Immer schön lächeln, Mutti!
Alles könnte so schön sein, wäre es nicht so anstrengend. Drei Frauen arbeiten sich in „Frau Mutter Tier“an ihrem Nachwuchs, ihren Männern und ihrem Beruf ab
Sie sollen schön sein, alles mit einem Lächeln packen, arbeiten, den Kindern eine gute Mutter und bei all dem auch noch tiefenentspannt sein, bitte schön. „Frau Mutter Tier“, im Sensemble uraufgeführt und schon Wochen vorher ausverkauft, zeigt Geschichten, die das Leben schreibt. Jedenfalls das Leben jener Menschheitshälfte, die im Kapitalismus zu Hause ist. Das Stück bringt die Selbstkonzepte von Frauen auf die Bühne, die als Mütter gegen die Unzulänglichkeit kämpfen. Man vermutet: Weder die Karrierefrau Jaggi (Dörte Trauzeddel), noch die Quasselstrippe und Vollzeitmutter Ella (Kerstin Becke), noch die finanziell ewig klamme alleinerziehende Tine (Lisa Fertner) können den Erwartungen gerecht werden, auch den eigenen nicht. Doch es endet anders.
Das Stück, das als humorvoll und ironisch angekündigt ist, mäandert – unterbrochen von beeindruckenden Rock- und Rap-Einlagen – durch Alltagsszenen und innere Monologe des Trios. Alles ist konzentriert auf die drei Figuren. Nichts, was ablenkt, kein Schnickschnack. Am Rand der Bühne, ordentlich aufgetürmt, ein Haufen Spielpuppen, Kinderstühlchen, Schnuller, Kuscheltiere. Am anderen Rand ein blauer Samtrock zum Einsteigen. Die Glühbirnen im hinteren Viertel der Bühne bilden Rahmen, in denen sich Jaggi, Ella und Tine immer dann wie Ikonen versammeln und posieren, wenn aus dem Off eine weiche Männerstimme das Märchen der Königstochter Elsa vorträgt. Diese verliert sich im Lauf der Geschichte übrigens, wird mit den Identitäten Frau und Mutter nicht fertig.
Die drei Frauen tragen uniformes, bequemes Blau mit Kapuze. Im Wechsel erzählen und spielen sie ihre Geschichten, kehren ihr Innerstes nach außen. Tine ist 24. Sie kam aus dem Skiurlaub zurück und war schwanger. Ihre Mutter kündigte sofort an: „Wenn du das Kind kriegst – von mir brauchst du keine Hilfe erwarten!“Nach der Geburt in die Arbeitslosigkeit. Wenn sie in das blaue Kleid steigt, wird klar: Sie hat Träume, kann singen. Doch sie ist total überfordert: „Ich liebe meine Tochter, kann das nur gesichtsmäßig nicht so zeigen.“Sie hat Panikattacken und Versagensängste. Abends in der Kneipe stürzt sie ab, krakeelt abseits der Bühne im Schankraum des Sensembles herum. Der Mütter-Chor: „Du sollst glücklich sein, du sollst natürlich gebären, du sollst keine Nacht mehr durchschlafen!“
Bei Jaggi, der Unternehmensberaterin, kündigt sich die Scheidung schon während der Geburt an. Auf dem Boden des Kreißsaals herumrobbend, hadert sie mit ihrer neuen Rolle. Mit Job und Kind klappt es seither nicht mehr, sie gründet statt dessen eine 24-Stunden-Krippe, in der die Kleinen schon früh auf Leistung und Erfolg getrimmt werden. Ella hingegen mit ihren zwei Kindern scheint gar nicht frustiert. Nur das kleinkindhafte Dauergeplapper, mit dem sie ihre Tochter zutextet, lässt vermuten: Das geht nicht gut.
Im Verlauf der 80 Minuten steigert sich das Tempo. Verzweiflung, Überforderung und Lautstärke nehmen zu. In einer fulminanten, dramatischen Schlussszene sprintet Ella schließlich zwischen beiden Kinderbetten hin und her. Schlafen sollen die Kleinen, nicht singen. Doch sie versagt, höchstdramatisch, schlägt zu. Licht aus. Überraschend kommt dann der Nachtrag: Die Mütter halten sich an Händen, drehen das Ganze noch zum Happy End. Doch kein Drama hier! Das Publikum ist versöhnt, feiert das Stück, das Theaterteam und die extra aus München angereiste Autorin Alexandra Helmig.
OAufführungen bis 10. Juni