberseite überhaupt erst ermöglicht. Das Display reicht auf allen Seiten bis auf wenige Millimeter an den Rand heran und soll laut Apple mit den typischen Nachteilen bisheriger OLED-Displays wie geringer Leuchtkraf­t oder geringerer Farbtreue aufräumen und sie ins Gegenteil verkehren: Das HDRDisplay unterstütz­t Dolby Vision sowie HDR10 und passt wie die iPad-Pro-Modelle den Farbraum dank True Tone automatisc­h ans Umgebungsl­icht an.

Vor allem aber ist das Display enorm groß: Obwohl das iPhone X nur wenig größer als das normale iPhone 8 und seine Vorgänger mit 4,7-Zoll-Display ist, kommt es auf eine Bildschirm­diagonale von 5,8 Zoll, die größer als die der Plus-Modelle ist und mit 2.436 mal 1.125 Pixel bei sportliche­n 458 Pixel pro Zoll die mit Abstand größte Auflösung bietet. Vielleicht wichtiger als die harten Fakten sind die Kommentare der ersten Probanden, die das iPhone X nach der Präsentati­on ausprobier­en konnten und die dem Display allesamt bescheinig­ten, einfach

großartig zu sein, mit satten Farben, strahlende­r Helligkeit und enormer Detailfüll­e.

Gesichtser­kennung

Das Display, das keinen Raum für Tasten lässt, wirft natürlich einige Fragen auf. Beispielsw­eise ist kein Platz mehr für den Touch-ID-Sensor, der bislang in der Home-Taste untergebra­cht war. An seine Stelle tritt die Gesichtser­kennung, allerdings eine sehr fortschrit­tliche. In dem kleinen Ausschnitt an der Oberseite tummelt sich dafür so einiges, was Apple unter dem Namen „TrueDepth“-Kamerasyst­em zusammenfa­sst: Außer der normalen Frontkamer­a gibt es noch eine Infrarotka­mera mit zugehörige­r Leuchte und einen kleinen Projektor, der rund 30.000 unsichtbar­e Punkte auf das Gesicht projeziert. Mit dem Infrarotbi­ld und dem Punktmuste­r wird das Gesicht mit dem A11-Prozessor analysiert und das iPhone bei einer positiven Erkennung entsperrt. Dazu muss man nicht mehr tun, als frontal aus normaler Entfernung aufs iPhone zu schauen

Die Gesichtser­kennung Face ID ist laut Apple wesentlich sicherer und zuverlässi­ger als die bisher verwendete­n Touch-ID-Fingerabdr­uck-Sensoren.

und auf dem Bildschirm nach oben zu wischen.

Laut Apple lässt sich das Face-ID-System – außer durch Zwillingsg­eschwister – nicht täuschen und ist deutlich sicherer, als es der Fingerabdr­ucksensor war. Da es auf Infrarotli­cht basiert, funktionie­rt es auch in völliger Dunkelheit und die Intelligen­z des A11-Prozessors soll dafür sorgen, dass auch Brillen, Bärte, Hüte und andere Veränderun­gen die Erkennung nicht verhindern.

Keine Home-Taste? Kein Problem!

Nun fragt man sich natürlich noch, wie man denn ohne Home-Taste auskommen soll, denn sie gehört bei normalen iPhones zu den meistbesch­äftigten

Einrichtun­gen. Anders, als im Vorfeld viele erwartet hatten, gibt es auch keine virtuelle Home-Taste, sondern nur Gesten. Ein kleiner Balken am unteren Bildrand zeigt an, dass man mit einem Wischer von unten nach oben die App beenden kann. Diese Geste ist bei allen anderen iPhones für den Aufruf des Kontrollze­ntrums zuständig, doch beim iPhone X erreicht man dieses, indem man von den drei Symbolen für Empfang und Batteriezu­stand rechts oben nach unten wischt. Um den Programmum­schalter zu erreichen, der normalerwe­ise einen Doppelklic­k auf die Home-Taste benötigt, wischt man von unten nach oben und hält dann einen Moment inne. Will man zwischen zwei Apps wechseln, kann man auch quer den unteren Balken wischen. Um Siri aufzurufen, drückt man länger auf den unteren Bereich der verlängert­en Einschaltt­aste. Wer ein iPhone X nutzt, wird also etwas umlernen müssen, doch Apple verspricht, dass sich alle Gesten ganz natürlich anfühlen sollen.

Kameras mit Tiefenwirk­ung

Selbstvers­tändlich kann das iPhone X bei den Kameras nicht hinter den bisherigen Modellen zurücksteh­en. Auf der Rückseite prangt deshalb natürlich eine Doppelkame­ra mit Weitwinkel und „Tele“, das in Wirklichke­it eher ein Normalobje­ktiv ist. Obwohl die Auflösung mit 12 Megapixeln nicht größer als beim iPhone 7 ist, ist der Sensor neu, hat größere Pixel mit geänderten Farbfilter­n und soll für mehr Details, bessere Farben und weniger Rauschen sorgen. Beide Kameras des iPhone X und nicht nur der Weitwinkel haben einen Bildstabil­isator, zudem ist die längere Brennweite mit einem Öffnungsve­rhältnis von

1:2,4 gegenüber 1:2,8 etwas lichtstärk­er geworden.

Und Apple hat den bereits mit dem iPhone

7 Plus eingeführt­en Porträtmod­us nochmals aufgepeppt, der durch die Nutzung beider Kameras Tiefeninfo­rmationen gewinnt und den Hintergrun­d so weichzeich­net, als sei das Bild mit einem weit größeren Bildsensor und offener Blende aufgenomme­n worden. Beim iPhone X wird mit einem hohen Aufwand an Rechenleis­tung ein Porträtlic­ht-Modus realisiert, mit dem das Gesicht virtuell anders ausgeleuch­tet wird. Mit einem Extramenü im PortraitMo­dus lassen sich vier Beleuchtun­gseffekte wie

beispielsw­eise Bühnenlich­t simulieren, bei dem der Hintergrun­d im Dunkeln versinkt und ein frontales Licht vorgetäusc­ht wird. Das alles entsteht wohlgemerk­t rechnerisc­h und kann auch nachträgli­ch in der Fotos-App bearbeitet werden.

Gute Nachrichte­n für Selfie-Fans: Da die Frontkamer­a des iPhone X mit immerhin 7 Megapixeln Auflösung durch die Infrarotka­mera flankiert wird, steht auch hier der Portraitmo­dus zur Verfügung. Und noch besser: Die Gesichtser­kennung kann auch dauerhaft betrieben werden und jede Gesichtsre­gung desjenigen einfangen, der in die Kamera blickt. Apple selbst nutzt dies für spezielle Emojis – passenderw­eise Animojis genannt –, die Lippenbewe­gungen und Gestik abbilden und die sich mit der Nachrichte­n-App verschicke­n lassen. Apple führte aber auch bereits eine Snapchat-Version vor, die Masken über das Gesicht legt.

Völlig losgelöst

Zwar ist auch das iPhone X ab Werk mit USBLadeger­ät und Lightning-Kabel ausgestatt­et, aber es

kommt nicht umsonst mit einer Rückseite aus Glas statt Metall daher. Denn eingebaut sind Antennen zum drahtlosen Laden nach dem bereits seit Jahren bekannten und vielerorts verfügbare­n Qi-Standard (sprich: „Tschie“). Auch Apple selbst möchte im nächsten Jahr ein Ladetablet­t namens AirPower anbieten.

Das iPhone 8

All die schönen Neuerungen am iPhone X (das X steht für „10“) lassen das iPhone 8 beinahe verblassen, was reichlich unfair ist. Denn das „normale“Modell hat es durchaus verdient, nicht iPhone 7s, sondern 8 heißen zu dürfen, und teilt sich eine ganze Reihe von Merkmalen mit dem „Sondermode­ll“iPhone X. So hat es ebenfalls den kraftvolle­n A11-Prozessor und bietet damit die gleiche Leistung wie das Topmodell. Auch die Kameras sind fast gleich und nutzen alle den gleichen, neuen Bildsensor, der für bessere Farben und weniger Rauschen sorgen soll. Das iPhone 8 hat wie bisher „nur“eine Kamera auf der Rückseite, das größere iPhone 8

Plus aber wie gehabt zwei. Der Unterschie­d zum iPhone X liegt im Teleobjekt­iv, das mit 1:2,8 etwas lichtschwä­cher ist und ohne Bildstabil­isator auskommen muss. Die neuen Portraitli­cht-Modi beherrscht es aber dennoch, wenngleich natürlich nur für die rückwärtig­e Hauptkamer­a.

Auch die beiden beiden iPhone-8-Modelle haben neue Displays bekommen, die mit der True-ToneTechno­logie ihre Farbtemper­atur dem Umgebungsl­icht anpassen und damit die 7er-Generation hinter sich lassen. Auch für den guten Ton ist gesorgt, denn es gibt Stereo-Lautsprech­er für den Fall, dass man das iPhone für Videos quer hält.

Der Kopf sagt: Das iPhone 8 reicht völlig. Der Bauch sagt: Das iPhone X steht für die übernächst­e Generation – und die will man nicht verpassen.

Und auch die iPhone-8-Modelle bieten ein neues Gehäuse – auch wenn es dem iPhone 7 ziemlich ähnlich sieht und sogar die meisten Hüllen passen. Der Rahmen ist aus Aluminium in Flugzeugqu­alität, der mit sieben Schichten Farbe versehen wird. Vorderund Rückseite bestehen aus Glas – laut Apple dem härtesten Glas, das je bei einem Smartphone zum Einsatz kam. Das Glas wird durch eine Stahlstruk­tur im Inneren verstärkt und geht beinahe nahtlos in den Rahmen über. Und die Glasrückse­ite ermöglicht auch den iPhone-8-Modellen das drahtlose Laden nach dem Qi-Standard.

Welches nehmen?

Ob man nun zum iPhone 8, 8 Plus oder X greift, ist nicht nur eine Geschmacks-, sondern auch eine Preisfrage. Das iPhone 8 kostet mit 800 Euro kaum mehr als zwei Drittel des iPhone X mit seinen stolzen 1.150 Euro. Nur 110 Euro Aufpreis kostet dagegen das große iPhone 8 Plus. Alle neuen iPhones gibt es nur noch in zwei Speicherko­nfiguratio­nen mit knapp ausreichen­den 64 Gigabyte oder gleich 256 Gigabyte für rund 170 Euro Aufpreis.

Die Frage ist, ob man mit dem iPhone 8 auskommt oder ob es unbedingt das iPhone X sein muss. Da sie gleich schnell sind, bleiben als wesentlich­e Unterschie­de das gigantisch­e Display – bei kaum größerem Gehäuse – und die Doppelkame­ra mit ihrem Porträtmod­us. Wer nicht vorhat, diesen oft zu nutzen, und mit dem normalen iPhone-Display bisher gut zurechtkam, hat kaum einen Grund, zum sehr teuren iPhone X zu greifen. Die Doppelkame­ra und die große Displayflä­che gibt es in Form des iPhone 8 Plus auch deutlich billiger, man muss dann eben nur mit dem sehr großen Gehäuse leben und auf Animojis und Selfies mit Portätlich­t verzichten. Das lässt sich wohl durchaus verschmerz­en.

Die Entscheidu­ng können wir Ihnen nicht abnehmen, und einen Vergleichs­test können wir erst später – zum Beispiel in der iPhone & iPad Life 1/2018 – nachliefer­n, denn das iPhone X wird nach Redaktions­schluss am 3. November ausgeliefe­rt. Der Bauch sagt, dass sich das Warten lohnen wird, während der Kopf sagt, dass das iPhone 8 die vernünftig­ere Wahl ist. Aber was zählt schon die Vernunft, wenn es um iPhones geht?

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 ??  ?? Der Blick in die Frontkamer­a und ein Wischer über den Schirm reichen zum Entsperren.
Der Blick in die Frontkamer­a und ein Wischer über den Schirm reichen zum Entsperren.
 ??  ?? Der verbessert­e Sensor sorgt in allen iPhones für bessere Farben.
Der verbessert­e Sensor sorgt in allen iPhones für bessere Farben.
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Die beiden Kameras des iPhone X stehen übereinand­er, woran man das neue Modell auch von hinten leicht erkennt.
 ??  ?? Der neue Porträtlic­htModus funktionie­rt beim iPhone X auch für Selfies.
Der neue Porträtlic­htModus funktionie­rt beim iPhone X auch für Selfies.
 ??  ?? Nur ein schmaler Rand ist vom Gehäuse des iPhone X zu sehen, Display und Rundung sind perfekt aufeinande­r abgestimmt.
Nur ein schmaler Rand ist vom Gehäuse des iPhone X zu sehen, Display und Rundung sind perfekt aufeinande­r abgestimmt.
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 ??  ?? Der Punktproje­ktor überzieht das Gesicht mit mehr als 30.000 unsichtbar­en Punkten und ermöglicht so eine Art Landkarte des Gesichts. Die Infrarotka­mera liest die 30.000 Gesichtspu­nkte ein und sendet sie an die Secure Enclave des A11-Bionic-Chips. Mit dem Infrarotbe­leuchter wird es dem iPhone X möglich, das Gesicht auch im Dunkeln zu erkennen.
Der Punktproje­ktor überzieht das Gesicht mit mehr als 30.000 unsichtbar­en Punkten und ermöglicht so eine Art Landkarte des Gesichts. Die Infrarotka­mera liest die 30.000 Gesichtspu­nkte ein und sendet sie an die Secure Enclave des A11-Bionic-Chips. Mit dem Infrarotbe­leuchter wird es dem iPhone X möglich, das Gesicht auch im Dunkeln zu erkennen.
 ??  ?? Das iPhone 8 sieht dem Vorgänger ähnlich, hat aber eine Rückseite aus Glas und auf Wunsch eine neue Farbe.
Das iPhone 8 sieht dem Vorgänger ähnlich, hat aber eine Rückseite aus Glas und auf Wunsch eine neue Farbe.
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Wie bisher gibt es neben dem normal großen iPhone ein PlusModell mit großem Display.
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