Den Ausdruck für die Trauer finden
Ballettmeisterin Heather Jurgensen verkörpert Berlioz’ Andromache
KIEL. Eine Sängerin, die nicht singen kann – mit dieser Idee von Regisseurin Alexandra Liedtke konnte Heather Jurgensen etwas anfangen. Die Tänzerin und Ballettmeisterin im Ballett Kiel spielt in der Oper
Die Trojaner die Andromache. Eine stumme Rolle, in der die Witwe des Griechenhelden Hektor ihrer Trauer Ausdruck gibt. „Das ist eine kleine, musikalisch sehr schöne Szene“, sagt Jurgensen, „der ganze Chor steht auf der Bühne – 80 Leute, das ist schon gewaltig im
Vergleich zu unserer kleinen Compagnie mit 18 Tänzern.“Zusammen mit Choreograf Paul Blackman hat sie die Szene erarbeitet. „Ich bin ja keine Schauspielerin“, sagt sie, „ich musste aber einen Ausdruck für diese Trauer finden. So habe ich den für mich einfachsten Weg gewählt, über die Bewegung. Das ist schon ein Tanz geworden.“Die größte Herausforderung aber war das Kostüm. „Ich trage da ein voluminöses, ziemlich unbewegliches Teil aus wattiertem Stoff“, schmunzelt Heather Jurgensen, „das ist wie ein Schlafsack.“Gut, dass die
Schneiderei die tänzerischen Bedürfnisse im Blick hatte: „Ich durfte schnippeln und schlitzen, wo es nötig war ...“
Zwischendurch steht die langjährige Neumeier-Primaballerina ganz gern mal wieder auf der Bühne; auch in den Ballett-Produktionen La Sylphide und Onegin ist sie zu sehen. „Es ist schön, mal die Seiten zu wechseln. Und das andere Metier, die Arbeit mit den Sängern interessiert mich sehr. Die arbeiten ja ganz anders. Sie müssen ihre Stimme schützen und dürfen sich gar nicht immer aussingen – Tänzer dagegen müssen
sich immer auspowern. Da ist die Generalprobe wie die erste Vorstellung.“
Die Trojaner kannte die Tänzerin, die vor allem die Barockoper liebt, zwar bisher nicht; der Komponist Hector Berlioz aber hat sie schon länger fasziniert: „Eine wirklich ungewöhnliche Person“, sagt sie, „sehr emotional, sehr musikbezogen. Seine Biografie habe ich gleich zweimal gelesen. Und ich bin immer neugierig auf die Musik.“