Höckes verlorener Kampf
Es ist vollir⁄cht: Bo−o R⁄melow ist z m Ministerpräsi−enten von Th₨rin½en ½ewählt wor−en. Dieses M⁄l hielten −ie Aispr⁄chen. Dennoch ileiien −ie M⁄chtverhältnisse in Erf rt inst⁄iil.
Um 16.17 Uhr kam die Thüringer Linken-Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ohne Blumenstrauß zum neu gewählten Ministerpräsidenten. Aber mit einer herzlichen Umarmung für Bodo Ramelow. Es ist gerade mal einen Monat her, dass sie den mit AfD-Stimmen gewählten Ministerpräsidenten Thomas L. Kemmerich mit einer formvollendeten Geste zwischen Wurf und Kranzniederlegung gedemütigt hatte.
Dafür verweigerte Ramelow dieses Mal seinem AfDGegenkandidaten Björn Höcke den Gratulationshandschlag. Höcke, der Verlierer des Tages, stand in einem minutenlangen Showdown vor Ramelow, die beiden Kontrahenten starrten sich in die Augen, hinter Höcke staute sich die Schlange der Gratulanten. „Nötigung!“, riefen erboste Linkspartei-Abgeordnete in den Saal.
„Erst wenn Sie die Demokratie verteidigen, gebe ich Ihnen die Hand“, sagte Ramelow später in seiner Antrittsrede, die zwischen Wut und Landesväterlichkeit schwankte – also die zwei Extreme, zu denen Bodo Ramelow fähig ist.
Erst Haushalt, dann Wahlen
Nach sechs Wahlgängen und gut vier Monaten kommt das Erfurter Politdrama zu einem vorläufigen Ende. Ramelow ist Ministerpräsident einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die mit CDUUnterstützung den Haushalt 2021 verabschieden, ein paar Projekte anschieben und am 25. April 2021 erneute Landtagswahlen abhalten soll.
Oben auf der Tribüne steht Michael Brychcy, ein kompakter Konservativer, und freut sich über den Sieg des LinkenPolitikers. Brychcy ist Vorsitzender des Thüringer Städteund Gemeindebunds, CDUMann und seit 30 Jahren Bürgermeister von Waltershausen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte Thüringen deutlich schneller zu diesem Ergebnis kommen können. Bereits im November hatte er den damaligen CDU-Fraktionschef Mike Mohring zum Rücktritt aufgefordert. Ramelow sei ein „Mann der bürgerlichen Mitte“, sagt Brychcy. Von Abgrenzungsdirektiven hält er nichts. „Wir müssen uns um die praktischen Probleme kümmern. Und Ramelow ist nicht die Linkspartei.“
Ein erneuter Coup von Björn Höckes AfD bleibt aus. Im dritten Wahlgang zieht der Rechtsradikale zurück. „So sehen keine Sieger aus“, twittert Höckes Co-Landeschef Stefan Möller bereits vor dem entscheidenden, dem dritten Wahlgang.
Noch am Dienstag hatte die Wahl auf der Kippe gestanden, weil ein CDU-Abgeordneter Kontakt zu einem Covid-19-Infizierten hatte. Der Schnelltest fiel negativ aus.
Die Witze waren da alle schon gemacht in den sozialen Netzwerken. Die ganz platten von der Immunität der Abgeordneten und die etwas anspruchsvolleren von jenen, die die irritierenden Vorgänge in diesem komplizierten Bundesland wie eine Fernsehserie konsumieren: Die beiden großen Ängste der Zeit, die vor dem Virus und die vor einer Machtbeteiligung der AfD, verweben sich im Erfurter Plot.
Einfacher ausgedrückt:
Thüringen lässt in diesen Tagen wirklich nichts aus.
Seit vor einem Monat Thomas L. Kemmerich von der dunklen Seite der Macht übermannt und mithilfe von CDU undAfDz um Ministerpräsidenten gewählt wurde, wackelte die Republik.
Nun trat der abgewählte Ministerpräsident von der Linken, Bodo Ramelow, gegen AfD-Landeschef Björn Höcke an. Die CDU enthielt sich und ermöglichte damit Ramelow, der im dritten Wahlgang nur die einfache Mehrheit brauchte. Die FDP nahm an der Wahl gar nicht erst teil, vielleicht wollte sie nicht in Versuchung geführt werden. Ramelow kam gut gelaunt in den Landtag und sprach von den „großen Chancen einer Minderheitsregierung“. Höcke war ein Zählmann seiner eigenen Leute.
Das Problem dieser neuen Erfurter Republik ist weniger, dass am Mittwoch ein Linker und ein AfD-Rechtsaußen zur Wahl standen, sondern dass keine Mehrheit gegen die CDU möglich war. Und dass diese CDU gebunden ist durch Bundes parteitagsbeschlüsse, die jede Zusammenarbeit mit Linken und AfD ausschließen und einer ständig komplexer werdenden politischen Realität im Osten entgegenstehen.
Daran scheiterte Mohring, sein Nachfolger Mario Voigt will es nun besser machen. Der 43- Jährige lehrt als Professor für Digitale Transformation und spricht in diesen Tagen viel von„ staatspolitischer Verantwortung“und „konstruktiver Opposition“gleichzeitig. „Wir sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems“, sagt Voigt, und wer die vergangenen Monate des Thüringen-Dramas verfolgt hat, kann zumindest in der Rückschau an diesem Satz zweifeln. Vor elf Jahren war Voigt noch für eine „Stoppt Ramelow“-Kampagne der Jungen Union verantwortlich. „Wir haben beide dazugelernt“, sagt er heute.
Außerhalb von Erfurt und Berlin aber gibt es die Parteimitglieder, die sich vor einem Monat so sehr darüber die Hände rieben, dass ihr alter Feind Ramelow abgewählt worden war.
Aber es gibt auch die gestandenen Christdemokraten wie den Landrat des Eichsfelds, Werner Henning. Der 63-Jährige steht seit 1994 dem erzkatholischen Landkreis vor. Er selbst würde es wahrscheinlich für Blasphemie halten, würde man ihn als Propheten
bezeichnen. Doch Henning warnte bereits eine Woche nach der Wahl am 27. Oktober vergangenen Jahres mit alttestamentarischer Wucht davor, dass die CDU mit der AfD gemeinsame Sache machen könnte, um Ramelow zu verhindern.
Der damalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, hatte vorgeschlagen, dass Mohring gegen Ramelow antreten könnte – ein Szenario, das nur mit AfD-Stimmen Erfolg versprochen hätte. Henning schrieb damals: „Herrn Hirte bleibt nur zu wünschen, dass er keinen ,Tag der Schande‘ erlebt, der ihn, samt derer, die auf ihn hören, dauerhaft desavouiert.“
Hirtes „Tag der Schande“kam, als er Kemmerich per Twitter zur Wahl gratulierte und die Glückwünsche nicht zurücknahm. Danach war er nicht mehr lange Ostbeauftragter. Und Mohring bestand sein Harmagedon ebenfalls nicht. Henning nennt das ein „Bild des Jammers“, was die Fraktion in Erfurt über all die Monate abgab.
Mit Ramelow zum Papst
Aber Thüringen ist nun einmal kompliziert. Landrat Henning zum Beispiel ist ein Ramelow-Unterstützer, spätestens seitdem er 2016 mit dem Ministerpräsidenten gemeinsam den Papst besuchte. Der Katholik Henning und der Protestant Ramelow treffen sich im Glauben. Höcke, der im Eichsfeld wohnt, hält Henning hingegen für einen gefährlichen Demagogen, zu dem die CDU maximalen Abstand halten müsse. „Ramelow gilt in meiner Ost-Prägung als Vertreter der bürgerlichen Mitte“, sagt Henning.
In Erfurt aber ist das schon wieder anders. Ein Video von der Linken-Strategiekonferenz gab den letzten Ausschlag dafür, dass einzelne CDU-Abgeordnete doch nicht für Ramelow stimmten, sondern sich enthielten. Einer Genossin war die ironische Bemerkung herausgerutscht: „Wenn wir nach der Revolution das eine Prozent Reiche erschossen haben“, und Parteichef Bernd Riexinger machte alles noch schlimmer, als er korrigierte, man werde sie „gesellschaftlich sinnvoller Arbeit“zuführen.
Landrat Henning ist auch das egal. „Vor 30 Jahren war die SED mein Gegner“, sagt er, „aber ich lebe im Hier und Heute.“
Erst wenn
Sie die Demokratie verteidigen, gebe ich Ihnen die Hand.
Bodo Ramelow, Ministerpräsi−ent von Th₨rin½en, z Björn Höcke