„Angst ist nicht gut in Statistik“
Prof. Bandelow, warum verfallen Menschen in Deutschland wegen des Coronavirus in Panik und tätigen Hamsterkäufe?
Es gibt so viele Gefahren auf der Welt, an die wir nicht die ganze Zeit denken. Nicht jeder, der morgens auf die Straße fährt, denkt daran, dass es im Laufe des Tages auch Tote durch Autounfälle geben wird. Trotzdem fährt man ohne ein schlechtes Gefühl los. Bei der Grippewelle vor zwei Jahren mit 25 000 Toten ist niemand in Panik geraten. Aber wenn eine Gefahr kommt, die neu und unbeherrschbar erscheint, haben wir davor überproportional viel Angst.
Virologen sagen, dass sich die Gefahr, durch das Coronavirus zu sterben, in Grenzen hält. Das müsste doch beruhigend sein. Angst ist aber nicht gut in Statistik. Während sich das Vernunft-Gehirn an die milden Symptome bei den meisten Krankheitsverläufen erinnert, denkt das Angst-Gehirn an die Bilder von Atemschutzmasken und Schutzanzügen aus China. Man glaubt dann nicht mehr an die Virologen. Das führt dazu, dass die Leute einen Mundschutz kaufen, den sie auf der Straße in Deutschland gar nicht benötigen.
Verändert so eine Panik die Gesellschaft?
Die Panik hat jetzt schon einige problematische Auswirkungen in Deutschland: Im Krankenhaus werden Schutzmasken dringend benötigt. Sehr viele Veranstaltungen werden abgesagt. Sehr viel Geld geht verloren. Menschen gehen in den Supermarkt, machen Hamsterkäufe und posten ein Bild davon auf Facebook. Selbst die, die bis dahin noch nicht in Panik waren, fahren dann auch los, weil sie denken, dass für sie nichts übrig bleibt. Es ist eine Horrorvorstellung des Menschen, dass es plötzlich kein Toilettenpapier und keine Nahrung mehr gibt.
Haben Sie persönlich Angst vor dem Virus?
Ich bin tiefenentspannt, was das Coronavirus angeht. Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit bei mir sehr gering ist, dass ich ernsthaft erkranke. Obwohl ich schon etwas älter und männlich bin, damit also schon zur Risikogruppe gehöre. Ich weiß, dass, wenn ich erkranken sollte, ich eine reelle Chance habe, zu überleben.
Wie schaffe ich es, als tendenziell ängstliche Person in Krisenzeiten so gelassen wie Sie durch den Alltag zu gehen?
Im Allgemeinen sollte man sich einen gesunden Fatalismus und Gelassenheit antrainieren, um nicht so sehr von der Angst befallen zu werden. Man sollte sich immer wieder den Satz ins Gedächtnis rufen: Es wird schon nichts passieren. Statt ständig zu sagen: Mir wird bestimmt etwas passieren.