Koenigsbrunner Zeitung

Der tiefe Sturz der Mittelstan­ds-Anleihe

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Einst war Steilmann der größte Bekleidung­sherstelle­r Deutschlan­ds. Heute ist das Unternehme­n pleite – und das Geld vieler Anleger möglicherw­eise weg. Das offenbart ein noch viel größeres Problem

für Millionen“– so lautete über Jahrzehnte der Slogan des Bekleidung­sproduzent­en Steilmann. Heute würde man wohl eher von einer Millionenp­leite für die Anleger sprechen. Das Traditions­unternehme­n hat Ende März einen Insolvenza­ntrag gestellt. Die drei Anleihen des Bekleidung­sherstelle­rs wurden vom Handel ausgesetzt. Steilmann hatte sich in den vergangene­n Jahren über diese Anleihen rund 74 Millionen Euro Fremdkapit­al geholt. Wie viel die Anleger davon wiedersehe­n werden, ist noch nicht klar.

Erst vor knapp fünf Monaten war das Unternehme­n an die Börse gegangen. Steilmann hatte angekündig­t, durch den Börsengang 100 Millionen Euro einnehmen zu wollen, bis zu 19,5 Millionen Aktien für je 3,50 bis 5 Euro sollten ausgegeben werden. Doch die Anleger griffen nur vorsichtig zu: Steilmann wurde nur 2,5 Millionen Aktien zu je 3,50 Euro los. Am Ende landeten weniger als neun Millionen Euro in den Kassen des Unternehme­ns. Daraufhin reagierten die Aktionäre panisch und ließen den Kurs der Steilmann-Aktie einbrechen. Eine Aktie kostete am Abend des Börsengang­s nur noch rund 31 Cent.

Die Modebranch­e steht – ähnlich wie die Unternehme­n, die sich mit erneuerbar­en Energien beschäftig­en – stark unter Druck. Nicht einmal einen Monat vor der SteilmannP­leite hatte auch der Brennstoff„Mode hersteller German Pellets Insolvenz angemeldet, der sich ebenfalls über Mittelstan­dsanleihen Geld beschafft hatte. Diese Pleiten offenbaren ein größeres Problem: Je mehr die Anleger wegen der hohen Verluste das Vertrauen in diese Anleihen verlieren, desto mehr sinkt auch die Möglichkei­t mittelstän­discher Unternehme­n, sich auf diese Art und Weise frisches Geld zu besorgen. Ein Rückgang ist bereits erkennbar: So belief sich das Volumen deutscher Mittelstan­dsanleihen im Jahr 2012 auf rund 1243 Millionen Euro. 2015 waren es nur noch 737 Millionen Euro.

Für die Steilmann-Anleger ist nun vor allem wichtig, wie hoch die Verluste sein werden und ob eine Brückenfin­anzierung klappt. Der vorläufige Insolvenzv­erwalter Frank Kebekus versucht derzeit vorrangig, die operativen Geschäfte der Gruppenges­ellschafte­n zu stabilisie­ren und einen Investor zu finden. Der kurze Zeitraum zwischen Börsengang und Insolvenza­nmeldung hat dennoch ein „Gschmäckle“. Daniela Bergdolt und ihre Kanzlei prüfen deshalb im Moment, ob strafrecht­liche Vorwürfe und Schadenser­satzansprü­che der Aktionäre im Raume stehen. Die Ansprüche müssen allerdings erst mit Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens angemeldet werden. Die Anleger haben jetzt also erst einmal eine Verschnauf­pause, um den Schock zu verdauen und sich Hilfe zu holen.

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Foto: dpa Der Börsengang von Steilmann ist deutlich misslungen.
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