Monster küssen Nintendo wach
Lange Zeit gab es vom japanischen Spielehersteller kaum Nachrichten. Dann kam „Pokémon Go“. Plötzlich ging der Aktienkurs durch die Decke
Nachdem sich mit dem Erfolg des Smartphone-Spiels „Pokémon Go“der Kurs der Nintendo-Aktie in knapp zwei Wochen mehr als verdoppelt hat, nehmen einige Anleger jetzt Gewinne mit. „Auch Nintendo-Aktien brauchen mal eine Pause“, sagte ein Aktienstratege dem Finanzdienst Bloomberg in Tokio. Der Rückgang um 12,6 Prozent am Mittwoch in Tokio erscheint aber verkraftbar. Schließlich war die Nintendo-Aktie von gut 14 000 Yen zum Start des Spiels auf knapp 32 000 Yen hochgesprungen. Damit war Nintendo an der Börse zeitweise mehr wert als Sony. „Pokémon Go“schlägt derzeit immer mehr Kinder, viele Jugendliche, aber auch staunende Erwachsene in seinen Bann. Die kleinen Monster haben Nintendo wachgeküsst.
In den kommenden Tagen wird mit dem Start der App im PokémonHeimatland Japan gerechnet, wo noch einmal ein großer Fan-Ansturm erwartet wird. Die NintendoBeteiligung Pokémon Company und der Spieleentwickler Niantic Labs hatten die Markteinführung dort bisher hinausgezögert, um die Server-Infrastruktur vorzubereiten.
Noch nie zuvor hat eine Smartphone-App so schnell Börsenwert geschaffen. In weniger als zwei Wochen seit dem Start des Spiels „Pokémon Go“hat sich der Aktienkurs der japanischen Spiele-Anbieter Nintendo nahezu verdoppelt. Auslöser für den Sprung war die Erleichterung der Investoren, die zuvor immer mehr den Glauben an den Gameboy-Erfinder verloren. Vor „Pokémon Go“hatten sie die Aktie so tief in den Kurskeller gedrückt, dass sie erst nach einer Woche steilen Aufstiegs wieder das Preisniveau von Sommer vergangenen Jahres erreichte. Ein Happy End statt des befürchteten „Game Over“für Nintendo also?
Nicht so schnell, warnen Finanzanalysten. Denn der große Erfolg beim ersten Auftritt populärer Nintendo-Figuren auf Smartphones setzt den Traditionskonzern auch unter massiven Zugzwang, sein Geschäftsmodell zu reformieren.
Bisher sperrte sich Nintendo gegen den Sprung auf Mobiltelefone und brachte seine Spiele nur für die eigenen Konsolen heraus. Wer mit „Pokémon“oder „Super Mario“spielen wollte, musste auch Geld für eine Wii, Wii U oder eine DS-Konsole für unterwegs hinblättern. Dazu gehörte auch, dass KonsolenSpiele für 40 bis 60 Euro verkauft werden. Bei Smartphone-Games kann man dagegen bestenfalls ein paar Euro verlangen. Meistens werden sie sogar kostenlos angeboten und die Entwickler versuchen, das Geld mit dem Verkauf virtueller Artikel im Spiel hereinzuholen.
Mit „Pokémon Go“begibt sich Nintendo auf diesen Weg. Der erste Schritt wurde jahrelang hinausgezögert. Es wurde jedoch immer deutlicher, dass auch ein Unternehmen mit einer millionenfachen Fangemeinde die Realität nicht mehr ignorieren kann: Smartphone und Tablet werden immer mehr zum Spielgerät der Wahl. Bei Nintendo fielen vergangenes Geschäftsjahr die Verkäufe der Konsolen um gut 22 Prozent. Die große Wii U zum Anschluss an den Fernseher gilt ohnehin als Flop im Vergleich zu den Konkurrenz-Konsolen Playstation 4 und Xbox One. Es war also an der Zeit, sich zu bewegen.
Verbraucherschützer melden sich zu Wort
Verbraucherschützer haben den Erfindern des Handyspiels „Pokémon Go“wegen Verstoßes gegen Datenschutzrichtlinien mit einer Klage gedroht. Die Spiele-App setze voraus, dass personenbezogene Daten preisgegeben werden, was teilweise gegen deutsche Datenschutzstandards verstößt, erklärte der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Der Verband habe 15 Klauseln aus den Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen abgemahnt. Gebe der kalifornische Entwickler Niantic bis 9. August keine Unterlassungserklärung ab, drohe eine Klage.