Digitale Dokumente stellen Anwälte vor große Probleme
Arbeitsgerichte akzeptieren nur noch digitale Dokumente – Das schafft in der Justiz viele Probleme
KIEL. Jedes – absolut jedes – Dokument, das für eine Entscheidung an den Arbeitsgerichten im Land relevant ist, muss seit Jahresbeginn digital eingereicht werden und vorliegen. Einige Vertreter der traditionsbewussten Anwaltschaft stellt das vor große Probleme. Und die Umstellung ist erst der Anfang.
Die Kieler Kanzlei von Arne Graßmay arbeitet schon länger zweigleisig: analog und digital. Die Pflichtumstellung hat sie vor keine großen Herausforderungen gestellt. Aber Graßmay schildert: Weder die IT-Firmen für Anwaltssoftware, noch einige ältere Kollegen waren auf das eingestellt, was jetzt im Arbeitsrecht von ihnen gefordert wird – rein digitales Einreichen. „Das kann keinem verborgen geblieben sein“, sagt Graßmay zwar – aber „mancher ältere Einzelkämpfer sperrt sich natürlich“. Und auch Arbeitgeberverbände und die Geschäftszimmer der Gerichte hätten etliche Probleme mit den Neuerungen. So kommen schon einmal die Antworten ins falsche Postfach oder sind schlicht ungültig.
Nur in Schleswig-Holstein gilt die Pflicht im Arbeitsrecht
Andreas Kühnelt ist als Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holstein für den elektronischen Rechtsverkehr zuständig: „Recht trifft auf Technik“, beschreibt er und gibt unumwunden zu: „Wir sind alle keine Techniker – also kriselt es an den Schnittstellen.“Der elektronische Rechtsverkehr wird bundesweit ab 2022 verpflichtend. Schleswig-Holstein ist das einzige Land, das sich dazu entschlossen hat, die ArArbeitsgerichtsbarkeit
beitsgerichtsbarkeit bereits in diesem Jahr vorzuziehen. Ein Testballon, der in einigen Anwaltskanzleien platzt.
Da gibt es die Anwälte, die davon schlichtweg nichts mitbekommen haben – vor allem aus anderen Bundesländern – und an Arbeitsgerichten im Norden Schreiben einreichen, so Kühnelt. Doch er gibt sich dankbar: Die Richter kommunizierten viel und rechtzeitig. „Wir haben damit viel Aufwand“, bestätigt auch Gregor Steidle, Direktor des Arbeitsgerichts. „Es sind irre viele Fehler eingegangen. Aber wir weisen rechtzeitig darauf hin, damit es die Anwälte jetzt lernen.“
Fehlendes technisches Wissen ist das größte Problem, so Kühnelt. An die PDF-Dokumente richte das Bundesjustizministerium, Urheber der Verordnung, Anforderungen: Sie müssen durchsuchbar und die Schriftarten ins Dokument eingebettet sein. Alle Juristen erfahren die gleichen Probleme, beschreibt Experte Kühnelt: „Das juristische Handwerk ist papiergetrieben.“Doch in der Arbeitsgerichtsbarkeit gebe es keine Ausrede mehr: „Jetzt wird das digitale Arbeiten rechtskräftig.“
„Soweit es um den elektronischen Schriftwechsel geht, hat sich eine ganz erhebliche zusätzliche Belastung in der
ergeben“, sagt auch Christine Schmehl, Vorsitzende des Landes-Richterverbandes. „Das verursacht erheblichen Aufwand bei Gerichten und Rechtsanwälten. Damit wird auf Kosten der Funktionsfähigkeit der Justiz unnötig Sand ins Getriebe gestreut. Wie in vielen anderen Punkten auch, muss hier dringend Abhilfe geschaffen werden.“
Und die vollständige bundesweite Umstellung steht bereits 2022 an: „Wir können also froh sein, die Probleme schon jetzt zu haben“, sagt Kühnelt, der selbst in Seminaren zur Umstellung der Arbeitsweise berät. Dort lassen sich zunehmend
die Chefs von Kanzleien blicken. Auch Graßmay bestätigt, was Kühnelt und die Richter sagen: „Die Umstellung bietet auch eine Chance: Die Kinderkrankheiten haben wir dann 2022 im Griff.“
Langfristig sehen die Juristen viele Vorteile im Digitalen
Nach dem Aufwand bringe gerade die Umstellung der Arbeitsweise für Fristen auf lange Sicht extreme Vorteile: Ein elektronischer Eingangsstempel lege zweifelsfrei dar, dass ein Dokument komplett angekommen ist. Ein Zeit- und Rechtsgewinn. „Mittlerweile haben das 90 bis 95 Prozent im
Griff“, sagt auch Gregor Steidle. „Die Bugwelle nimmt ab.“Die Umstellung sei ohnehin notwendig. Immerhin war kein Fall bekannt, in dem ein Dokument nicht rechtzeitig digital nachgereicht werden konnte.
„Das Gesetz öffnet sich in die digitale Welt“, sagt Kühnelt, „und man muss zur Überzeugung gelangen: Das ist gut so.“Natürlich gehe das nicht von heute auf morgen – der Transfer sei auch abhängig von der Mentalität des einzelnen. Aber Kühnelt ist sich sicher: „Ich glaube, dass wir uns als Anwälte als moderne Dienstleister präsentieren müssen.“Am elektronischen Rechtsverkehr führt da kein Weg mehr vorbei.
Recht trifft auf Technik: Wir sind alle keine Techniker – also kriselt es an den Schnittstellen. Andreas Kühnelt,
Vorstand Rechtsanwaltskammer