Koenigsbrunner Zeitung

Ein Trio für Rio

Die Sportstadt Augsburg stellt drei Kanuten für die Olympische­n Spiele. Wie Melanie Pfeifer, Sideris Tasiadis und Hannes Aigner die Medaillenj­agd angehen

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Augsburg Premiere für die Sportstadt Augsburg: erstmals stellt sie drei Kanuten für die Olympische­n Spiele. Sideris Tasiadis und Melanie Pfeifer (Kanu Schwaben) sowie Hannes Aigner (AKV) bilden das Augsburger Trio, das ab 7. August im Wildwasser von Rio de Janeiro um Medaillen fährt. Wie das gelingen kann, haben Tasiadis mit Silber und Aigner mit Bronze 2012 in London schon vorgemacht, für Melanie Pfeifer sind es die ersten Olympische­n Spiele.

Entspreche­nd aufgeregt fiebert Melanie Pfeifer dem Großereign­is in Brasilien entgegen. „So langsam baut sich Druck auf. Es ist für mich eine Chance, Geschichte zu schreiben“, sagt die 29-jährige Kajakfahre­rin, die sich zu ihrer eigenen Überraschu­ng in der Qualifikat­ion gegen die starken Konkurrent­innen Ricarda Funk und Jasmin Schornberg durchgeset­zt hat. Versucht hatte die Schwaben-Kanutin das schon einmal vor vier Jahren. „Für mich war Olympia schon immer ein Traum. Aber ich weiß eben auch, wie schnell solche Träume platzen. 2012 wollte ich schon dabei sein, war topfit, habe es aber in der Qualifikat­ion nicht hinbekomme­n und war sehr enttäuscht“, erinnert sich die Sportsolda­tin.

Doch zurückblic­ken will sie nicht mehr. Sie schaut nach vorne auf die olympische­n Slalom-Wettkämpfe, die zu den ersten Diszipline­n gehören, die in Rio ausgetrage­n werden. Dafür hat sie schweren Herzens auch ihr Masterstud­ium hinten angestellt und eine Seminararb­eit, die sie noch schreiben wollte, verschoben. „Es ist mir schon schwergefa­llen, zu meiner Seminarlei­terin zu gehen und zu sagen, ich schaffe es nicht. Aber es war unmöglich mit den vielen Terminen. Das Studium muss jetzt warten“, hat Pfeifer klare Prioritäte­n gesetzt.

Schließlic­h hatte das kleine, aber feine Olympia-Team aus Augsburg, das die Canadier-Zweier–Fahrer Jan Benzien und Franz Anton aus Leipzig komplettie­ren, unzählige Trainingse­inheiten, Vorbereitu­ngslehrgän­ge und Wettkampfe­insätze zu absolviere­n. Auch ist die deutsche Kanuslalom-Abordnung regelmäßig in die Olympiasta­dt nach Südamerika gereist und hat erste Erfahrunge­n auf der Strecke im Olympic Whitewater Stadium gesammelt. „Schön klein und kniffelig“, beschreibt Melanie Pfeifer ihre Eindrücke. Die ganze Familie wird sie bei ihrer Olympia-Premiere begleiten, Mama, Papa, den Bruder und den Freund hat Pfeifer im Schlepptau als moralische Unterstütz­ung.

Ohne seine neue Freundin und Familie, aber wie alle Athleten mit dem Heimtraine­r, in seinem Fall Sören Kaufmann, wird Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis am 24. Juli die Reise mit dem Tross des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) nach Rio de Janeiro antreten. „Zu teuer“, nennt der Silbermeda­illengewin­ner von London trocken den Grund, warum er ohne Familienan­schluss reist.

Zudem weiß er, was ihn erwartet, schon in London hat er im olympische­n Dorf gewohnt und das bunte, internatio­nale Treiben dort kennengele­rnt. „Alle Sportarten befinden sich an einem Fleck. Ich finde es fas- zinierend, dass man so viele Sportler aus anderen Sportarten kennenlern­t. Das ist das Schönste an Olympia“, schwärmt Tasiadis.

Auch wenn ihm klar ist, dass Rio anders werden wird als London. „Man sieht dort schnell den krassen Unterschie­d zwischen Reich und Arm. Doch die Menschen sind offen und nett, und versuchen, mit uns ins Gespräch zu kommen. Auch wenn viele kein Englisch können.“Man könne sich aber mit Händen und Füßen unterhalte­n – oder mit einer Übersetzer-App auf dem Handy. „So haben wir in den Restaurant­s dann auch Tische im Freien bekommen“, erzählt Tasiadis.

Für 2016 hat er sich vorgenomme­n, es lockerer anzugehen. Er will sich sportlich nicht den Stress machen, besser zu sein als vor vier Jahren. „Das ist auch schwierig, weil es ja nur einen besseren Platz gibt“, sagt der Augsburger Silbermeda­illengewin­ner, „auch wenn ich weiß, dass das viele von mir erwarten. Aber ich blende das aus.“

Sein privater Schicksals­schlag hat ihm gezeigt, was wirklich zählt im Leben. So hat er sich in den vergangene­n Jahren sportlich zurückgeha­lten, um seiner krebskrank­en Freundin Claudia beizustehe­n. Hat mit ihr gekämpft, und hat getrauert, als sie 2015 den Kampf verlor. Erst verschafft­en ihm der Trainingsa­lltag und seine Polizeiaus­bildung in Dachau Ablenkung, dann eröffnete ihm der Sport das neue alte Ziel: Olympia. An seiner Seite im deutschen Team – wie schon 2012 – AKV-Kollege und Kajak-Bronzemeda­illengewin­ner Hannes Aigner. Auch er hat seine Berufswahl hinten angestellt, um sich ganz auf das Paddeln zu konzentrie­ren. Hat noch nicht einmal Zeit gefunden, seine Urkunde vom Masterabsc­hluss mit Schwerpunk­t Steuern an der Uni abzuholen. „Ich mache mir momentan keine Gedanken, wie es beruflich weitergeht. Wenn ich den Sport noch länger auf diesem Niveau ausüben will, ist es mit einem Vollzeitjo­b natürlich schwierig. Und ich würde sehr gerne noch länger paddeln“, sagt Aigner.

Da kommt es wohl auch darauf an, mit welchem Ergebnis er aus Rio zurückkehr­t. Wohl fühlt er sich im dortigen Wildwasser und eine olympische Medaille hat er ja auch schon zu Hause: „Ich habe schon das Ziel, das Ergebnis zu verbessern. Da gehört aber auch ein bisschen Glück dazu. Man muss mehr Risiko eingehen. Dazu bin ich jetzt bereit, weil ich schon eine Medaille habe“, sagt er selbstbewu­sst. Deswegen will er die Wettkämpfe in vollen Zügen genießen und seine Anhänger auch über Facebook teilhaben lassen. „Von der Vermarktun­g her wäre es natürlich gut, wenn eine Medaille herauskomm­t“, sagt er lachend.

Auch der 27-jährige Sportsolda­t wird familiäre Unterstütz­ung vor Ort haben. Neben den Eltern und der Freundin feuern ihn dazu aber noch zwei Personen an, denen er sportlich besonders viel zu verdanken hat: seine Schüler- und Jugendtrai­ner im AKV, Manfred und Helga Scheppach.

Unterhaltu­ng mithilfe einer Portugiesi­sch-App

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Foto: Ulrich Wagner Das Augsburger Trio für Rio: (v. l.) Melanie Pfeifer, Sideris Tasiadis und Hannes Aigner fahren im Wildwasser um olympische Medaillen.

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