Böhmermann und die Brandstifter
Erdogans Anhänger feiern hämisch, und in Deutschland meldet sich eine fast vergessene Stimme aus dem politischen Jenseits
Augsburg Man sollte meinen, mittlerweile habe so ziemlich jeder seinen Senf dazu gegeben. Von wegen! Der Fall Böhmermann treibt auch am Wochenende den Blutdruck in die Höhe. Dass die Bundeskanzlerin ein juristisches Verfahren gegen den Satiriker zulässt, feiern Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schon wie eine Verurteilung. Eine regierungsnahe Zeitung schreibt voller Häme über den „riesigen Schock“für den frechen Fernsehmann aus „Almanya“. Was kümmert es da schon, dass noch nicht einmal klar ist, ob er jemals bestraft wird? Hauptsache, die Schlagzeile stimmt. Und auch in Deutschland gibt es genug Leute, die noch schnell auf den Böhmermann-Zug aufspringen wollen, bevor es zu spät ist. Gestern meldete sich ein gewisser Bernd Lucke sozusagen aus dem politischen Jenseits. Für die Jüngeren: Der Mann hat einst die Alternative für Deutschland gegründet. Die ist gerade dabei, eine Partei nach der anderen rechts zu überholen – allerdings ohne ihren Gründervater. Der Mann wurde längst vom Hof gejagt und versucht nun, mit einer neuen Alternative Fuß zu fassen. Da kann es ja nicht schaden, sich ein bisschen ins Gespräch zu bringen. Also hat er sich am Wochenende an seinen Computer gesetzt und ein paar Zeilen zum Fall Böhmermann getippt. Und eines muss man Lucke lassen: Er weiß immer noch, wie man sich mit provokanten Aussagen in die Schlagzeilen bringt. Seinen Senf zum Fall Böhmermann überschreibt er mit „Was man nicht sagen darf“.
Im Fernsehen würde man von einem guten „Cliffhanger“sprechen. Und tatsächlich haut Lucke anschließend einen Spruch raus, den man in dieser Schärfe nicht erwarten konnte: „Böhmermann ist eine feige Drecksau.“Punkt. Zur Begründung dieser These – oder war das etwa der Versuch einer Schmähsatire Marke Böhmermann? – braucht Professor Lucke deutlich mehr Worte. Jedenfalls schreibt er, dass Erdogan „keine Lichtgestalt der Demokratie“und die Kritik an ihm „meist berechtigt“sei. Dass der Satiriker den türkischen Präsidenten mit unflätigen Obszönitäten bombardiert und mit Schweinereien überschüttet habe, findet Lucke trotzdem „ungerecht, gemein und feige“.
Margot Käßmann drückt sich in einem Interview etwas dezenter aus, aber auch sie wird wohl kein Fan des ZDF-Mannes mehr. Schön sei die Kritik an Böhmermann nicht, sagt die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, fügt aber hinzu: „Wer austeilt, muss auch einstecken.“Mal sehen, wer als nächster austeilt. Und gegen wen.