Die biologische Uhr tickt
Luise Kinseher wartet auf den Mann ihres Lebens. Die Eigentumswohnung hat sie auch noch nicht gefunden. Das ist irre komisch
Wir haben keine Zeit, müssen immer schneller und immer mehr Termine absolvieren – nur um zu warten, dass etwas im Leben passiert. Fast philosophisch gibt sich Luise Kinseher in ihrem neuen Programm. In der voll besetzten Gersthofer Stadthalle appellierte sie an die Besucher getreu ihrem Motto: „Ruhe bewahren“.
Da ist die Bühnenfigur Luise Kinseher, deren biologische Uhr tickt und die noch immer nicht den Mann ihres Lebens und die Eigentumswohnung in München – am liebsten mit Dachterrasse – gefunden hat: „Manche Frauen in meinem Alter haben ein Haus, Kinder und vielleicht auch einen erwachsenen Mann.“Da wird ein Mann, dem sie im Hotelfahrstuhl begegnet ist und mit dem sie drei Sätze gesprochen hat, zum Objekt der Begierde. So muss das Handy mit auf die Bühne, um ja nicht die SMS des angebeteten Unbekannten zu verpassen.
Ruhe bewahren! Das wird heute immer schwieriger: „Früher hast dich aufs Kanapee g’setzt und einfach ,gruaselt’ – heute nennt man das Power-Nap“, sagt die ewig alkoholselige ehemalige Sängerin Mary from Bavary. Bei all der Hektik selbst in der Entspannung kommt die Achtsamkeit und Empathie ins Hintertreffen. Allerdings nicht für Mary: „Was meinen Sie, was da los wäre, wenn ich nicht so achtsam wäre – so besoffen wie ich Auto fahre.“Das Weißbier in ihrer einstigen Lieblingskneipe – nun zur hippen Lounge umgebaut, ist zum „Hopfen-Smoothie“mutiert. Wenn sie ihre Yoga-Übungen, zum Beispiel den „herabschauenden Hund“, vorführt, bleibt kein Auge trocken.
Auch auf Anspielungen auf ihren Auftritt als Bavaria auf dem Nockherberg, der bei einigen Politikerinnen gar nicht gut ankam, verzichtet Kinseher nicht. Sie habe das „Geißengeschau“von Landtagspräsidentin Barbara Stamm schon bemerkt. „Das bayerische Kabinett – ich kenn’s vom Nockherberg – die nehmen alle was ein“: Warum sei Markus Söder sonst schmerzfrei? Wieso sonst habe Emilia Müller drei Wochen gebraucht, bis sie gemerkt habe, dass sie wegen der BavariaRede beleidigt war? Eins stehe fest: „Der einzige, der nichts nimmt, ist Horsti Seehofer – der kifft.“Sie hat auch eine Erklärung dafür, warum in Deutschland permanenter Ausnahmezustand herrscht: „Der Normalzustand steht im Grundgesetz, und das steht bei mir im Regal unter fantastische Literatur.“
Da wird Kinsehers dritte Bühnenfigur Frau Frese fast zur Nebensache, wenn sie von der zunehmenden Demenz ihres über 90-jährigen Manns Heinz erzählt. „Nach dem Krieg ist er immer dicker und dicker geworden, aber der Geist ist nicht mitgewachsen.“Was bleibt, ist die Erkenntnis „We have all the time in the world“, was sie voll Inbrunst mit saukomischen, bewusst gesetzten schrägen Tönen singt und sich so auch als achtbare Sängerin erweist.
Das Publikum in der vollen Stadthalle zeigte sich sehr angetan.