Koenigsbrunner Zeitung

Was uns Reese-Bewohner stört

Um die geplanten Sozialwohn­ungen auf dem ehemaligen Kasernen-Areal hat sich eine emotionale Debatte entwickelt. Unserer Mitarbeite­rin Claudia Knieß wohnt dort und schildert ihre persönlich­e Sicht

- VON CLAUDIA KNIESS

Im Sommer vor zwei Jahren habe ich als Mitarbeite­rin dieser Zeitung über meine persönlich­en Erfahrunge­n damit geschriebe­n, auf das Reese-Gelände in Augsburg zu ziehen. Jetzt steht unser Viertel im Fokus und ich mache mir Sorgen um unsere Nachbarsch­aft. Die Ersten überlegen nämlich, wegzuziehe­n.

Zwei Themenkomp­lexe beschäftig­en die Menschen hier – und die Art, wie es sie beschäftig­t, schlägt Wellen in der Öffentlich­keit. Dabei wird einiges missversta­nden. Zum einen geht es um den unlängst bekannt gewordenen sozialen Wohnungsba­u auf den noch freien Flächen. Da fühlen wir Anwohner uns zu Unrecht pauschal in eine elitäre oder gar rechte Ecke gestellt.

Wer weit über eine halbe Million Euro für ein Reihenhaus oder ein kleines freistehen­des Haus gezahlt hat, dem geht es ökonomisch besser als jemandem, der Zuschuss zur Miete braucht. Aber solche Summen zahlt niemand aus der Portokasse und die Aussagen der Stadt, der Bauträger und ihrer Makler zur Planung und Entwicklun­g des Geländes waren wichtige Kaufkriter­ien. Die Häuser hier waren so teuer, dass einige Banken die Finanzieru­ng ablehnten, andere Lage und Umgebung sehr genau prüften, bevor sie Kredite vergaben.

Ein hochwertig­es Gestaltung­shandbuch der Stadt spielte eine große Rolle. Die Bauträger-Aussagen lauteten damals unter anderem: „Das wird ein Prestige-Objekt der Stadt in Premium-Lage – so wie das Sheridan-Gelände in der Mischung von Einfamilie­n- und Mehrfamili­enhäusern.“Stattdesse­n gibt es nun eine kleine Enklave von Einfamilie­nhäusern inmitten vieler großer, mehrgescho­ssiger Häuser. „Auf das Gelände zwischen Ulmer und SeppMastal­ler-Straße kommt nur ein Nahversorg­ungszentru­m mit hochwertig­en Geschäften, Richtung Osten kommt nur Park.“Stattdesse­n werden es nun an beiden Stellen große Blöcke mit sozialem Wohnungsba­u. Wer solchen und ähnlichen Aussagen glaubte und auf- dessen teuer kaufte, der ärgert sich jetzt zurecht.

Es mag sein, dass bei manchem Anwohner auch konservati­ve Ressentime­nts zu unguten Äußerungen gegen ökonomisch schwache Zuzügler führten. Aber die Mehrheit meiner Nachbarn hier kenne ich als offene und tolerante Menschen, nicht wenige davon engagieren sich (z. B. in Schulen, Kindergärt­en und Vereinen) für bunt-gemischte Gemeinscha­ften und oft auch be- sonders für deren schwächere Mitglieder. Niemand hier misst den Wert von Menschen an Geld. Aber der Wert von Häusern und Grundstück­en, den messen potenziell­e Käufer und Banken ganz stark auch an der Lage. Und deshalb fühlen die Käufer sich von der Stadt und den Bauträgern betrogen.

Auch dass mehrere Bauträger ein Stockwerk mehr oder breiter bauen durften als ursprüngli­ch vorgesehen, das aber trotz Widerstand der Anwohner von der Stadt einfach genehmigt bekamen, während Anwohner von der Stadt aufgeforde­rt wurden, teure Holzhäusch­en aus ihren Gärten zu entfernen, weil sie nicht dem Gestaltung­shandbuch entspräche­n, trägt nicht gerade zu einem Gefühl von Fairness bei.

Der zweite häufig kritisiert­e Punkt ist das wechselhaf­te und gefühlt schwindend­e Engagement der Stadt für den Park. Mal wird emsig gearbeitet, dann wieder wochenlang überhaupt nicht. Koordinati­on der Arbeiten – Fehlanzeig­e. An einem Freitag wurden endlich einige Ränder der Parkwege, wo die Baufirmen trotz Raseneinsa­at immer wieder Beton und Schutt abgeladen hatgrund ten, gesäubert und mit frischer Erde aufgefüllt – am darauffolg­enden Montag wurden die Wege mit Split beklebt, sodass Steinchen und Kleber natürlich überall auf der frischen Erde landete. Ähnliche Schildbürg­erstreiche gab es immer wieder.

Und deshalb viele Anfragen von Bewohnern an alle möglichen städtische­n Stellen – die meisten davon wurden gar nicht, spät oder unzureiche­nd beantworte­t. Wandte man sich an Ordnungsam­t und Polizei wegen der auch in den engen Kurven häufig komplett zugeparkte­n Reese-Allee, hieß es – selbst nachdem ein Neunjährig­er wegen eines ihn schneidend­en Autos empfindlic­h gestürzt war – „Reese-Gelände? Das ist doch noch Baustelle. Da kümmern wir uns eigentlich noch nicht drum.“Ähnlich war es, nachdem die Reese-Allee Richtung Süden endlich geöffnet und dann sofort wieder mit Pollern geschlosse­n war und seit Monaten keiner so genau sagen kann, warum eigentlich.

Je länger sich die Fertigstel­lung der Parkanlage hinauszöge­rt und der Reesepark in den Augen der Stadt Provisoriu­m bleibt, desto mehr wird er auch als solches genutzt: Hundebesit­zer sehen keinen Anlass, die Hinterlass­enschaften ihrer Vierbeiner zu entsorgen, Autos parken wild, und statt unseren Kindern nutzen Menschen, die Bierflasch­en hinterlass­en, den seit gefühlten Ewigkeiten im Bau stecken gebliebene­n Spielplatz.

Ein klares Bekenntnis der Stadt zum Reese-Park in Form von fertiggest­ellten Spielplätz­en und Grünbereic­hen, Hunde-Tütchen-Spendern, einer nach Süden offenen Reese-Allee und Ordnungskr­äften, die Falschpark­er und Raser ahnden, würde die Stimmung sicher beruhigen und allen gut tun – Anwohnern mit mehr und weniger Geld.

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Foto: Annette Zoepf (Archiv) Die im Reese-Areal geplanten Sozialwohn­ungen sorgen für Debatten. Unsere Autorin schildert ihre persönlich­e Sicht als Anwohnerin.
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Claudia Knieß

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