Ein Leben ohne Überfluss
Wie geht Glücklichsein ohne Kühlschrank, Auto, Plastik? Anke Großbach (42) aus Grabensee macht es vor
MARTENSRADE. Anke Großbach aus Grabensee ist kein Freak, keine Ökofundamentalistin, keine missionarische Weltverbessererin. Sie ist einfach nur glücklich. Ihr Lebensstil ist ungewöhnlich: Sie verzichtet auf fast alles. „Zero Waste“lautet das Stichwort. Minimalismus und Nachhaltigkeit sind ihre Säulen. Warum? „Es ist ein schönes Gefühl, sinnvoll zu leben“, sagt sie. Aber: „Ich möchte kein Maßstab sein für andere. Ich mache das für mich. Das Ganze ist ein Projekt.“Und auf manches würde die studierte Kunsttherapeutin, die in Kiel im Finanzsektor arbeitet, auch niemals verzichten – zum Beispiel auf ihren SaugWisch-Roboter. Denn Putzen hasst sie wie die Pest.
Wir treffen Anke Großbach in ihrem 6,20 Meter hohen Holzhaus mit Gründach, das sie vor drei Jahren am Selenter See gebaut hat. Unter 150 000 Euro hat es gekostet. Hier ist weniger mehr, Möbel sind Mangelware. Sie hat eine vollbiologische Kleinkläranlage und Ökostrom. Ihr Verbrauch liegt nach eigenen Angaben bei einer Kilowattstunde pro Tag. Für die 41-Jährige steht eine Frage über allem: Was brauche ich wirklich für ein gutes Leben? Ein Teil der Antwort lautet: „Ich muss nicht alles besitzen, was ich nutze.“Zum Beispiel kein eigenes Auto. Dafür nutzt sie das Prinzip der Gemeinschaft. Leiht sich ein Auto bei Nachbarn im Ort, revanchiert sich dafür auch mal mit Gartenarbeit.
➡ Der Kaminofen ist eines der wenigen Möbelstücke im Haus, er dient als Heizung und Küche in einem.
Die Grundidee, nach der sie lebt, ist einfach: „Wenig verbrauchen kostet mich und die Umwelt weniger.“Das belegt sie in Zahlen: „Mein Leben kostet inklusive Tilgungen, Müll, Telefon und allen anteiligen, umgelegten Kosten wie GEZ, Müll, Schornsteinfeger und so weiter etwa 1000 Euro im Monat. Davon kostet mich Ökostrom 18 Euro, Wasser etwa fünf Euro im Monat – der Grundpreis ist meist höher als der Verbrauch.“Vor 15 Jahren zog sie aus Nordrhein-Westfalen in den Norden. Hat in der Vergangenheit lange Reisen gemacht, war unter anderem ein Jahr in Australien. „Da habe ich gemerkt: Ich bin glücklich, wenn ich alles dabei habe, was ich zum Leben brauche und wenn ich mich um nicht viel kümmern muss.“Daher rührt ihr Beschluss: So wenig wie möglich Ballast im Leben. „Als ich aus Australien nach Hause kam und meine ganzen Sachen wiedersah, da dachte ich: Die hatte ich ja völlig vergessen – und ich brauchte sie auch nicht.“Irgendwann kam neben dem Minimalismus auch der Nachhaltigkeitsgedanke. Die Umwelt schonen. Wenig Müll, wenig Verbrauch, faire Produkte.
Bei Anke Großbach gibt es Hafermilch aus der Glasflasche, Trinkwasser aus gar keiner Flasche, sondern direkt aus der Leitung, unverpackte Lebensmittel,
Secondhand-Kleidung, vegane Butter, selbstgemachtes Pesto und Tee aus den Kräutern, die im Garten wachsen.
Drei alte Koffer ersetzen Regale und Kommoden
Eine Zahnbürste aus Holz statt aus Plastik, Zahnpasta in Tablettenform in einem Döschen statt in der Quetschtube. Keinen herkömmlichen Kühlschrank, dafür aber eine Hütte neben dem Haus. Bei kühlem Wetter bleiben viele Lebensmittel hier in einem kleinen Eckschränkchen lange frisch. Ein Kühlschrank unter den
Sternen – Anke Großbach mag es, abends durch ihren Garten dorthin zu gehen.
Wo bei anderen Menschen Regale und Kommoden stehen mit unüberschaubar viel Inhalt, stehen bei Anke Großbach drei alte Koffer – das sind ihre „Kleiderschränke“. Darin eine paar Socken, Unterwäsche, wenige Oberteile in den Farben beige, braun, schwarz, weiß, blau und ein wenig türkis, alles miteinander kombinierbar. Gewaschen wird mit der Hand. Oder bei Tomas, ihrem Lebensgefährten, der eine Wohnung in Kiel hat. Tomas hat eine Waschmaschine und eine Plastikzahnbürste. Für Anke völlig ok. „Jeder soll tun, was er möchte.“Gemeinsam restaurieren sie alte Möbel oder sägen Brennholz für Anke Großbachs Kaminofen, eines der wenigen Möbelstücke in ihrem 55-Quadratmeter-Haus. Er dient als Heizung und Küche in einem. Im oberen Fach über dem Feuer nutzt Großbach die Hitze, kocht Nudeln und Kartoffeln in ihrem Campingtöpfen. Trotzdem will sich Großbach nicht zum Verzicht zwingen. Sie mache auch Ausnahmen, erzählt sie. „Ich gehe auch manchmal zum Discounter. Ich habe keinen Heiligenschein.“