Baut Siemens zu viele Arbeitsplätze ab?
Die Gewerkschaft IG Metall beklagt einen schleichenden Jobverlust in Deutschland. Wie der Konzern darauf reagiert
München/Nürnberg Der Elektrokonzern Siemens wehrt sich vehement gegen den Vorwurf der Gewerkschaft IG Metall, seine Produktion nach und nach aus Deutschland abzuziehen. Auf Marktentwicklungen wie Preisdruck und Überkapazitäten in der Sparte Prozessindustrie und Antriebe müsse man reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sagte Siemens-Personalchefin Janina Kugel. Den von den Einschnitten in der Sparte betroffenen Beschäftigten wolle man aber möglichst Alternativen anbieten. Damit reagierte Kugel auf einen Aktionstag der Gewerkschaft, bei dem Beschäftigte gestern protestierten.
So machten zahlreiche SiemensMitarbeiter ihrem Unmut über die geplanten Einschnitte Luft. Bei Kundgebungen in Nürnberg und Ruhstorf nahe Passau pochten IG Metall und Vertreter des Betriebsrates auf einen Erhalt von Produktionsarbeitsplätzen bei Siemens in Deutschland. Die Gewerkschaft sprach alleine für Nürnberg von rund 2000 Teilnehmern bei der Veranstaltung.
„Wenn erst einmal die Produktion raus ist, folgen bald Service und Vertrieb, und schließlich die Entwicklung“, warnte IG-Metall-Bezirkschef Jürgen Wechsler. Von Siemens-Chef Joe Kaeser verlangte Wechsler einen vorläufigen Verzicht auf die Verlagerungen, bis es für die betroffenen Standorte tragfähige Alternativen gibt.
Siemens hatte wegen der Nachfrageflaute aus der Öl- und Gasbranche angekündigt, weltweit rund 2500 Jobs in der Sparte zu abzubauen oder zu verlagern, davon rund 2000 in Deutschland und schwerpunktmäßig an den bayerischen Standorten Nürnberg, Ruhstorf nahe Passau, Bad Neustadt/Saale und Erlangen. Insgesamt beschäftigt Siemens weltweit knapp 350 000 Frauen und Männer, darunter zuletzt konstant 114000 in Deutschland.
Kugel will vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeitern Job-Alternativen anbieten, beispielsweise einen Wechsel in das neue WindkraftWerk von Siemens in Cuxhaven. Der Standort sei das beste Beispiel für das Bekenntnis zum Standort Deutschland, sagte die Managerin. Siemens investiert in die Fertigungsstätte für Maschinenhäuser für Windkraftanlagen rund 200 Millionen Euro und will bis zu 1000 Jobs schaffen. „Das ist ein starkes Signal“, so die Siemens-Personalchefin. Aus ihrer Sicht gibt es sicherlich Familien oder Mitarbeiter, die nicht ohne Weiteres an einen anderen Standort umziehen könnten, aber Siemens versuche, den Beschäftigten auch im Austausch mit der Politik eine Perspektive zu geben. Dazu gehörten die geplante Modellfabrik für digitale Anwendungen und das künftige Kompetenzzentrum für Elektromobilität in Bad Neustadt. Wie viele Arbeitsplätze sich dadurch erhalten lassen, ist noch nicht absehbar.
Kugel machte aber auch klar, dass sich Deutschland angesichts der Digitalisierung auf einen grundlegenden Wandel der Beschäftigung einstellen müsse. „Arbeit wird es auch künftig geben, allerdings werden bestimmte Jobs verschwinden und bestimmte neue Berufsbilder dazukommen.“