Die besseren Goldmans
Vorhersehbar: Dickers Familiensaga
Krimi kann er. Vor drei Jahren erschien Joël Dickers erster Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“und entwickelte sich zu einem Erfolg, von dem Verleger, wenn sie sich auf ein Debüt einlassen, kaum zu träumen wagen. Drei Millionen Mal verkauft, zigfach übersetzt, mit Preisen überhäuft. Bei seinem zweiten Werk „Die Geschichte der Baltimores“hat der Schweizer nun das Genre gewechselt, aber den Erzähler beibehalten: den jungen Schriftsteller Marcus Goldman, der diesmal die eigene Familiensaga auf über 500 Seiten ausbreitet. Marcus zählt zu den Goldmans aus Montclair, würde aber lieber zu den Goldmans aus Baltimore zählen. Dort nämlich wohnen der Luxus und vor allem seine geliebten Cousins. In den Ferien bildet Marcus mit den beiden die Goldman-Gang, später erweitert um ein von allen begehrtes Mädchen. Dass ein Unglück passieren und sich die Waagschale mit den Goldman-Familien neu ausrichten wird – von dieser Spannung zehrt der Roman von der ersten Seite an, da Onkel Saul seinen Neffen mit den Worten herbeiruft: „Stell mir jetzt keine Fragen. Es ist etwas Schreckliches passiert.“Ein Pageturner also, der sich liest, als sei er direkt aus dem Amerikanischen übersetzt, voltenreich erzählt, gekonnt vorangetrieben. Die Geschichte fällt jedoch nach etlichen Lektürestunden vorhersehbar in sich zusammen.
Joël Dicker, weiß man, kann’s besser. Stefanie Wirsching