Tote Babys in Tüten verpackt
14 Jahre Haft für die Mutter von Wallenfels. Weniger als möglich
Coburg Gefühlsregungen zeigt Andrea G. nicht. Während ihr freigesprochener Noch-Ehemann Johann die Faust ballt, macht die 45-jährige Mutter der acht toten Babys von Wallenfels einen unbeteiligten Eindruck. Zu 14 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt sie das Gericht – weit weniger als möglich. Grund sind Vorgaben zur Verurteilung wegen der Tötung eigener Kinder.
Wäre es nach der Staatsanwaltschaft gegangen, wäre Andrea G. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zudem wäre eine besondere Schwere der Schuld festgestellt worden. Dann hätte sie wohl mindestens 20 Jahre im Gefängnis verbracht. Die Anklage prüft nun, in
In mindestens vier Fällen erstickte sie die Kinder
Revision zu gehen, die Verteidigung ist hingegen äußerst zufrieden. Denn so könnte G. nun bereits nach zwei Dritteln der Strafe und damit nach neun Jahren Haft freikommen.
Die Frage steht aber im Raum, ob dies gerecht ist bei acht toten Babys, zumal nach Überzeugung des Gerichts die Mutter in mindestens vier Fällen gezielt die Kinder erstickte. Richter Christoph Gillot macht keinen Hehl daraus, dass die Bewertung schwerfiel. Viele hätten den Fall von außen betrachtet – sie aber hätten alle Akten bearbeitet. In dem mit vielen aufgewühlten Menschen aus der Familie der Angeklagten und aus der kleinen Gemeinde Wallenfels besetzten Gerichtssaal begründet der Richter sein Urteil betont sachlich. Das Privatleben von Andrea G. mit einer gescheiterten ersten Ehe und dann der zweiten Ehe schildert er chronologisch. Nur einzelne Bemerkungen geben einen Einblick in seine Einschätzung der Frau. Von „Lügen“ist die Rede, von „Kaufrausch“, von Gleichgültigkeit gegenüber den Neugeborenen: „Sie schaute nicht groß nach dem Geschlecht, sie beseitigte die ,Fremdkörper‘ und die Sauerei der Geburt“, sagt Gillot – und zeigt aber auch Verständnis.
So gab es zwei konkrete Vorhaben der Sterilisation. Wäre es dazu gekommen, hätte es die Taten nicht gegeben. Einmal habe der „Familienrat“über ihren Kopf hinweg einen Termin für sie gemacht, was ein massiver Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht gewesen sei. G. ging nicht zum Arzt. Beim zweiten geplanten Termin war sie vermutlich schwanger – wäre sie hingegangen, wäre ihr Lügengebäude zusammengebrochen und sie hätte ihre Familie verloren,
Gericht: keine „besonders krasse Selbstsucht“
sagt der Richter. Ähnlich verhielt es sich mit der Pille: Der Frauenarzt hätte entweder eine neue Schwangerschaft oder frühere Schwangerschaften entdecken können. Die Lage erschien also im Empfinden der Angeklagten ausweglos.
Dass das Gericht nicht auf Mord erkannte, begründete der Richter mit Vorgaben des Bundesgerichtshofs. Bei Tötungen eigener Kinder sei nur bei „besonders krasser Selbstsucht“im Gegensatz zu einem „normalen“Egoismus von Mord auszugehen. Es habe aber ein „Motivbündel“bei G. gegeben. Ein starkes Motiv sei gewesen, dass sie ihre Familie nicht verlieren wollte. „Das ist nicht ein krass selbstsüchtiges Motiv.“Ralf Isermann, afp