Schafft er die Wende bei der Deutschen Bank?
Filialen schließen, der Aktienkurs rutschte auf ein Rekordtief. Der Sanierer John Cryan ist über ein Jahr im Amt. Was Experten dem Manager zutrauen
Augsburg Im Januar, als sich Deutsche-Bank-Chef John Cryan den Fragen der Journalisten stellte, bemühte er sich, Zuversicht zu verbreiten. Das fiel nicht leicht angesichts eines Rekordverlusts von 6,8 Milliarden Euro im Jahr 2015. Und doch vermittelte Cryan, dass es von nun an aufwärts gehe: „Wir können ein Licht am Ende des Tunnels sehen.“Ein halbes Jahr später stellt sich die Frage, ob die Zuversicht angebracht ist. Cryan ist über ein Jahr im Amt. Doch der Aktienkurs des Kreditinstituts fiel im Juli auf ein Tief von unter zwölf Euro. Was ist los mit der Deutschen Bank?
Sicher, die Lage für Banken ist schwierig. Angesichts der Nullzinspolitik der EZB lässt sich schwer Geld verdienen. Dazu kommen bei der Deutschen Bank eigene Probleme: In der Zeit vor und nach der Finanzkrise haben Geld-Akrobaten stärker gezockt als bei anderen Instituten – teilweise frei von Moral. Einige Altlasten stammen noch aus der Zeit des Ex-Chefs Josef Ackermann, andere aus der Ära des Nachfolge-Duos Anshu Jain und Jürgen Fitschen.
Cryan kam als Sanierer. Er packte die Aufgabe schnell an. Die Bank verkleinert das Investmentbanking, trennte sich von einer Tochter in China. Der große Verlust im Jahr 2015 ist überwiegend auf das Großreinemachen in den Büchern zurückzuführen. Bundesweit werden zudem 188 Filialen geschlossen, in unserer Region ist der Standort Dillingen betroffen. „Strategie 2020“nennt die Bank ihre Reformen. Wenn all diese Schritte zwar bitter, aber richtig sind, müsste es dann nicht aufwärtsgehen?
Nein, denn was passiert, reiche nicht, meint der Rechtsanwalt und Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Klaus Nieding, der im Namen vieler Aktionäre seit Jahren auf den Hauptversammlungen spricht. „Der Deutschen Bank fehlen Visionen, wie sie wieder Geld verdienen will.“Am niedrigen Aktienkurs könne man ablesen, dass dem Kapitalmarkt das Vertrauen in die Strategie Klaus Nieding, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
fehlt. Bisher setze die Deutsche Bank aber vor allem auf Kostensenkung. „Das alles sind aber nur Kurzfristeffekte“, mahnt Nieding. „Dringend nötig ist es, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die die Konkurrenz nicht besetzt hat.“Wo ist das möglich?
Die Deutsche Bank habe sich von einigen Bereichen „vorschnell“getrennt, sagt Nieding. Sie sei nicht mehr so breit aufgestellt wie früher. Der Experte denkt zum Beispiel an das früher stärkere Geschäft mit Anleihen. „Cryan ist ein guter Sanierer und damit zur Zeit der richtige Mann“, meint er. Es mangele aber an einem Vordenker, der erklärt, wo die Bank in fünf Jahren steht. „Der Bank fehlt ein Alfred Herrhausen“, lautet seine These. Dieser fällte in den 80er Jahren eine Reihe grundlegender Entscheidungen.
Heute kleben die Rechtsstreitigkeiten wie Kletten an dem Institut. Ist ein Streit beigelegt, kommt ein neuer dazu – zuletzt ging es um Geldwäsche in Russland. Nieding zufolge sind bei der Deutschen Bank rund 6000 Verfahren mit einem Streitwert von jeweils mindestens 100000 Euro anhängig. MilliardenRückstellungen und Prozesskosten verhageln der Bank seit Jahren die Bilanz. „Ich sehe nicht, dass dies alles bald erledigt ist“, sagt Nieding.
Als Befreiungsschlag stellte das Institut den Verkauf der Postbank dar. Doch dieser stockt. „Einen heißen Verkaufsprozess sehe ich nicht“, beobachtet Nieding. Anscheinend findet die Deutsche Bank keinen Käufer, der das Erwartete zahlt. Bleibt ein Verkauf über die Börse. Dort ist das Klima für Bankaktien aber nicht gut.
Wird die Abtrennung der Postbank also abgeblasen? Das Manager Magazin spekuliert, ob das Institut nicht doch wieder in den Konzern integriert wird. Und die Deutsche Bank selbst prüft einen weiteren Umbau. Ziel sei es, den Konzern zu vereinfachen, sagte gestern eine Sprecherin. Das Projekt mit dem Namen „Jade“laufe schon länger. Medienberichten zufolge ist eine Aufspaltung denkbar.
Umstritten sind auch die Filialschließungen. Der Deutsche Bankangestellten-Verband vertritt die Interessen der Arbeitnehmer. „Keine der jetzt schließenden Filialen ist defizitär und schreibt rote Zahlen“, sagt Sprecher Oliver Popp. Er kennt die Herausforderungen der Niedrigzinsphase und der sinkenden Kundenbesuche. „Doch dass die Bank ohne Not Filialen absägt, können wir nicht bis ins Letzte verstehen“, kritisiert er. „Die Mitarbeiter legen sich ins Zeug, erwirtschaften Erträge, machen Überstunden.“Solange eine Filiale schwarze Zahlen schreibt, sei sie ein Baustein des Geschäfts. Man sollte sie nicht schließen. „Auch wenn die Deutsche Bank Entlassungen vermeiden will, herrscht Unruhe“, sagt Popp.
Im Konzern werden viele Stellen neu ausgeschrieben, die Mitarbeiter müssen sich auf bestehende Stellen neu bewerben. Die Gewerkschaft sieht ihre Aufgabe nun darin, „dass kein Kollege unter die Räder kommt“. Sein Rat an Beschäftigte: Nichts vorschnell unterschreiben, „bittet Euch Bedenkzeit aus und nehmt einen Betriebsrat mit zum Gespräch“.
Wohin steuert das Institut? Cryan und sein Team haben bald Gelegenheit, das darzulegen. Ende Juli legt die Bank neue Zahlen vor. Dann wird es auch Hinweise geben, ob dort Licht ist am Ende des Tunnels.
„Der Deutschen Bank fehlen Visionen.“