Ein guter Riecher
Der neue Luxus besteht nicht mehr darin, eine Markenhandtasche zu besitzen, sondern so zu duften wie kein anderer. Eine Pariserin stellt solche Parfüms her und hat Erfolg
Paris Manche Besucher lockt der intensive Duft auf der Straße zu ihr herein, erzählt Stéphanie de Bruijn. Neugierig geworden betreten die Passanten ihr „Boudoir“, wie sie den kleinen Raum nennt, dessen dunkles Mobiliar und Tapete für eine betörende Atmosphäre sorgt. Elegante Flakons sind aufgereiht, eine Waage steht da und ein Computer. Das wichtigste Handwerkszeug der Parfüm-Herstellerin ist aber ihre Nase. Denn die meisten Kunden bekommt de Bruijn nicht, weil sie zufällig an ihrem Geschäft vorbeilaufen. Sie stammen aus der ganzen Welt – aus Russland, den USA oder Japan – und sie haben von de Bruijns Nase erfahren.
Die 42-Jährige kreiert ParfümEssenzen nach Maß, also Unikate, die auf den Träger und eher die Trägerin zugeschnitten sind. Zwei Drittel ihrer Kunden sind weiblich – und die meisten wollen ihren Duft nicht nur mitbestimmen, sondern dass er sie einzigartig macht. „Der neue Luxus besteht in einem besonderen Erlebnis“, sagt de Bruijn. Zu ihr kämen Frauen, die bereits zehn Taschen von Louis Vuitton oder Hermès besitzen – aber ihre Freundinnen haben dieselben. „Sie wollen herausstechen.“Und dafür wollen sie einen Duft von de Bruijn.
Das hat seinen Preis. De Bruijn arbeitet mit drei verschiedenen Angeboten: Zum einen verkauft sie 17 eigene Parfüm-Kreationen für 250 Euro pro Flasche. „Paris – Istanbul“heißt eine Kreation, eine andere „Poignées d’amour“– ein liebevoller Ausdruck für Hüftgold. Es ist ein Männerparfüm, das sie geschaffen habe, als sie gerade ihren Mann kennengelernt habe, verrät die Mutter dreier Kinder.
Außerdem bietet die Parfümeurin an, in zwei persönlichen Gesprächen Vorlieben des Kunden zu erfahren, und danach ein neues Parfüm herzustellen. Entweder auf Basis einer ihrer 17 Düfte – dann kostet ein Flakon 1000 Euro – oder auf einer völlig neuen Grundlage. Das kostet 6000 Euro oder mehr. Besonders teuer sei das nicht, findet de Bruijn, schließlich verwende sie wertvolle Essenzen. Und: Bei großen Häusern wie Cartier oder Guerlain koste ein Parfüm nach Maß zehntausende Euro. „Wie bei einem maßgeschneiderten Kleid bezahlt man die Materialien, die Arbeit, auch die Kreativität.“
Manche Kunden kämen auch mit sehr speziellen Ideen. So wie ein Mann „aus dem Osten“, der sie bat, den Duft einer ganz speziellen Rose aus seinem Garten für seine Frau zu reproduzieren. Dafür flog er frisch geschnittene Blüten mit seinem Privatjet an. Oder eine afrikanische Unternehmerin, die bei Konferenzen mit ihren männlichen Kollegen eine dominante Duftmarke setzen und so zeigen wollte, wer die Chefin sei. Monatelang arbeite sie an manchen Aufträgen, probiere mit dutzenden oder gar hunderten verschiedenen Duftrichtungen immer neue Kombinationen aus. Ihre Nase trainiere sie täglich. Nach dem Zufallsprinzip öffnet sie Essenzen, erschnuppert den Inhalt und sucht die richtigen Worte für das zu finden, was sie riecht.
De Bruijn lebt seit zehn Jahren in Paris. Die Tochter einer Französin und eines Niederländers ist im süddie französischen Cannes aufgewachsen, unweit der Parfüm-Hochburg Grasse. Bis heute ist Grasse Umschlagplatz für Parfümessenzen. Auch de Bruijn bezieht ihre Rohstoffe von dort – Rose aus der Türkei, Geranie aus Ägypten, Jasmin aus Spanien. „Schon als Kind war es mein Traum, Parfümeurin zu werden“, erzählt sie. „Doch weil meine Eltern nicht begeistert waren, studierte ich zunächst Biologie.“Dann arbeitete sie für einen Zulieferer großer Parfümmarken, gewann einen NachwuchsWettbewerb und bekam ein Jobangebot in Paris. 2007 eröffnete sie ihre Boutique, auch weil sie den Trend von „Parfüms nach Maß“vorausahnte. Einen guten Riecher hat sie damit bewiesen.