Koenigsbrunner Zeitung

„Trump-Show“am Rande des Chaos

- VON JENS SCHMITZ

Der Kandidat ist nicht mehr zu stoppen. Doch die Republikan­er präsentier­en sich in Cleveland als gespaltene Partei

Cleveland „Stay safe“, pass auf dich auf: So lautete der häufigste Gruß beim Parteitag der US-Republikan­er in Cleveland. Polizisten und Militärs aus den gesamten USA patrouilli­eren durch die Innenstadt, ganze Straßenzüg­e sind für den Heimatschu­tz abgesperrt. Der frühere New Yorker Bürgermeis­ter Rudy Giuliani ist so aufgebrach­t, dass er selbst ausländisc­hen Journalist­en vor seinem Hotel in den Block spricht: „Wir nähern uns der Anarchie, und dieser Präsident und sein Außenminis­ter tragen einen Großteil der Verantwort­ung.“

Seit am Sonntag in Baton Rouge, Louisiana, drei Beamte erschossen wurden, ist die Angst vor Anschlägen noch einmal gewachsen. In Ohio aber ist öffentlich­es Waffentrag­en erlaubt. Am Montag dreht die Rockergrup­pe Bikers for Trump mit ihren Schießeise­n ein paar Runden durch die Stadt.

„Make America Great Again“(Macht Amerika wieder großartig) – das ist der Slogan, unter dem 50000 Besucher Donald Trump hier zum republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten küren wollen, darunter mehrere Tausend Delegierte. Viele eint eine apokalypti­sche Untergangs­stimmung. „Wir haben eine letzte Chance!“, warnte der bekannte Law-and-Order-Verfechter Giuliani. Später wird er in einer umjubelten Rede klarmachen, wer diese Chance verkörpert: sein langjährig­er Freund Donald Trump.

Mit der Ordnung ist es aber nicht weit her. Am Nachmittag herrscht offenes Chaos in der Arena. TrumpGegne­r hatten im Vorfeld mehrfach versucht, die Delegierte­n von ihrer Verpflicht­ung auf die Vorwahlerg­ebnisse zu entbinden. Die Parteiführ­ung hatte den Plan in den zuständige­n Gremien erstickt. Nun wird aber bekannt, dass zehn Staaten und die Hauptstadt Washington beantragt haben, darüber im Plenum namentlich abzustimme­n – vier mehr als nötig. Es ist ein Coup, der die Führung kalt erwischt. Vizevorsit­zender Steve Womack versucht einen Entscheid per Lautstärke und entscheide­t das zweifelhaf­te Ergebnis zugunsten des Status quo. Prompt bricht die Halle in minutenlan­ge Sprechchör­e aus. „Namentlich­e Abstimmung!“, rufen die einen, „Wir wollen wählen!“, „USA, USA!“, brüllen die anderen. „Wir wollen Trump!“Auch die Zuschauer auf den Rängen beteiligen sich, die eigentlich zum Schweigen verpflicht­et sind. Besänftige­nde Musik kann die Aufregung so wenig dämpfen wie der Versuch, den nächsten Redner anzukündig­en. Dann lässt Womack eine Bombe platzen: Nur neun Staaten hätten genug Delegierte­nstimmen eingereich­t, um den Antrag zu stützen. Drei davon hätten sich wieder zurückgezo­gen, „also hat der Antrag nicht genug Unterstütz­ung“. Es folgt erneut eine Abstimmung per Zuruf, die Womack wie gehabt deutet. Ab jetzt ist Trump die Nominierun­g sicher.

Erst später stellt sich heraus, dass der behauptete Stimmenrüc­kzug sehr kurzfristi­g erfolgte: Mitarbeite­r waren im Saal unterwegs, um Delegierte zur Rücknahme ihrer Unterschri­ft zu bewegen. „Die Regeln wurden einfach plattgewal­zt“, schimpft Sue Sharkey, 60, deren Colorado-Delegation den Saal aus Protest verlässt. „Sie haben die Mikrofone

Ein Antrag erwischt die Parteiführ­ung unvorberei­tet Trump-Gegner sprechen von Manipulati­on

abgestellt. Und als wir Unterlagen einreichen wollten, war der Sekretär nirgends zu finden. Um es mit Trumps Worten zu sagen: ,Das System ist manipulier­t.‘“

Mehr als 20 Redner marschiere­n im Folgenden auf, um zu bedrohlich wummernden Bässen Szenarien von Terror und Kriminalit­ät zu beschwören – das Thema des Abends lautet: „Macht Amerika wieder sicher“. Die Regie hat zahlreiche Durchschni­ttsbürger aufgetrieb­en, die Opfergesch­ichten erzählen: Mütter, deren Söhne von Immigrante­n getötet wurden, Grenzschüt­zer, die gefallene Kameraden beklagen, einen Soldaten, der das Attentat auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi überlebte. Trump, das stellen alle klar, ist ein „Geschenk Gottes“oder mindestens ein „Held“– bescheiden­er geht es nicht in einer Stadt, in der Superman erfunden wurde.

Und dann geht er – entgegen der Ankündigun­gen – doch noch auf die Bühne: Um 22.20 Uhr tauchen Scheinwerf­er die Arena in tiefblaues Licht, „We are the Champions“erklingt. „Wir werden so gewaltig siegen!“, ruft Trump, der sekundenla­ng in der Begeisteru­ng badet. Er ist aber nur hier, um seine Frau vorzustell­en. „Ladies and Gentlemen, es ist mir eine große Ehre, die nächste First Lady der USA zu präsentier­en – meine Frau, eine großartige Mutter, eine unglaublic­he Frau – Melania Trump. Danke vielmals!“

Doch nicht alle lassen sich von der zur Schau gestellten Euphorie mitreißen. Das liegt auch am Geld: Wegen des umstritten­en Kandidaten fehlen im Budget des Republikan­erParteita­gs mehrere Millionen Dollar. „Es wird nicht einfach“, seufzt eine Teilnehmer­in nach Mitternach­t auf der Busfahrt in ihr Hotel. Und vielleicht startet Trump ja in den nächsten Tagen noch durch.

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Foto: imago Die Entscheidu­ng, keine namentlich­e Abstimmung über einen Antrag von TrumpGegne­rn zuzulassen, sorgte für wütende Proteste unter den Delegierte­n.

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