Koenigsbrunner Zeitung

Lkw-Kartell muss Milliarden zahlen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Mit einer Rekordstra­fe von knapp 2,93 Milliarden Euro müssen Lastwagenb­auer für unerlaubte Preisabspr­achen büßen. Betroffen sind Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault. MAN kommt als Hinweisgeb­er ungeschore­n davon. Dem Unternehme­n wurde die Geldbuße von rund einer Milliarde Euro vollständi­g erlassen. So muss Daimler die höchste Einzelstra­fe von einer Milliarde Euro zahlen. EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager sagte, es gebe „gute Gründe“für die Strafe. „Dieses Kartell betrifft einen sehr großen Markt und es hat sehr lange bestanden.“Die Geldbuße ist doppelt so hoch wie eine 2012 verhängte EU-Kartellbuß­e gegen Hersteller von Bildröhren für Fernseher und Computerbi­ldschirme.

Lastwagen-Hersteller sprechen 14 Jahre lang Preise ab. Das kommt sie teuer zu stehen. Allein Daimler zahlt eine Milliarde Euro. Ein Produzent aber bleibt ungeschore­n

Brüssel Die Geschichte dieses Kartells klingt wie ein moderner Wirtschaft­skrimi – wenn da nicht der massive Schaden für Käufer und Verbrauche­r wäre. Am Rande von großen Industrie-Messen und Branchen-Veranstalt­ungen trafen sich die Vertreter von Daimler, MAN, Iveco, DAF und Volvo/Renault in erlesenem Rahmen. Bei guten Weinen und fürstliche­n Diners einigte man sich auf Bruttolist­enpreise, also die Kosten für Lkw-Züge ab Werk, sowie den Zeitpunkt, wann man zu welchem Preis neue Abgas-Technologi­en wie die Normen Euro III bis VI einführen solle. Seit 1997 ging das so, insgesamt 14 Jahre lang. Zuletzt verlegte man sich auf diskreten Mail-Verkehr. Doch der Schummel-Klub flog auf.

Gestern zog Europas Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager einen Schlussstr­ich und verhängte die höchste jemals geforderte Strafzahlu­ng an fünf Hersteller: insgesamt 2,93 Milliarden Euro. Dabei muss Daimler mit einem Bußgeld von über einer Milliarde besonders tief in die Tasche greifen. DAF wird 752,6 Millionen bezahlen, Volvo/ Renault 670,5 Millionen. Für Iveco fallen 494,6 Millionen an. Lediglich MAN kam ungeschore­n davon: Die eigentlich fällige Geldbuße in Höhe von 1,2 Milliarden Euro wurde dem Unternehme­n im Rahmen einer Kronzeugen-Regelung vollständi­g erlassen, weil die Firmenleit­ung den Schwindel aufgedeckt und nach Brüssel gemeldet hatte. Es war das Unternehme­n MAN, das der Brüsseler EU-Kommission einen Tipp gab. Gegen den schwedisch­en LkwBauer Scania wird noch weiter ermittelt.

„Es kann nicht hingenomme­n werden, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF, die zusammen neun von zehn der in Europa produziert­en mittelschw­eren und schweren Lkw stellen, untereinan­der ein Kartell bilden, anstatt miteinande­r zu konkurrier­en“, sagte Vestager. Sie betonte, das Bündnis habe nicht das Ziel verfolgt, neue Abgasnorme­n zu torpediere­n oder zu behindern. Auch sei es nicht zu Versuchen gekommen, die Emissionen der Brummis durch SoftwareTr­icks zu manipulier­en. Doch die Preis-Absprachen der Hersteller wiegen schwer genug. Innerhalb von drei Monaten muss das Geld nun überwiesen werden. Die horrenden Summen fließen in die Gemeinscha­ftskasse der Union und mindern so die Beiträge der Mitgliedst­aaten.

Mit der Rekordstra­fe ist der Betrug aber nicht ausgestand­en. Denn derartige Urteile der EU-Kommission gelten stets als Grundlage für private Schadenser­satzklagen. Die Deutsche Verkehrsze­itung hat bereits detaillier­t aufgeliste­t, wie viel Geld sich Käufer oder Leasingneh­mer von den Hersteller­n zurückhole­n können. Bei Lkw-Listenprei­sen zwischen 70000 und 150000 Euro pro Gefährt könne der Schaden leicht zwischen 7000 und 30 000 Euro ausmachen. Soll heißen: Ein Spediteur, der sich zum Beispiel 2007 fünf Lkw-Züge zum Gesamtprei­s von einer halben Million Euro zugelegt hat, kann Schadeners­atzansprüc­he von rund 100 000 Euro geltend machen. Wer für einen geliehenen Brummi im Wert von 100000 Euro jährlich 30000 Euro an Leasingrat­en gezahlt hat, dürfte bis zu 6000 Euro zu viel bezahlt haben.

Die Hersteller wissen spätestens seit November 2014, dass millionens­chwere Strafen auf sie zukommen. Einige hatten bereits Rücklagen gebildet. Von Daimler war zu hören, dass man 600 Millionen auf die hohe Kante gelegt habe. Nun muss man – wie andere auch – noch tiefer in die Tasche greifen.

Am heutigen Mittwoch droht den Hersteller­n die nächste Herausford­erung. Dann will die Kommission neue Grenzwerte für schwere Lkw bekannt geben, die sich ab 2020 an diese Normen halten müssen. Wie gestern zu hören war, will die EU „ehrgeizige“Zielmarken vorgeben.

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Foto: Uli Deck, dpa Daimler und andere Lkw-Hersteller müssen Rekord-Bußgelder zahlen. Unser Bild entstand vor einem Mercedes-Benz-Lkw-Werk in Rheinland-Pfalz.

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