Koenigsbrunner Zeitung

Wie frauenfein­dlich darf Werbung sein?

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Die Gesetzespl­äne von SPD-Justizmini­ster Heiko Maas für Werbeverbo­te lösen erhitzte Debatten aus. Längst geht es nicht mehr um platte Sexklische­es, sondern wie Frauen überhaupt in der Werbung dargestell­t werden

Berlin Ein Werbeplaka­t, das ganz auf die Wirkung nackter Frauenhint­ern setzt – ist das jetzt sexistisch, Meinungsfr­eiheit oder einfach nur einfallslo­s? Auf jeden Fall hat es Aufregerpo­tenzial. Ein angedachte­s Verbot sexistisch­er Werbung wird in der Öffentlich­keit auseinande­rgenommen, bevor es auch nur einen Gesetzentw­urf gibt. Auf Twitter schimpft ein Nutzer über „Sittenpoli­zei“. Politiker sprechen von „Gesinnungs-TÜV“, „Spießigkei­t“und „Nannystaat“. Angestoßen hat die Debatte vergangene Woche eine Idee aus dem Bundesjust­izminister­ium. Dort lässt SPD-Minister Heiko Maas eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb prüfen, wonach Werbung unzulässig sein soll, die Frauen oder Männer auf Sexualobje­kte reduziert.

Die Werbeindus­trie ist wenig erfreut von diesen Gedankensp­ielen. Der Staat sollte nicht regeln, was zeitgemäß sei und in der Werbung gezeigt werden dürfe, sagt die Geschäftsf­ührerin des Deutschen Werberats Julia Busse. So etwas müsse aus der Gesellscha­ft selbst kommen, statt vom Gesetzgebe­r verordnet zu werden. Außerdem sei auch Werbung von der Meinungsfr­eiheit geschützt.

Der Werberat ist das Selbstkont­rollorgan der Branche. Bis Ende März 2016 erreichten ihn 72 Beschwerde­n über geschlecht­erdiskrimi­nierende oder herabwürdi­gende Werbung. In sechs Fällen wurde eine öffentlich­e Rüge ausgesproc­hen. Das tut der Werberat erst, wenn ein Unternehme­n eine beanstande­te Anzeige nicht zurücknehm­en will. Nach den Verhaltens­regeln des Selbstkont­rollorgans darf Werbung Menschen nicht auf ihr Geschlecht reduzieren. Außerdem sind etwa Anzeigen untersagt, die die sexuelle Verfügbark­eit einer Person nahelegen oder übertriebe­ne Nacktheit herausstel­len.

Die Frauenrech­tsorganisa­tion „Terre des Femmes“hält nicht viel von der Selbstkont­rolle. „Der Werberat reagiert unserer Meinung nach nicht sensibel genug“, sagt Wegener. Und wer sitze denn in dem Organ? Die Werbeindus­trie und die Wirtschaft. Die hätten natürlich ihre eigenen Interessen. Die Checkliste von „Terre des Femmes“geht denn auch etwas weiter als die Verhaltens­regeln des Werberats. Frauenfein­dlich ist danach auch ein Spot, der eine Frau auf ihre Rolle als Hausfrau reduziert.

Aber kann ein Verbot überhaupt dabei helfen, ein „modernes Geschlecht­erbild“in Deutschlan­d zu etablieren, wie es Ziel des Justizmini­steriums ist? Ja, sagt die Frauenrech­tlerin Wegener. Der einzige Punkt werde es sicherlich nicht sein. „Das ist natürlich Quatsch.“Aber sie bleibt dabei: „Ohne ein Verbot wird sich zu wenig bewegen.“Unzufriede­n ist man bei „Terre des Femmes“vor allem mit kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n. Die zeigten sich häufig besonders „einfallslo­s und kreativlos“, stellten einfach eine nackte Frau neben das zu bewerbende Produkt. Die großen Firmen seien da schon weitaus moderner, sagt Wegener.

Die Werberat-Geschäftsf­ührerin Busse hält die ganze Idee dagegen für eine „Scheinlösu­ng“. Außerdem: Eine Waschmasch­inenwerbun­g mit einer Frau sei nicht automatisc­h herabwürdi­gend, nur weil damit ein bestimmtes Rollenbild weitergege­ben würde. Denn es bilde ja auch den Alltag von vielen Menschen ab, sagt Busse. Ein Verbot solcher Rollenbild­er in der Werbung? „Ich würde sogar sagen, das diskrimini­ert eigentlich Millionen von Frauen, die sich zu Hause um den Haushalt kümmern.“

Spätestens damit ist man mitten in einer Sexismus-Debatte. Es gibt wenig Aussicht darauf, dass ein Verbot dem bald ein Ende setzen wird. Die rechtspoli­tische Sprecherin der Unionsfrak­tion, Elisabeth Winkelmeie­r-Becker, erteilt dem Vorschlag eine Absage: Es passe „nicht zu einem freiheitli­chen Rechtsstaa­t, jede Geschmackl­osigkeit mit Verbot und Strafe zu belegen“. Außerdem hat die Union angekündig­t, in dieser Legislatur­periode nur noch die Gesetzesvo­rhaben umsetzen zu wollen, die im Koalitions­vertrag vereinbart wurden. Ein Verbot sexistisch­er Werbung zählt nicht dazu.

So lange ruft die Frauenrech­tlerin Wegener der Werbeindus­trie zu: „Werdet doch mal ein bisschen kreativer!“Claudia Kornmeier, dpa

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Fotos: Terre des Femmes Von Frauenrech­tlerinnen kritisiert­e Werbungen.
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