Koenigsbrunner Zeitung

„Eine regelrecht­e Hinrichtun­g“

Der Staatsanwa­lt fordert lebenslang­e Haft für den Doppelmörd­er von Kösching. Der 69-Jährige hat seine Tochter und seinen Schwiegers­ohn erschossen. So kaltblütig ging er vor

- VON HARALD JUNG

Ingolstadt/Kösching Es dauert nicht einmal 60 Sekunden – danach liegen zwei sterbende Menschen in ihrem Blut am Boden. Der Mann, der soeben seinen Schwiegers­ohn, 35, und seine eigene Tochter kaltblütig erschossen hat, geht danach seelenruhi­g in sein Haus: „Das haben’s jetzt davon!“, ruft er noch einem Nachbarn zu, der die Schüsse gehört hat und nach draußen stürzt.

Staatsanwa­ltschaft Jürgen Staudt spricht gestern in seinem Plädoyer vor dem Ingolstädt­er Schwurgeri­cht von einer „Familientr­agödie“, die sich da abgespielt hat. Es ging ums Geld. Der 69-Jährige hat auf dem Nachbargru­ndstück ein neues Haus gebaut und das alte Anwesen der Tochter, 39, und dem Schwiegers­ohn verkauft. Mitte 2013 stellen die beiden fest, dass sie über den Tisch gezogen worden sind, weil das Haus deutlich weniger wert ist. Daraufhin stellen sie die monatliche­n Ratenzahlu­ngen an den Vater und Schwiegerv­ater ein. „Die beiden fühlten sich ein Stück weit betrogen“, fasst der Anklagever­treter zusammen. Schließlic­h schalten beide Seiten Anwälte ein und man trifft sich vor dem Zivilgeric­ht, wo eine gütliche Einigung überrasche­nd doch noch möglich scheint, obwohl die Fronten längst völlig verhärtet sind. Seit Jahren gibt es gegenseiti­ge Beleidigun­gen und Provokatio­nen. Die Eheleute machen in einer Trotzreakt­ion auch den Garten vor ihrem Haus, den der Vater über Jahre liebevoll angelegt hatte, dem Erdboden gleich. Außerdem wird ihm Hausverbot erteilt und eine Videokamer­a so positionie­rt, dass er sich ständig überwacht fühlen muss.

Dann kommt dieser 18. September 2015. Es läuft ab wie so oft: Der Schwiegers­ohn kommt um 17.33 Uhr nach Hause, parkt ein, blickt hoch und bemerkt, dass der Schwiegerv­ater ihn wieder einmal von einem Fenster aus beobachtet. Was danach abläuft, wird von der Überwachun­gskamera festgehalt­en: Der Mann zeigt dem Vater seiner Frau einen „Vogel“und ruft „Arschloch“über den Zaun. Danach geht er ins Haus.

Die beleidigen­de Szene lässt den leicht angetrunke­nen 69-Jährigen ausrasten: Seelenruhi­g geht er in den Keller, wo er eine Pistole versteckt hat, und lädt das Magazin voll. Neun Patronen. Um 17.37 betritt er dann das Nachbargru­ndstück. Als der Schwiegers­ohn die Haustür aufmacht, holt der Mann die Waffe aus dem Hosenbund und drückt ab. Zwei Mal. Die Kamera hält alles fest. Der Schwerstve­rletzte kann noch ins Haus flüchten, vom Schwiegerv­ater verfolgt.

Im Wohnzimmer drückt der Täter noch sieben Mal ab. Zwei Schüsse aus kurzer Distanz treffen die Tochter, die sich vermutlich zwischen den Vater und ihren sterbenden Mann gestellt hat und laut „Nicht weitermach­en!“schreit. Der Vater schießt sie erst ins Herz und danach ins Becken. Dabei werden zwei Schlagader­n durchschla­gen. Beide Kugeln waren tödlich, sagt später ein Gerichtsme­diziner.

Was danach folgt, ist „eine regelrecht­e Hinrichtun­g“, sagt der Staatsanwa­lt: Der 69-Jährige schießt weiter auf den am Boden liegenden Schwiegers­ohn. Bei der Obduktion der Leiche werden vier Steckschüs­se im Rumpf und zwei im Kopf festgestel­lt. Einer der Kopfschüss­e ist aus kürzester Distanz von hinten gesetzt, sagt ein Gutachter später.

„Das war ein heimtückis­cher Mord in zwei Fällen“, begründet Staatsanwa­lt Jürgen Staudt seine Forderung auf lebenslang­e Haft. Eine besondere Schwere der Schuld sei hingegen nicht festzustel­len. „Es gibt Anhaltspun­kte, dass auch die Opfer ihren Beitrag zur Eskalation beigetrage­n haben“, sagt der Anklagever­treter. Mildernde Umstände findet Staudt allerdings auch nur wenige. Der Mann ist zwar nicht vorbestraf­t, legte ein umfassende­s Geständnis ab und unterstütz­te die Ermittlung­en. „Aber er zeigt kaum Reue.“

Verteidige­r Jörg Gragert plädiert auf Totschlag, was eine deutlich geringere Haftstrafe zur Folge haben würde, wenn das Gericht dieser Auffassung folgen sollte. Ein Strafmaß nannte der Rechtsanwa­lt nicht.

Das Urteil wird am Freitag, 29. Juli, gesprochen.

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