US-Vorwahlen: Joe Biden spürt wieder Rückenwind
Demokrat will gegen Präsident Trump antreten
WASHINGTON. Im Wettlauf um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten ist dem früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden ein unverhofftes Comeback gelungen. Nach seiner Siegesserie am „Super Tuesday“dürfte ihm der Abgang eines Konkurrenten einen weiteren Schub versetzen: Der Milliardär Michael Bloomberg warf gestern hin. Der linke Senator Bernie Sanders ist dagegen weiter im Rennen.
Die Vorwahlen ziehen sich noch bis Juni hin. Auf einem Nominierungsparteitag soll dann entschieden werden, welcher Demokrat im November gegen US-Präsident Donald Trump antreten wird.
Trump selbst hat bei den Republikanern keine ernstzunehmende Konkurrenz. Die Partei verzichtete daher in mehreren Bundesstaaten auf Vorwahlen. Am Dienstag hielten die Republikaner aber in 13 der 14 „Super Tuesday“-Staaten Vorwahlen ab. Trump erklärte sich überall zum Sieger. Die Republikaner werden im August formell Trump zu ihrem Präsidentschaftskandidaten küren.
Erst Favorit, dann Außenseiter, dann Shootingstar: Selten hat ein Präsidentschaftsbewerber in den USA eine derart wilde Achterbahnfahrt hingelegt wie Joe Biden. Noch vor einer Woche schien Barack Obamas ehemaliger Vizepräsident politisch tot. Doch am Super Tuesday, dem Mammut-Abstimmungstag in 14 Bundesstaaten, ist dem 77-Jährigen eine fulminante Auferstehung gelungen. Biden hat in der Mehrzahl der Staaten gewonnen, und er hat überall massiv gegenüber den Prognosen zugelegt.
Dass der bei Latinos beliebte linke Senator Bernie Sanders die Mehrheit im bevölkerungsreichen Kalifornien holen würde, war erwartet worden. Eine kleine Sensation ist aber, dass Biden in Texas an seinem innerparteilichen Rivalen vorbeizog.
Bidens größte Trophäe aber ist das schnelle Ausscheiden des Multi-Milliardärs Mike Bloomberg aus dem Rennen. Mit aberwitzigen Werbemitteln hatte der Unternehmer ihm Unterstützer abgeluchst. Sanders oder Biden? So lautet nun die Schicksalsfrage der US-Demokraten. Der einstige Massenwettstreit hat sich auf ein Duell verengt.
Zwar sind Sanders und Biden als weiße Männer in den Endsiebzigern beide nicht die ideale Besetzung für die Rolle des Trump-Herausforderers. Doch es gibt klare ideologische Unterschiede: Der Alt-Revoluzzer Sanders predigt die Kampfansage gegen soziale Ungleichheit und die Macht der Konzerne. Bei den Jungen kommt seine revolutionäre Rhetorik gut an, doch dürfte sie strukturkonservative Wähler abschrecken und die Polarisierung des zerrissenen Landes weiter verstärken.
Als gesellschaftlicher Versöhner nach den Jahren des Hasspredigers Donald Trump scheint Biden deutlich besser geeignet. Doch so beeindruckend die persönliche Lebensgeschichte des einstigen Obama-Vizes ist, so erratisch fielen öfter seine Auftritte aus, bei denen man fürchten musste, dass die Sätze im Nirwana enden.
Eher zögernd haben sich daher die Vertreter des moderaten Parteiflügels um Biden geschart. Doch seit dem Erdrutschsieg von South Carolina strahlt der Totgeglaubte lange vermissten Kampfgeist und echte Siegeszuversicht aus. Ein Dominoeffekt hat eingesetzt: Plötzlich wandert die demokratische Basis zu dem Mann, dem sie die besseren Chancen einräumt, Donald Trump zu schlagen.
In Zeiten von Corona-Angst und Börsenbeben scheint zudem die Lust auf revolutionäre Experimente nachzulassen. Noch ist offen, ob die Siegesserie dem Elder Statesmen die Nominierung auf dem Parteitag sichert. Klar aber ist, dass Biden dringend jüngere Gesichter und eine professionellere Truppe um sich scharen muss. Vor allem braucht er klare Botschaften für die Zukunft. So verlockend die ObamaNostalgie auf seinen Kundgebungen ist – mit einer Retro-Show wird er Trump kaum aus dem Oval Office vertreiben können.
Ein Dominoeffekt hat eingesetzt: Plötzlich wandert die demokratische Basis zu dem Mann, dem sie die besseren Chancen einräumt, Donald Trump zu schlagen.