Koenigsbrunner Zeitung

So werden Asylbewerb­er kontrollie­rt

- VON FLORIAN EISELE

Der junge Flüchtling, der im Zug bei Würzburg mit einer Axt Leute verletzte, galt als unauffälli­g. Welche Kontrollin­stanzen gibt es, um eine Radikalisi­erung zu entdecken?

Landkreis Augsburg Er galt als integriert, machte etwa ein Praktikum in einer Bäckerei – dann schlug er zu. Nach dem Terroratte­ntat in einem Regionalzu­g bei Würzburg ist das Entsetzen immer noch groß. Doch wie werden eigentlich im Landkreis Augsburg junge Flüchtling­e betreut? Wie soll verhindert werden, dass sie sich im Stillen radikalisi­eren? Wir haben nachgehakt.

Die Betreuung der jungen Flüchtling­e ist intensiv: Im Landkreis leben derzeit konstant 185 minderjähr­ige unbegleite­te Flüchtling­e, die meisten von ihnen sind Männer. Jeder von ihnen wird, bis er in eine Aufnahmeei­nrichtung kommt, mehrfach untersucht. Auch danach hat jeder etwa vier Mal im Jahr Kontakt mit dem Jugendamt. Damit soll etwa erfasst werden, welches Maß an Hilfe der Flüchtling benötigt oder ob Traumata behandelt werden müssen. Dennoch haben die Behörden mit Problemen zu kämpfen, bevor ein Asylbewerb­er erfasst ist. Laut dem Jugendamt ist vor allem die Erfassung der Identitäte­n der jungen Männer nicht ein- fach – und das liege nicht zwingend an den Asylbewerb­en selbst. Teilweise sind die Namen falsch geschriebe­n, weil sie in einem anderen Land falsch erfasst worden sind. Ein anderes Mal stimmt das Geburtsdat­um nicht, weil die Monats- mit der Tagesangab­e vertauscht worden sind. Weil bei vielen Flüchtling­en der Pass fehlt, werden laut Auskunft des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e neben dem Pass auch andere Personaldo­kumente wie Geburtsurk­unden und Führersche­ine berücksich­tigt und überprüft. In einem persönlich­en Gespräch sollen zudem landestypi­sche Kenntnisse erfragt werden. Beim Stellen des Asylantrag­es werden von jeder Person – egal ob erwachsen oder minderjähr­ig – die Fingerabdr­ücke genommen, die zur Überprüfun­g an die Sicherheit­sbehörden weitergege­ben werden.

In der Unterkunft selbst sind die jeweiligen Betreiber für die Betreuung der minderjähr­igen Flüchtling­e zuständig. Einer der Träger in Schwaben ist das Kolping-Bildungswe­rk. In neun Einrichtun­gen werden etwa 100 junge Asylbewerb­er betreut, die ohne Angehörige­n nach Deutschlan­d gekommen sind, im August wird im ehemaligen Stadtberg Parkhotel eine Einrichtun­g im Landkreis eröffnet.

Martin Ruf ist bei Kolping Referent für minderjähr­ige unbegleite­te Flüchtling­e. Er betont, wie aufwendig die Arbeit in den Einrichtun­gen ist: „Wir wollen den Leuten eine Perspektiv­e aufzeigen. Dafür arbeiten wird mit pädagogisc­hem Fachperson­al zusammen und bieten rund um die Uhr Betreuung.“Das Konzept für die Stadtberge­r Einrichtun­g sieht zum Beispiel vor, dass die bis zu 35 Jugendlich­en im Alter zwischen 17 und 19 Jahren rund um die Uhr betreut werden: entweder in der Schule oder von Betreuern innerhalb der Einrichtun­g. Zwischen sieben und neun Pädagogen werden sich demnach um sie kümmern. Ruf sagt: „Wir haben auch eine Nachtbetre­uung. Damit soll dafür gesorgt werden, dass die Jungs ins Bett kommen.“

Hinter der intensiven Betreuung der jungen Flüchtling­e steht aber kein Misstrauen, betont Ruf. Das Ziel sei vielmehr, dass die Jugendlich­en selbststän­dig werden, einen Haushalt gründen und einer regelmäßig­en Arbeit nachgehen.

Markus Schäfert vom Bayerische­n Verfassung­sschutz betont, dass es keinen Generalver­dacht für Asylbewerb­er gibt: „Kein Flüchtling wird automatisc­h einfach kontrollie­rt.“

Beim Asylantrag werden Fingerabdr­ücke genommen Die Jugendämte­r schlugen 70 Mal Alarm

Die Behörde betreibe hingegen in den Unterkünft­en und Schulen Prävention­sarbeit und gibt Informatio­nsmaterial für Helfer aus. Dass das Thema Radikalisi­erung die Behörden beschäftig­t, zeigt: Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e hat vor dreieinhal­b Jahren eine Beratungss­telle Radikalisi­erung eingericht­et. Dorthin können Verdachtsf­älle gemeldet werden. Von 1200 Beratungsf­älle wurden dabei in die enge Betreuung genommen, Jugendämte­r schlugen 70 Mal Alarm. Ob ein Fall im Landkreis darunter war, ist nicht bekannt.

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