Der Herr der Ringe steht unter Druck
Der Sport erwartet von Olympia-Chef Bach, dass er seinen Worten Taten folgen lässt. Noch ist unklar, ob er gegen Russland hart durchgreift. Die Zeit aber drängt
Düsseldorf/Lausanne IOC-Präsident Thomas Bach ist 1976 Fecht-Olympiasieger mit dem feinen Florett geworden, das auch stets seine Waffe auf dem sportpolitischen Parkett war. Im kniffligen Fall eines Olympia-Ausschlusses von Russland soll er mit dem Säbel rasseln und seinen Worten von Null-Toleranz von Doping Taten folgen lassen. „Wir brauchen jetzt einen Präsidenten im Internationalen Olympischen Komitee, der seiner Führungsrolle nachkommt und Führungsstärke zeigt“, sagte Dagmar Freitag, Sportausschussvorsitzende des Deutschen Bundestages.
Das Internationale Olympische Komitee will erst das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS am heutigen Donnerstag abwarten, ob der Berufung von 68 russischen Leichtathleten gegen die vom Weltverband IAAF verfügte Suspendierung auch von den RioSpielen stattgegeben wird oder nicht. Wie eine IOC-Sprecherin auf Anfrage der Deutschen PresseAgentur mitteilte, will das Internationale Olympische Komitee innerhalb von sieben Tagen, gerechnet von der Veröffentlichung des WadaDopingberichts, über einen möglichen kompletten Ausschluss Russ- lands entscheiden. „Die aktuelle Situation ist mit keiner früheren vergleichbar. Es gibt dafür keine Blaupause“, sagte Dagmar Freitag gestern. Gemeint ist damit der schockierende Russen-Report von Wada-Ermittler Richard McLaren über staatlich verordnete Doping-Manipulationen bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi – und darüber hinaus: Betroffen waren auch die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und die Schwimm-WM 2015 in Kasan. „Thomas Bach muss vorangehen und eine Haltung vorgeben, für die er in der IOC-Exekutive um eine Mehrheit ringt“, sagte Freitag.
Bisher sah es so aus, als wenn der 62-jährige Tauberbischofsheimer eher nach einem Ausweg suchte, den Ausschluss Russlands von den XXXI. Sommerspielen am Zuckerhut zu vermeiden. Bach hat als junger Fechter den Olympia-Boykott der Spiele 1980 in Moskau erlebt und erlitten. Deshalb weiß er, dass ein neuer Kalter Krieg im Sport vor allem die Athleten treffen würde. Dennoch versicherte er, dass das IOC nicht zögern werde, die „härtest möglichen Sanktionen“zu ergreifen. Zuvor sollen die Juristen des IOC aber prüfen, welche rechtlichen Optionen es für einen Ausschluss aller russischer Athleten von Olympia gebe und wie sie mit dem individuellen Recht des einzelnen Sportlers vereinbar seien. Oder nimmt Bach doch Rücksicht auf Russland, weil er mit dessen Präsidenten Wladimir Putin einen guten Kontakt pflegt? „Es geht darum, die olympische Idee vor dem Verfall zu retten, da müssen persönliche Befindlichkeiten oder freundschaftliche Beziehungen in den Hintergrund treten“, warnte Freitag. „Der Sport steht schon lange am Scheideweg, heute jedoch am Abgrund.“
Auch der Verbandschef der deutschen Leichtathleten sieht das IOC und seinen Präsidenten in der Pflicht, ein Signal zu setzen. „Das IOC muss nun Kante zeigen. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Olympischen Spiele“, sagte Clemens Prokop zur Causa Russland. Die Korruptionsexpertin Sylvia Schenk von Transparency International sympathisiert mit einem Olympia-Aus von Russland, sieht eine solche Entscheidung aber nicht als Weisheit letzter Schluss. „Man kann ein solches Exempel statuieren, auch weil der Druck so groß ist, aber man darf danach nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte die frühere Leichtathletin.