So werden Asylbewerber kontrolliert
Der junge Flüchtling, der im Zug bei Würzburg mit einer Axt Leute verletzte, galt als unauffällig. Welche Kontrollinstanzen gibt es, um eine Radikalisierung zu entdecken?
Landkreis Augsburg Er galt als integriert, machte etwa ein Praktikum in einer Bäckerei – dann schlug er zu. Nach dem Terrorattentat in einem Regionalzug bei Würzburg ist das Entsetzen immer noch groß. Doch wie werden eigentlich im Landkreis Augsburg junge Flüchtlinge betreut? Wie soll verhindert werden, dass sie sich im Stillen radikalisieren? Wir haben nachgehakt.
Die Betreuung der jungen Flüchtlinge ist intensiv: Im Landkreis leben derzeit konstant 185 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die meisten von ihnen sind Männer. Jeder von ihnen wird, bis er in eine Aufnahmeeinrichtung kommt, mehrfach untersucht. Auch danach hat jeder etwa vier Mal im Jahr Kontakt mit dem Jugendamt. Damit soll etwa erfasst werden, welches Maß an Hilfe der Flüchtling benötigt oder ob Traumata behandelt werden müssen. Dennoch haben die Behörden mit Problemen zu kämpfen, bevor ein Asylbewerber erfasst ist. Laut dem Jugendamt ist vor allem die Erfassung der Identitäten der jungen Männer nicht ein- fach – und das liege nicht zwingend an den Asylbewerben selbst. Teilweise sind die Namen falsch geschrieben, weil sie in einem anderen Land falsch erfasst worden sind. Ein anderes Mal stimmt das Geburtsdatum nicht, weil die Monats- mit der Tagesangabe vertauscht worden sind. Weil bei vielen Flüchtlingen der Pass fehlt, werden laut Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge neben dem Pass auch andere Personaldokumente wie Geburtsurkunden und Führerscheine berücksichtigt und überprüft. In einem persönlichen Gespräch sollen zudem landestypische Kenntnisse erfragt werden. Beim Stellen des Asylantrages werden von jeder Person – egal ob erwachsen oder minderjährig – die Fingerabdrücke genommen, die zur Überprüfung an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden.
In der Unterkunft selbst sind die jeweiligen Betreiber für die Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge zuständig. Einer der Träger in Schwaben ist das Kolping-Bildungswerk. In neun Einrichtungen werden etwa 100 junge Asylbewerber betreut, die ohne Angehörigen nach Deutschland gekommen sind, im August wird im ehemaligen Stadtberg Parkhotel eine Einrichtung im Landkreis eröffnet.
Martin Ruf ist bei Kolping Referent für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Er betont, wie aufwendig die Arbeit in den Einrichtungen ist: „Wir wollen den Leuten eine Perspektive aufzeigen. Dafür arbeiten wird mit pädagogischem Fachpersonal zusammen und bieten rund um die Uhr Betreuung.“Das Konzept für die Stadtberger Einrichtung sieht zum Beispiel vor, dass die bis zu 35 Jugendlichen im Alter zwischen 17 und 19 Jahren rund um die Uhr betreut werden: entweder in der Schule oder von Betreuern innerhalb der Einrichtung. Zwischen sieben und neun Pädagogen werden sich demnach um sie kümmern. Ruf sagt: „Wir haben auch eine Nachtbetreuung. Damit soll dafür gesorgt werden, dass die Jungs ins Bett kommen.“
Hinter der intensiven Betreuung der jungen Flüchtlinge steht aber kein Misstrauen, betont Ruf. Das Ziel sei vielmehr, dass die Jugendlichen selbstständig werden, einen Haushalt gründen und einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.
Markus Schäfert vom Bayerischen Verfassungsschutz betont, dass es keinen Generalverdacht für Asylbewerber gibt: „Kein Flüchtling wird automatisch einfach kontrolliert.“
Beim Asylantrag werden Fingerabdrücke genommen Die Jugendämter schlugen 70 Mal Alarm
Die Behörde betreibe hingegen in den Unterkünften und Schulen Präventionsarbeit und gibt Informationsmaterial für Helfer aus. Dass das Thema Radikalisierung die Behörden beschäftigt, zeigt: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat vor dreieinhalb Jahren eine Beratungsstelle Radikalisierung eingerichtet. Dorthin können Verdachtsfälle gemeldet werden. Von 1200 Beratungsfälle wurden dabei in die enge Betreuung genommen, Jugendämter schlugen 70 Mal Alarm. Ob ein Fall im Landkreis darunter war, ist nicht bekannt.