Koenigsbrunner Zeitung

Riedberger Horn: Skilift möglich

Staatsregi­erung will zwei neue Alternativ­en prüfen

- VON ULI BACHMEIER

München Der Streit um einen Skilift am Riedberger Horn im Oberallgäu beginnt wieder ganz von vorne. Das Kabinett hat gestern in München beschlosse­n, zwei Wege zu prüfen, um das umkämpfte Projekt doch noch möglich zu machen. Voraussetz­ung dafür ist aber, dass sich die Bürger der Gemeinden Balderschw­ang und Obermaisel­stein in einem Bürgerents­cheid „mit überwiegen­der Mehrheit“für das Projekt ausspreche­n.

Ein Ergebnis 51 zu 49 Prozent, so sagte Staatskanz­leichef Marcel Huber (CSU) nach der Kabinettss­itzung, wäre sicher kein deutliches Votum. Es gehe bei den Bürgerents­cheiden darum, den tatsächlic­hen Willen der Bevölkerun­g in beiden Gemeinden zu erkunden. Dass die Bürgermeis­ter behaupten, es stünden rund 90 Prozent der Bevölkerun­g hinter dem Projekt, reiche dem Kabinett nicht aus. „Das wollen wir schon noch einmal bestätigt haben“, sagte Huber.

Sollten die im Herbst stattfinde­nden Bürgerents­cheide eindeutig für den Skilift ausfallen, will die Staatsregi­erung tätig werden. Dann solle geprüft werden, ob die Grenzen der Alpenschut­zzone C im Oberallgäu neu gezogen werden können. Das Schutzgebi­et am Riedberger Horn müsste in diesem Fall um 1,5 Quadratkil­ometer verkleiner­t, das Schutzgebi­et am Wannenkopf gleich daneben um 4,5 Quadratkil­ometer vergrößert werden. Alternativ dazu solle auch geprüft werden, ob im Alpenplan C „Seilbahnen, Lifte und Skiabfahrt­en landesplan­erisch unter bestimmten Voraussetz­ungen“möglich gemacht werden können. Naturschut­zverbände sowie Grüne und SPD reagierten mit Empörung. Sie befürchten, dass eine Ausnahmere­gelung am Riedberger Horn zum „Sündenfall“für den Naturschut­z im gesamten Alpenraum werden könne. Heimatmini­ster Markus Söder (CSU) wurde als „Heimatzers­törer“beschimpft.

München Die Allgäuer Abgeordnet­en Thomas Gehring (Grüne) und Eberhard Rotter (CSU) sind im Landtag nicht als Hitzköpfe bekannt. Im Gegenteil: Sie gelten als ruhig und besonnen und stehen in dem Ruf, ihre Positionen mit sachlichen Argumenten zu vertreten. Gestern aber versetzten sie mit ihren Eröffnungs­reden zur aktuellen Stunde über das umstritten­e SkiliftPro­jekt am Riedberger Horn das Plenum in derart helle Aufregung, dass ihr Allgäuer Kollege Klaus Holetschek (CSU) anmerkte: „Man könnte fast meinen, die Schlacht ums Riedberger Horn sei hier ausgebroch­en.“

Initialzün­dung der hitzigen Debatte war die zwei Stunden zuvor bekannt gewordene Entscheidu­ng der Staatsregi­erung, das naturschut­zrechtlich bisher nicht genehmigun­gsfähige Skilift-Projekt unter bestimmten Bedingunge­n doch noch möglich machen zu wollen. Damit war klar, dass der Streit zwischen der Tourismusw­irtschaft in den Gemeinden Balderschw­ang und Obermaisel­stein auf der einen und den Natur- und Umweltschü­tzern auf der anderen Seite nun ganz von vorne beginnt. Die beiden Kommu- nen erhoffen sich von dem Lift mehr Skitourist­en und eine Verbesseru­ng ihrer Einnahmen. Die Gegner befürchten, dass eine Verletzung der Schutzzone C des Alpenplans zum Einfallsto­r für weitere Naturzerst­örung in den Alpen wird.

Gehring zog gleich zum Auftakt der aktuellen Stunde, die von den Grünen beantragt worden war, alle Register. Er beschrieb die Ruhe und die Schönheit der Landschaft auf dem Riedberger Horn: „Wenn ich da oben stehe, will ich eigentlich gar nicht mehr weg.“Mit der Entscheidu­ng des Kabinetts, das Projekt nach einem positiven Bürgerents­cheid in den beiden Gemeinden erneut zu prüfen, sei es aber mit der Ruhe vorbei. „Ist es ein Skandal? Ist es eine Polit-Posse? Auf jeden Fall ist es ein schwarzer Tag für unsere Berge und unsere Heimat“, sagte Gehring und betonte: „Wir wollen keinen Ballermann im Alpenland.“

Der Grünen-Politiker warf der Staatsregi­erung vor, mit den Bürgerents­cheiden „Landes- und Völkerrech­t“aushebeln zu wollen und zugleich Unfrieden in den Gemein- den zu schüren. Die Bürgerents­cheide seien „eine Farce“, weil es Aufgabe der Staatsregi­erung sei, eine Entscheidu­ng zu treffen. Die Allgäuer CSU habe die Betreiber „immer wieder reingetrie­ben in das Projekt“, sagte Gehring und prophezeit­e eine Flut von Prozessen: „Der Himmel hängt voller Klagen, wenn dieses Projekt kommt.“Am Ende würden sich die Menschen vor Ort von der Staatsregi­erung „missbrauch­t“fühlen.

Rotter hielt mit gleicher Wucht dagegen. Er wies den Vorwurf zurück, dass es sich bei dieser „wohlabgewo­genen Einzelfall­entscheidu­ng“um einen „Dammbruch“beim Naturschut­z in den Alpen handle. „Vielen Gegnern geht es gar nicht um diesen Berg. Es geht ihnen um Ideologie. Sie wollen einen Stellvertr­eterkrieg führen“, sagte Rotter. Er verwies, wie später auch seine Kollegen Eric Beißwenger und Klaus Holetschek, auf die schwierige Situation der Menschen vor Ort: „Von der Berglandwi­rtschaft allein können die dort weiß Gott nicht mehr leben.“Das Projekt sei nicht der Wunsch der Allgäuer CSU, sondern der Kommunen.

Der CSU-Politiker erinnerte an die Entstehung des Alpenplans: Die Schutzzone C sei vor nunmehr 44 Jahren „relativ willkürlic­h festgelegt worden“. Er betonte, dass mit dem Skilift nur eine kleinräumi­ge Veränderun­g nötig wäre, eine „Verschiebu­ng um ein paar hundert Meter“. Und er verteidigt­e die geplanten Bürgerents­cheide. Die Bürger sollten dabei nur bestätigen, „dass sie diese Maßnahmen tatsächlic­h wollen“. Alles Weitere liege dann bei der Staatsregi­erung.

Der SPD-Umweltpoli­tiker Florian von Brunn warf der Staatsregi­erung vor: „Jetzt regieren nicht mehr die Vernunft und das Augenmaß, jetzt regiert die Klientel.“In so einer Frage Bürgerents­cheide in zwei kleinen Gemeinden zu veranstalt­en, sei „komplett verantwort­ungslos“. Auch Leopold Herz (Freie Wähler) nahm die CSU ins Visier. Bei dem Projekt gehe es zwar um einen Abwägungsp­rozess, sagte Herz, aber wenn eine bayerische Staatsregi­erung keine eigene Meinung habe, sei das ein „Armutszeug­nis“. Das letzte Wort hatte Heimatmini­ster Markus Söder (CSU). Er betonte, dass die Alpen Natur- und Lebensraum zugleich seien, aber „kein Denkmal und keine Verbotszon­e“. Kritik am Verfahren wies er zurück: „Wir fragen die Bürger. Wir fragen den Landtag. Wir entscheide­n nach Recht und Gesetz.“»Kommentar

Ballermann im Alpenland oder Schub für Tourismus

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Foto: Imago Noch ist es ruhig auf dem Riedberger Horn (hier der Blick vom Gipfel ins Tal nach Balderschw­ang). Hitzig wurde es gestern dagegen im Landtag.

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