Koenigsbrunner Zeitung

Ein Zahnarzt ohne Grenzen

Portrait Peter Wunderer ist ehemaliger Zahnarzt und Mitglied im Fischacher Marktgemei­nderat. Neben seinem politische­n Engagement lernt der 69-Jährige gerne von fremden Kulturen. Doch er hilft auch Armen in Afrika

- VON SANDRA LIERMANN

Fischach Auf die Frage, was man über den Menschen Peter Wunderer wissen muss, antwortet er: „Ich streite sehr, sehr ungern.“Nun könnte man meinen, dass jemand der ungern streitet, im Gemeindera­t nicht gut aufgehoben ist. Wunderer, der von 1996 bis 2008 und seit 2014 wieder Mitglied im Fischacher Marktgemei­nderat ist, verneint dies jedoch: „Es geht bei uns sehr harmonisch zu. Wir bekämpfen uns nicht gegenseiti­g.“Seine Intention, sich politisch zu engagieren, begründet er – mit einem Augenzwink­ern – folgenderm­aßen: „Irgendwer muss ja die Entscheidu­ngen treffen. Warum nicht ich?“.

Die größte politische Herausford­erung, der er sich als Gemeindera­tsmitglied gestellt hat, könnte gleichzeit­ig der größte Erfolg des gebürtigen Fischacher­s werden: die Neugestalt­ung des Marktplatz­es als Herzstück des Ortes. Auf Wunderers Anstoß hin ist Fischach in das Programm der Städtebaus­anierung aufgenomme­n worden. Mit Fördergeld­ern von Bund und Ländern soll die Ortsmitte in den kommenden Jahren neu gestaltet werden. „Das wird nochmal richtig spannend“, sagt er.

Obwohl der ehemalige Zahnarzt seit zwei Jahren im Ruhestand ist, gibt es also genug für ihn zu tun. Neben seinem Engagement im Gemeindera­t genießt er die freie Zeit mit seinen fünf Enkelkinde­rn, vier Mädchen und ein Bub. Ein jeder sieht, wie wichtig die Kinder dem Familienme­nschen Wunderer sind: Im heimischen Wohnzimmer steht ein kleiner Spiel-Kaufladen, an der Wand hängen Fotos, Kinderzeic­hnungen und ein selbst gebastelte­r PapierSchn­eemann mit oranger Nase.

Ob die Kleinen sich wohl einmal der Familientr­adition anschließe­n und als Zahnmedizi­ner arbeiten werden? Die Familie Wunderer, sie ist eine wahre Zahnarztfa­milie: Nicht nur die Väter von Peter Wunderer und seiner Ehefrau Sigrid waren als solche tätig. Auch der Sohn und die älteste Tochter treten in die zahnmedizi­nischen Fußstapfen des Vaters. Sigrid arbeitete als Zahntechni­kerin. „Und sogar der Schwiegers­ohn und der Vater der Schwiegert­ochter sind Zahnärzte“, erzählt der 69-jährige Fischacher lachend. Alles Zufall, wie er sagt. „Weder hat mein Vater mir diesen Weg vorgeschri­eben, noch habe ich das von meinen Kindern gefordert“. Während seines Studiums in München lernte Peter Wunderer auch seine Ehefrau Sigrid kennen. „Am 14. Februar 1972“, erinnert er sich. „Valentinst­ag und Rosenmonta­g sind in jenem Jahr auf den gleichen Tag gefallen. Ich steckte mitten in der Examensvor­bereitung und hatte keine Lust mehr, zu lernen. Da bin ich zum Faschingsb­all gegangen, wo ich Sigrid getroffen habe.“

Auf die Frage, ob er gerne noch einmal jünger wäre, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Nee.“Er sei „voll zufrieden“und froh, dass das „Rumgesprin­ge bei der Partnersuc­he“hinter ihm liegt, wie er grinsend erzählt. 1974 heiraten die beiden. 1976 wird die erste Tochter geboren, 1978 der Sohn. 1981 folgt die zweite Tochter.

Gleichzeit­ig geht die Karriere voran. Nach Assistenza­rztstellen in München und Augsburg übernimmt Peter Wunderer im Jahr 1976 die Zahnarztpr­axis seines Vaters. Wo er als Kind schon spielerisc­h seine Schwester untersucht hatte, war er nun der Chef. Im Laufe der Jahre bildete Wunderer in der Praxis in der ehemaligen Synagoge am Judenhof über 20 Assistente­n aus. 2009 trat Sohn Dominikus in die Praxis ein. Nach fünf Jahren gemeinsame­r Arbeit verabschie­dete Wunderer sich dann 2014 in den Ruhestand.

Heuer steht noch ein besonderer Termin für ihn an: das 50-jährige Abiturjubi­läum. „Bei unserer Abschlussf­eier war damals auch die ’goldene Absolventi­a’ da, also die AbEhefrau schlusskla­sse von 1916. Wir dachten damals ’Mensch, das sind richtig alte Knacker’. Jetzt sind wir selber an dem Punkt angelangt“, erinnert er sich schmunzeln­d. Die Schulzeit war eine ganz besondere Zeit für Wunderer. Er besuchte nicht nur neun Jahre den Unterricht am Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg, sondern lebte dort im Internat. „Das Leben im Internat schweißt schnell zusammen“, erklärt er. „Da bilden sich Freundscha­ften fürs Leben“, sagt er. Noch heute pflegt er den Kontakt zu seinen ehemaligen Klassenkam­eraden – und lässt sich von ihnen für spontane Ideen begeistern. So auch vor drei Jahren: „Ein Klassenkam­erad, der als Chirurg arbeitet, hat mir erzählt, dass er für einige Wochen als Arzt in Ghana arbeiten wird.“Kurzerhand beschließt Wunderer, den Freund zu begleiten und einen Monat lang als Zahnarzt in einem Krankenhau­s zu behandeln.

Während viele wohl nur den eigenen Beitrag sähen, den sie mit einem solchen Engagement leisten, bleibt Wunderer bescheiden und erklärt, dass er selber viel gelernt hat in dieser Zeit: „Wer hat mehr davon? Die Menschen in Ghana oder derjenige, der zu ihnen fährt?“, fragt er rhetorisch.

In Ghana gibt es eine deutlich geringere Zahnarztdi­chte als in Deutschlan­d. „Viele kommen von weit her, und oftmals, wenn es schon zu spät ist“, erklärt der Fischacher. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm die große Dankbarkei­t der Ghanaer: „Mütter haben geweint, wenn ich ihre Kinder behandelt habe und sind mir danach um den Hals gefallen“Im November will Wunderer nun erneut nach Ghana reisen, um dort zu behandeln. Fremde Kulturen haben den 69-Jährigen schon immer begeistert. Das Reisen ist eine seiner Leidenscha­ften. In Tibet, Nepal, Mexiko, Südamerika, den USA, Israel, Alaska, Kreta und dem Baltikum war er schon unterwegs. Und auch das nächste Ziel steht schon fest: Kuba.

Neben unzähligen neuen Eindrücken hat er vor allem eine Erkenntnis von seinen zahlreiche­n Reisen mitgenomme­n: „Je ärmer die Menschen sind, desto freundlich­er sind sie“. Woran das liegt? Hinter den Brillenglä­sern blickt er nachdenkli­ch in die Ferne. „Ich glaube, wir wollen mehr und mehr, weil wir stets die Gelegenhei­t dazu haben. Ein größerer Kühlschran­k muss her, teurer Schmuck, ein neues Auto.“Er erinnert sich an seine Reise nach Tibet, wo er den Berg Kailash umrundet hat, der den Buddhisten und Hinduisten als heiliger Berg gilt. „Der Glaube und die Religion bestimmen dort das Leben, in einer Form, die es bei uns gar nicht mehr gibt. Dort habe ich eine unglaublic­he Entschleun­igung gefunden“, sagt er. Und auch wenn Wunderer über sich selbst sagt, dass dieses Gefühl der Entschleun­igung zwei Wochen nach seiner Rückkehr schon wieder verschwund­en war, liegt in seinen blauen Augen eine tiefe Ruhe, fernab von Stress und Hektik.

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Foto: Marcus Merk Als Zahnarzt konnte Dr. Peter Wunderer aus Fischach in vielen Teilen der Welt viel Gutes bewirken.

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