Der Spatz von Avignon wird heute 70
Die Sängerin Mireille Mathieu ist nicht nur für ihren süßen Akzent bekannt, sondern auch für ihre vermeintlich ewig gleiche Frisur. Geheimnisse verriet sie erst spät
Wenn man an Mireille Mathieu denkt, fällt einem spontan eine zierliche, kleine Sängerin mit einem ungeheuren Tremolo in der Stimme ein. Aber gleich danach erscheint ihre Frisur, ein ewig gleicher dunkler Pagenkopf, der an einen Helm erinnert, vor dem geistigen Auge. Doch an dieser Stelle trügt das Gedächtnis. Wie die Bild am Sonntag jüngst in einer Fotoserie dokumentierte, wechselte die Französin ihre Haartracht häufiger als allgemein angenommen. 1967 trug sie beispielsweise einen Vorläufer einer New-Wave-Welle auf dem Kopf. Später orientierte sie sich mal an Carolin Reiber, mal an Montserrat Caballé oder Michael Jackson.
Irgendwann aber trug der „Spatz von Avignon“, wie sie auch genannt wird, das „Gefieder“wieder als Bob mit Pony. Seit mehr als 40 Jahren zwitschert Madame Mathieu inzwischen schon ihre Lieder, trägt kirschroten Guerlain-Lippenstift und sagt „Dankeschön“mit strahlendem Lächeln und süßem Akzent. Mit Stücken wie „Pariser Tango“und „Akropolis Adieu“eroberte sie die Herzen der Zuhörer. Heute feiert sie ihren 70. Geburtstag. Mathieu singt auf Deutsch, auf Französisch und Englisch, auf Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Okzitanisch, Russisch, Finnisch, Japanisch und sogar auf Chinesisch über die Liebe. 190 Millionen Schallplatten hat sie so verkauft. Selbst hat sie ihr Herz aber nur selten verloren. „Es waren zwar durchaus Männer in meinem Leben. Aber ich habe keine große Liebe erlebt“, gestand sie. Verehrer habe sie stets aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Lange Zeit hat die nur 1,53 Meter kleine Sängerin über ihr Privatleben geschwiegen. Das sei ihr „jardin secret“, ihr Geheimnis, pflegte sie auf entsprechende Fragen stets zu antworten. In den vergangenen Jahren hat sie dann doch ein wenig geplaudert. Und es ist wie so oft bei bekannten Künstlern: Hinter der strahlenden Fassade der großen Karriere lebt man oft in einer Art Schattenzone. „Ich musste nur noch funktionieren. Der Wechsel vom umjubelten Star auf der Bühne zur Privatperson, um die sich keiner kümmert, hat mich immer sehr traurig gemacht. Mit dieser Leere kam ich nicht zurecht. Ich denke, so etwas nennt man Burnout“, erzählte sie in einem Gespräch mit der Freizeit Revue.
Dabei hatte sie es aus ärmlichen Verhältnissen zum Weltstar geschafft. Ihr Vater war Friedhofssteinmetz und konnte seine 14 Kinder nicht alleine durchbringen. Deswegen musste Mireille die Schule ohne Abschluss verlassen und mit der Arbeit in einer Konservenfabrik etwas hinzuverdienen. Dann ging es allerdings katapultartig nach oben. 1964 nahm sie an einem Gesangswettbewerb teil, heute nennt man das Casting. Zwar gewann sie nicht, doch lernte sie zwei Musikmanager kennen. Schon ihre erste Single „Mon credo“verkaufte sich 1,7 Millionen Mal. Der Rest ist Schlagergeschichte. Josef Karg