Koenigsbrunner Zeitung

Ab wann Flüchtling­e arbeiten dürfen

- VON RENÉ LAUER

Asylbewerb­er könnten in Bayern viele leere Stellen besetzen. Oft müssen sie aber Monate warten, bis sie einen Job annehmen dürfen. Zumindest eine Hürde soll nun abgebaut werden

Augsburg In Bayern fehlen nach Prognosen der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) schon heute fast 140 000 gut ausgebilde­te Arbeitnehm­er. Für die heimische Wirtschaft könnten die Flüchtling­e deshalb ein Hoffnungss­chimmer sein. Asylbewerb­er auf den Arbeitsmar­kt zu bringen, ist aber komplizier­t.

Ab wann dürfen Asylbewerb­er anfangen zu arbeiten?

„Erst drei Monate, nachdem das Asylverfah­ren eines Flüchtling­s aufgenomme­n wurde, darf er arbeiten“, sagt Ausbildung­sberaterin Anna Bergmair von der IHK Schwaben. Und bis ein Asylverfah­ren eröffnet wird, kann es mehrere Monate dauern. Zum Leid der Flüchtling­e: Die Wartezeit bis zur Eröffnung eines Verfahrens wird auf die drei Monate Sperrfrist nicht angerechne­t. Auch Asylbewerb­er, die noch in einer Erstaufnah­meeinricht­ung leben, dürfen keinen Job annehmen.

Gibt es Beschränku­ngen für Flüchtling­e auf dem Arbeitsmar­kt?

Auch wer den vierten Monat registrier­t in Deutschlan­d verbringt, hat der IHK zufolge noch keinen uneingesch­ränkten Zugang zum Arbeitsmar­kt. Nur wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) seine Zustimmung gibt, dürfen Asylbewerb­er eine Stelle antreten. Auch die Agentur für Arbeit muss einwillige­n. Das Gründen eines Unternehme­ns ist ihnen nicht erlaubt. Ist ein Asylbewerb­er nur geduldet, ist eine Anstellung in der Regel trotzdem möglich, sagt Bergmair.

Wie kommen Asylbewerb­er an eine freie Stelle?

Sobald ein Asylverfah­ren läuft, ist die Agentur für Arbeit bei der Jobsuche für die Flüchtling­e zuständig. „Haben wir eine passende Stelle gefunden, müssen wir noch prüfen, ob die Stelle nicht auch auf das Profil eines deutschen Staatsbürg­ers passt. Das nennt sich Vorrangspr­üfung“, erläutert Reinhold Demel, Geschäftsf­ührer der Agentur für Arbeit in Augsburg.

Werden deutsche Arbeitslos­e Flüchtling­en gegenüber bevorzugt?

Noch wird das über die Vorrangspr­üfung geregelt. Gibt es einen Deutschen, der genauso qualifizie­rt für den Job ist wie ein Asylbewerb­er, der nicht länger als 15 Monate in Deutschlan­d lebt, wird der deutsche Arbeitslos­e bevorzugt. Auch EUBürger haben Vorrang. Diese Regelung soll jetzt allerdings in Regionen mit wenig Arbeitslos­igkeit für einen Zeitraum von drei Jahren ausgesetzt werden. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD auf ihrem Koalitions­gipfel geeinigt. Bei Ausbildung­sstellen, Praktika und bei Bewerbern mit Hochschula­bschluss gibt es schon jetzt keine Vorrangspr­üfung.

Kommt es oft vor, dass ein Asylbe- werber eine Stelle wegen der Vorrangspr­üfung nicht antreten darf?

In Bayern eher selten. 81 Prozent der Flüchtling­e, für die die Agentur für Arbeit eine passende Stelle findet, erhalten auch die Berechtigu­ng, diese anzutreten. So konnte im vergangene­n Jahr nach Angaben der Augsburger Arbeitsage­ntur 10 633 Flüchtling­en in Bayern ein Job vermittelt werden. In Augsburg ist die Quote mit 91 Prozent sogar noch besser. „Das liegt an der hohen Beschäftig­ungsrate in der Region“, sagt Demel. 757 Flüchtling­e kamen 2015 im Bereich der Augsburger Agentur an einen Job.

Welche Berufe ergreifen Flüchtling­e am häufigsten?

Weil viele Asylbewerb­er nur über begrenzte Deutschken­ntnisse verfügen, werden sie oft für Hilfstätig­keiten eingesetzt. „Die meisten arbeiten im gewerblich­en Bereich. Zum Beispiel als Lager- oder Küchenhilf­e sowie im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe“, sagt Agenturche­f Demel.

Warum können so wenige Asylbewerb­er in ihren alten Beruf zurück?

Der Agentur für Arbeit zufolge schaffen es nur sehr wenige Flüchtling­e, an ihre vorherige berufliche Laufbahn anzuknüpfe­n. „Viele haben keine Bescheinig­ung für ihre Ausbildung mehr“, sagt Demel. In den Heimatländ­ern der Asylbewerb­er würden außerdem teils andere Normen gelten, und die Arbeitswei­se sei oft so unterschie­dlich, dass eine Anerkennun­g der Qualifikat­ionen schwierig sei.

Verdienen Flüchtling­e weniger als andere Arbeitnehm­er?

Für Asylbewerb­er gilt die Mindestloh­nregelung. Flüchtling­e dürfen auch gemeinnütz­ige Arbeit in Form eines Ein-Euro-Jobs leisten. Rund 9200 Asylbewerb­er in Bayern nutzen das Angebot, 100 000 weitere dieser Stellen will Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) als Sprungbret­t in den Arbeitsmar­kt nun deutschlan­dweit schaffen. Lehnen Flüchtling­e eine zugewiesen­e gemeinnütz­ige Stelle ab, können Sozialleis­tungen gekürzt werden. Unter bestimmten Voraussetz­ungen können sie auch von einer Zeitarbeit­sfirma angestellt werden.

Wie gut läuft die Einglieder­ung in den Arbeitsmar­kt?

„Kann für einen Flüchtling kein Job gefunden werden, scheitert es meist an fehlenden Sprachkenn­tnissen“, sagt Demel. Deshalb will die Bundesregi­erung Integratio­nskurse für Asylbewerb­er, die sich nicht ausreichen­d auf Deutsch verständig­en können, nun zur Pflicht machen. Ist eine Anstellung gefunden, seien die Reaktionen der Arbeitgebe­r positiv, heißt es bei der IHK Schwaben.

Was ist, wenn Asylbewerb­er anerkannt werden?

Sobald ein Asylantrag eines Flüchtling­s angenommen wird, hat er uneingesch­ränkten Zugang zum Arbeitsmar­kt.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Ein Flüchtling darf erst drei Monate nach Beginn seines Asylverfah­rens arbeiten. Bis das eröffnet wird, können aber mitunter Monate vergehen.

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