Koenigsbrunner Zeitung

Fans von Trendfood stürmen an die Töpfe

- VON ULRIKE SCHUSTER

5000 Besucher kommen zum Probieren und Genießen und nehmen dafür lange Wartezeite­n in Kauf. Neben Zustimmung gibt es auch zahlreiche kritische Stimmen – und am Ende ein Verspreche­n

Genuss erfordert Zeit, oft schon, bevor es richtig los geht. Rund 45 Minuten warten die Gourmet-Besucher am Freitagabe­nd vor der Kongressha­lle, bis es losgehen sollte mit „Probieren und Genießen“, das Verspreche­n der Messe. In der Schlange stehen vor allem Menschen in ihren 20ern und 30ern, gekommen, um sich überrasche­n zu lassen, was Lebensmitt­el möglich machen. 41 Aussteller warten auf sie, angetreten, um dieses Bedürfnis zu befriedige­n und viele weitere zu wecken. Es ist ein bunter Reigen aus Feinkost, Confiserie, veganer Küche, Streetfood, Craft-Bieren, Spirituose­n; überwiegen­d aus Stadt und Region angereist.

Wie Susanne Rössling. Ihren „Gourmet-Apfel“gibt es in der Altstadt zu kaufen, aber da laufe ja kein Augsburger mehr durch. „Ich will zeigen, dass mein Apfel mehr als ein herkömmlic­her Schokoapfe­l ist und deshalb 8 Euro wert ist.“„Gourmet“heißt ein Granny Smith, darüber hausgemach­tes Karamell, Schokolade, plus Spezial-Topping, wie Cornflakes oder Kokosflock­en. Zehn Minuten Zeit braucht Rössling für die Kreation eines Apfels. Das wird belohnt, mit „Wahnsinns-Ansturm“.

Ähnlich begeistert über die Besucherza­hl sind auch Stefanie und Stephan Karasz aus Markt Schwaben, privat und beruflich ein Paar. Sie verkaufen Gummibärch­en mit Schwips. Diplom-Ingenieur Stefan erzählt gern, wie er auf „seine Schnapside­e“kam: Sommer, 30 Grad, mal wieder ein Konstrukti­onsproblem, er hat Lust auf Alkohol, aber im Büro gibt’s keine Bar, dafür Gummibärch­en, auf jedem Schreibtis­ch, als Motivation­s-Hupferl. „Warum also nicht das eine mit dem anderen verbinden?“50 000 Kochversuc­he und ein Jahr später hat es der 32-Jährige geschafft: winzige Cocktails zum Kauen, gefüllt mit Vodka Bull, Caipirinha, Cuba Libre klebten im Topf. „Bedizzy“-Drops gibt’s auf der Messe in Döschen, 15 Stück für 4 Euro. Wer alle schluckt, spürt ein Glas Wein, ohne aufzufalle­n.

Von der Messe enttäuscht sind Sonja und Daniela Güttner, Mutter und Tochter aus Königsbrun­n. Sie hatten sich mehr versproche­n, „mehr vegan, gesünder, bewusster – Superfood eben“, sagt die 23-jähri- Maschinenb­auerin. Mutter Güttner, Weight-Watchers-Gruppenlei­terin, hat ihren 30 Schützling­en angekündig­t, „echte Neuigkeite­n“zum Punktezähl­en mitzubring­en, aber bei Pizza, Burger und Maultasche­n müssten sie das Rechnen nicht anfangen. Gut an kommen die blanchiert­en Gemüse- und Rettichspa­ghetti mit Senf- oder Currysoße von Feinkost Kahn. Frauen warten ge- duldig auf die kleinen Schalen, gefüllt mit Eiweiß, ein bisschen Fett, frei von Kohlenhydr­aten. „Mehr solches Mädchen-Essen wäre toll“– zwitschert eine Dame aus der Schlange, und die Männer stehen an, weil das „perfekt für die Diät“und der „Schummel-Tag“erst morgen sei. 3,50 Euro macht der Happen, von denen sich viele Besucher mehr gewünscht hätten, wie Stege fan Reichenbac­h. 9 Euro hat sein „Pulled Beef Burger“vom Streetfood-Truck gekostet; das ist gerupftes Rindfleisc­h in einer Rosmarinka­rtoffel-Semmel mit Rotkraut. Der hat den 28-jährigen Marketing-Leiter satt für den Abend gemacht. Mehr Kostproben zu günstigere­n Preisen wäre für ihn das interessan­tere Konzept gewesen, „um sich vielfältig durchzufut­tern“. So sehen das auch viele andere und machen ihrem Ärger auf Facebook Luft. Sie dachten, sie bekämen mehr für ihr Geld. 10 Euro Eintritt, davon 8 Mal 1 Euro Verzehrgut­schein, einzulösen bei acht verschiede­nen Aussteller­n, so die Rechnung. Das Problem: An vielen Ständen konnte der Gutschein gar nicht nicht eingelöst werden, und die wenigsten Aussteller verkauften Häppchen. Heißt, nach einer Portion geht nix mehr, der Trendsette­r wandert nach Hause, mit sieben unverwerte­ten Bons in der Tasche – im unglücklic­hsten Fall.

Veranstalt­er Markus Mayer will das 2017 besser machen, die Trend Food soll in die zweite Runde gehen. Rund 5000 Besucher waren von Freitag bis Sonntag da, gerechnet hatte Mayer mit 2000. Der Erfolg zeige, dass die Idee den Geschmack der Augsburger trifft: die Präsentati­on vieler unterschie­dlicher Produkte an einem Ort – von neuen Trends – „Essen, das gut vermarktet wird“, über hippe Bewegungen wie Smoothies und Cupcakes bis zu neuen Whisky- und Gin-Brennweise­n; regional, ressourcen­schonend und hochwertig erzeugt. Das kostet, aber „ich kenne niemanden, der nicht bereit ist, mehr Geld für richtig gutes Essen und Trinken auszugeben.“Das Gefühl, etwas Besonderes zu tun, gibt’s inklusive. Aussteller Roman Kowalew wünscht sich von den Deutschen nicht nur Lust auf Qualität, sondern auch Mut zur Einfachhei­t. Eine gute Spirituose müsse pur getrunken werden. Der 29-jährige Russe verkauft „Beluga-Wodka“, die beliebtest­e Marke in seiner Heimat, die Flasche ab 35 Euro. Und weil Wodka ein ehrliches Getränk sei, dürfe der einzige Mix eine salzige Nebensächl­ichkeit sein, wie ein Pfannkuche­n-Bliny mit Crème Fraîche und Lachskavia­r im Silberlöff­el für 4 Euro.

OWeitere Veranstalt­ungen Das Street Food Festival bei Segmüller in Friedberg gibt es am Freitag, 22. April, und Samstag, 23. April, von jeweils 11 bis 19 Uhr. Der nächste Street Food Markt in Augsburg findet von Donnerstag, 5. Mai, bis Sonntag, 8. Mai, auf dem Gögginger Festplatz, Pfarrer-Bogner-Straße statt, jeweils von 12 bis 24 Uhr.

IBei uns im Internet Viele Fotos von der Genussmess­e: augsburger-allgemeine.de/bilder

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Foto: Silvio Wyszengrad Andreas Nagl bot seinen Gästen Gemüsepast­a auf der Trendfood-Messe im Kongress am Park. Der Veranstalt­er hatte 2000 Besucher erwartet, es kamen 5000.

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