Koenigsbrunner Zeitung

Die Ehre des ersten Besuchs

- VON KATRIN PRIBYL

Die Pastorentö­chter Merkel und May loten in Berlin den Brexit aus

London Theresa May sendet mit der Wahl ihres ersten Reiseziels jenseits des Kanals ein klares Signal aus: Deutschlan­d ist der wichtigste Partner. Gerade eine Woche im Amt, besuchte die britische Premiermin­isterin gestern Berlin und saß mit Angela Merkel beim Abendessen zusammen. Die Kanzlerin dürfte auf das gute Besteck bestanden haben, zuvor wurde der Gast von der Insel mit militärisc­hen Ehren empfangen.

Diese Vorzugsbeh­andlung ist wenig verwunderl­ich: Deutschlan­d betrachtet die Berlin-Visite Mays als Wertschätz­ung. Zum anderen ist es für die Bundesregi­erung wichtig, dass Großbritan­nien nach dem Brexit-Votum ein enger Verbündete­r bleibt. In den anstehende­n Verhandlun­gen werde Deutschlan­d seine Interessen vertreten, sagte Merkel bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz. Aber sie setze darauf, dass der Prozess in einer „freundscha­ftlichen Atmosphäre und auf der Grundlage vieler gemeinsame­r Überzeugun­gen“vor sich gehen könne.

Noch wichtiger als für Merkel ist es aber für May, beim ersten Aufeinande­rtreffen der beiden Frauen überhaupt eine gute Beziehung aufzubauen. „Es freut mich sehr, in Berlin zu sein“, begann May dann auch auf Deutsch ihr Statement während der gemeinsame­n Pressekonf­erenz. Die Konservati­ve will die Bande zum Kontinent wieder stärken, nachdem diese zuletzt stark gelitten habe. Und natürlich ist sie abhängig von den europäisch­en Partnern, vorneweg Deutschlan­d und Frankreich, um in den anstehende­n Verhandlun­gen Zugeständn­isse für Großbritan­nien zu erreichen. „Brexit heißt Brexit“, wiederholt­e sie zwar auch gestern

Vergleiche drängen sich geradezu auf

ihr Mantra, aber: „Wir laufen nicht von unseren europäisch­en Freunden weg“, so May.

Man darf Vergleiche zwischen den Politikeri­nnen ziehen, schon allein, weil sie sich wegen ihrer Biografien aufdrängen. Pastorentö­chter, ehemalige Generalsek­retärinnen in der eigenen konservati­ven Partei, beide Pragmatike­rinnen, die sachorient­iert und unaufgereg­t arbeiten sowie von einem protestant­ischen Arbeitseth­os geprägt sind. Doch viele Ansätze unterschei­den sich eben auch. Allein in der Flüchtling­spolitik verfolgten May und Merkel ganz unterschie­dliche Strategien. Theresa May steht vor der schier übermächti­gen Herausford­erung, die unterschie­dlichen Erwartunge­n ihrer Landsleute in den Austrittsv­erhandlung­en zu erfüllen. Gestern bekräftigt­e sie im Parlament ihre Absicht, die Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit der EU für das Königreich zu beenden – ganz im Sinne der Brexit-Befürworte­r.

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Foto: M. Kappeler, dpa Die Pastorentö­chter Theresa May (links) und Angela Merkel beim Empfang vor dem Kanzleramt.

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