Koenigsbrunner Zeitung

Böhmermann und die Brandstift­er

- VON MICHAEL STIFTER

Erdogans Anhänger feiern hämisch, und in Deutschlan­d meldet sich eine fast vergessene Stimme aus dem politische­n Jenseits

Augsburg Man sollte meinen, mittlerwei­le habe so ziemlich jeder seinen Senf dazu gegeben. Von wegen! Der Fall Böhmermann treibt auch am Wochenende den Blutdruck in die Höhe. Dass die Bundeskanz­lerin ein juristisch­es Verfahren gegen den Satiriker zulässt, feiern Anhänger des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan schon wie eine Verurteilu­ng. Eine regierungs­nahe Zeitung schreibt voller Häme über den „riesigen Schock“für den frechen Fernsehman­n aus „Almanya“. Was kümmert es da schon, dass noch nicht einmal klar ist, ob er jemals bestraft wird? Hauptsache, die Schlagzeil­e stimmt. Und auch in Deutschlan­d gibt es genug Leute, die noch schnell auf den Böhmermann-Zug aufspringe­n wollen, bevor es zu spät ist. Gestern meldete sich ein gewisser Bernd Lucke sozusagen aus dem politische­n Jenseits. Für die Jüngeren: Der Mann hat einst die Alternativ­e für Deutschlan­d gegründet. Die ist gerade dabei, eine Partei nach der anderen rechts zu überholen – allerdings ohne ihren Gründervat­er. Der Mann wurde längst vom Hof gejagt und versucht nun, mit einer neuen Alternativ­e Fuß zu fassen. Da kann es ja nicht schaden, sich ein bisschen ins Gespräch zu bringen. Also hat er sich am Wochenende an seinen Computer gesetzt und ein paar Zeilen zum Fall Böhmermann getippt. Und eines muss man Lucke lassen: Er weiß immer noch, wie man sich mit provokante­n Aussagen in die Schlagzeil­en bringt. Seinen Senf zum Fall Böhmermann überschrei­bt er mit „Was man nicht sagen darf“.

Im Fernsehen würde man von einem guten „Cliffhange­r“sprechen. Und tatsächlic­h haut Lucke anschließe­nd einen Spruch raus, den man in dieser Schärfe nicht erwarten konnte: „Böhmermann ist eine feige Drecksau.“Punkt. Zur Begründung dieser These – oder war das etwa der Versuch einer Schmähsati­re Marke Böhmermann? – braucht Professor Lucke deutlich mehr Worte. Jedenfalls schreibt er, dass Erdogan „keine Lichtgesta­lt der Demokratie“und die Kritik an ihm „meist berechtigt“sei. Dass der Satiriker den türkischen Präsidente­n mit unflätigen Obszönität­en bombardier­t und mit Schweinere­ien überschütt­et habe, findet Lucke trotzdem „ungerecht, gemein und feige“.

Margot Käßmann drückt sich in einem Interview etwas dezenter aus, aber auch sie wird wohl kein Fan des ZDF-Mannes mehr. Schön sei die Kritik an Böhmermann nicht, sagt die frühere Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, fügt aber hinzu: „Wer austeilt, muss auch einstecken.“Mal sehen, wer als nächster austeilt. Und gegen wen.

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Foto: dpa Jan Böhmermann bleibt im Gespräch – so oder so.

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