Der wahre „Mr. Brexit“
David Davis war stets einer der lautesten Gegner der britischen EU-Mitgliedschaft. Fast alle Ziele hat er erreicht. Als Minister muss er nun den Austritt verhandeln
Wenn es um die Europäische Union ging, präsentierte sich David Davis schon immer enthusiastisch und mit einem klaren Ziel: Der Konservative wollte raus. Schimpfte er als Hinterbänkler im Londoner Parlament auf Brüssel, kam er regelmäßig in Wallung. Der 67-Jährige ist seit Jahrzehnten lautstarker EU-Gegner, einer der lautesten auf der Insel.
Nun, nach fast 30 Jahren im Unterhaus, dürfte er endlich seine Traumstelle ergattert und den Karrierehöhepunkt erreicht haben: Premierministerin Theresa May ernannte ihn zum sogenannten BrexitMinister. Offiziell trägt er den Titel „Minister für den Austritt aus der Europäischen Union“, womit ihm die Aufgabe übertragen wurde, als Chefunterhändler die Details der schwierigen Scheidung für die britische Seite zu organisieren.
Und da wird er sich als harter Partner präsentieren. Nicht nur, weil er die Institution gut kennt. Ende der 1990er Jahre arbeitete er als Staatssekretär für die Beziehungen mit der EU. Schon damals ging es für ihn vor allem darum, Bestrebungen nach mehr Integration zu bremsen. Als „charmanten Teufelskerl“bezeichnete ihn Portugals Ministerpräsident zu jener Zeit. Das hat Davis kürzlich wieder betont. In seiner Stimme klang ein bisschen Stolz mit.
Seine Konsequenz und Zielstrebigkeit dürften auch für May den Ausschlag gegeben haben, ihn zu Mr. Brexit zu machen. Schon jetzt hat Davis Signale über den Ärmel- kanal gesendet, die zu dem prinzipienfesten Politiker passen: Die 27 übrigen Mitgliedstaaten sollten anerkennen, dass ein Ende der Freizügigkeit für das Königreich nicht verhandelbar sei, meinte er. Anschließend werde die EU schon aus Eigeninteresse dafür sorgen, dass das Land im Binnenmarkt bleiben kann. Dabei ist längst nicht geklärt, wann die Gespräche über den Austritt starten. Wie zuvor May hat auch Davis angekündigt, dass er sich Zeit lassen wolle. Er will zunächst mit den Regionalregierungen in Schottland, Wales und Nordirland über das weitere Vorgehen beraten. Und das dürfte dauern.
Davis, der in einer Sozialwohnung im Süden Londons aufwuchs, hat an der Universität Warwick Informatik studiert, später machte er einen Abschluss an der London Business School und in Harvard in den USA. Bevor er in die Politik ging, arbeitete er 17 Jahre lang für ein Lebensmittelunternehmen.
Neben der Forderung, aus der EU auszutreten, setzte er sich vor allem für die Stärkung von Bürgerrechten ein. Innerhalb der Tories machte er Karriere, 2005 galt er sogar als Favorit für den Parteivorsitz. Aber der Außenseiter und spätere Premierminister David Cameron, der vor dem Referendum für Großbritanniens Verbleib in der EU warb, machte damals das Rennen. Seitdem hat sich viel verändert. Es ist nun die Stunde der EU-Gegner. Und vor allem die von David Davis. Katrin Pribyl