Ein Trio für Rio
Die Sportstadt Augsburg stellt drei Kanuten für die Olympischen Spiele. Wie Melanie Pfeifer, Sideris Tasiadis und Hannes Aigner die Medaillenjagd angehen
Augsburg Premiere für die Sportstadt Augsburg: erstmals stellt sie drei Kanuten für die Olympischen Spiele. Sideris Tasiadis und Melanie Pfeifer (Kanu Schwaben) sowie Hannes Aigner (AKV) bilden das Augsburger Trio, das ab 7. August im Wildwasser von Rio de Janeiro um Medaillen fährt. Wie das gelingen kann, haben Tasiadis mit Silber und Aigner mit Bronze 2012 in London schon vorgemacht, für Melanie Pfeifer sind es die ersten Olympischen Spiele.
Entsprechend aufgeregt fiebert Melanie Pfeifer dem Großereignis in Brasilien entgegen. „So langsam baut sich Druck auf. Es ist für mich eine Chance, Geschichte zu schreiben“, sagt die 29-jährige Kajakfahrerin, die sich zu ihrer eigenen Überraschung in der Qualifikation gegen die starken Konkurrentinnen Ricarda Funk und Jasmin Schornberg durchgesetzt hat. Versucht hatte die Schwaben-Kanutin das schon einmal vor vier Jahren. „Für mich war Olympia schon immer ein Traum. Aber ich weiß eben auch, wie schnell solche Träume platzen. 2012 wollte ich schon dabei sein, war topfit, habe es aber in der Qualifikation nicht hinbekommen und war sehr enttäuscht“, erinnert sich die Sportsoldatin.
Doch zurückblicken will sie nicht mehr. Sie schaut nach vorne auf die olympischen Slalom-Wettkämpfe, die zu den ersten Disziplinen gehören, die in Rio ausgetragen werden. Dafür hat sie schweren Herzens auch ihr Masterstudium hinten angestellt und eine Seminararbeit, die sie noch schreiben wollte, verschoben. „Es ist mir schon schwergefallen, zu meiner Seminarleiterin zu gehen und zu sagen, ich schaffe es nicht. Aber es war unmöglich mit den vielen Terminen. Das Studium muss jetzt warten“, hat Pfeifer klare Prioritäten gesetzt.
Schließlich hatte das kleine, aber feine Olympia-Team aus Augsburg, das die Canadier-Zweier–Fahrer Jan Benzien und Franz Anton aus Leipzig komplettieren, unzählige Trainingseinheiten, Vorbereitungslehrgänge und Wettkampfeinsätze zu absolvieren. Auch ist die deutsche Kanuslalom-Abordnung regelmäßig in die Olympiastadt nach Südamerika gereist und hat erste Erfahrungen auf der Strecke im Olympic Whitewater Stadium gesammelt. „Schön klein und kniffelig“, beschreibt Melanie Pfeifer ihre Eindrücke. Die ganze Familie wird sie bei ihrer Olympia-Premiere begleiten, Mama, Papa, den Bruder und den Freund hat Pfeifer im Schlepptau als moralische Unterstützung.
Ohne seine neue Freundin und Familie, aber wie alle Athleten mit dem Heimtrainer, in seinem Fall Sören Kaufmann, wird Canadierfahrer Sideris Tasiadis am 24. Juli die Reise mit dem Tross des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) nach Rio de Janeiro antreten. „Zu teuer“, nennt der Silbermedaillengewinner von London trocken den Grund, warum er ohne Familienanschluss reist.
Zudem weiß er, was ihn erwartet, schon in London hat er im olympischen Dorf gewohnt und das bunte, internationale Treiben dort kennengelernt. „Alle Sportarten befinden sich an einem Fleck. Ich finde es fas- zinierend, dass man so viele Sportler aus anderen Sportarten kennenlernt. Das ist das Schönste an Olympia“, schwärmt Tasiadis.
Auch wenn ihm klar ist, dass Rio anders werden wird als London. „Man sieht dort schnell den krassen Unterschied zwischen Reich und Arm. Doch die Menschen sind offen und nett, und versuchen, mit uns ins Gespräch zu kommen. Auch wenn viele kein Englisch können.“Man könne sich aber mit Händen und Füßen unterhalten – oder mit einer Übersetzer-App auf dem Handy. „So haben wir in den Restaurants dann auch Tische im Freien bekommen“, erzählt Tasiadis.
Für 2016 hat er sich vorgenommen, es lockerer anzugehen. Er will sich sportlich nicht den Stress machen, besser zu sein als vor vier Jahren. „Das ist auch schwierig, weil es ja nur einen besseren Platz gibt“, sagt der Augsburger Silbermedaillengewinner, „auch wenn ich weiß, dass das viele von mir erwarten. Aber ich blende das aus.“
Sein privater Schicksalsschlag hat ihm gezeigt, was wirklich zählt im Leben. So hat er sich in den vergangenen Jahren sportlich zurückgehalten, um seiner krebskranken Freundin Claudia beizustehen. Hat mit ihr gekämpft, und hat getrauert, als sie 2015 den Kampf verlor. Erst verschafften ihm der Trainingsalltag und seine Polizeiausbildung in Dachau Ablenkung, dann eröffnete ihm der Sport das neue alte Ziel: Olympia. An seiner Seite im deutschen Team – wie schon 2012 – AKV-Kollege und Kajak-Bronzemedaillengewinner Hannes Aigner. Auch er hat seine Berufswahl hinten angestellt, um sich ganz auf das Paddeln zu konzentrieren. Hat noch nicht einmal Zeit gefunden, seine Urkunde vom Masterabschluss mit Schwerpunkt Steuern an der Uni abzuholen. „Ich mache mir momentan keine Gedanken, wie es beruflich weitergeht. Wenn ich den Sport noch länger auf diesem Niveau ausüben will, ist es mit einem Vollzeitjob natürlich schwierig. Und ich würde sehr gerne noch länger paddeln“, sagt Aigner.
Da kommt es wohl auch darauf an, mit welchem Ergebnis er aus Rio zurückkehrt. Wohl fühlt er sich im dortigen Wildwasser und eine olympische Medaille hat er ja auch schon zu Hause: „Ich habe schon das Ziel, das Ergebnis zu verbessern. Da gehört aber auch ein bisschen Glück dazu. Man muss mehr Risiko eingehen. Dazu bin ich jetzt bereit, weil ich schon eine Medaille habe“, sagt er selbstbewusst. Deswegen will er die Wettkämpfe in vollen Zügen genießen und seine Anhänger auch über Facebook teilhaben lassen. „Von der Vermarktung her wäre es natürlich gut, wenn eine Medaille herauskommt“, sagt er lachend.
Auch der 27-jährige Sportsoldat wird familiäre Unterstützung vor Ort haben. Neben den Eltern und der Freundin feuern ihn dazu aber noch zwei Personen an, denen er sportlich besonders viel zu verdanken hat: seine Schüler- und Jugendtrainer im AKV, Manfred und Helga Scheppach.
Unterhaltung mithilfe einer Portugiesisch-App