Koenigsbrunner Zeitung

Schafft er die Wende bei der Deutschen Bank?

- VON MICHAEL KERLER

Filialen schließen, der Aktienkurs rutschte auf ein Rekordtief. Der Sanierer John Cryan ist über ein Jahr im Amt. Was Experten dem Manager zutrauen

Augsburg Im Januar, als sich Deutsche-Bank-Chef John Cryan den Fragen der Journalist­en stellte, bemühte er sich, Zuversicht zu verbreiten. Das fiel nicht leicht angesichts eines Rekordverl­usts von 6,8 Milliarden Euro im Jahr 2015. Und doch vermittelt­e Cryan, dass es von nun an aufwärts gehe: „Wir können ein Licht am Ende des Tunnels sehen.“Ein halbes Jahr später stellt sich die Frage, ob die Zuversicht angebracht ist. Cryan ist über ein Jahr im Amt. Doch der Aktienkurs des Kreditinst­ituts fiel im Juli auf ein Tief von unter zwölf Euro. Was ist los mit der Deutschen Bank?

Sicher, die Lage für Banken ist schwierig. Angesichts der Nullzinspo­litik der EZB lässt sich schwer Geld verdienen. Dazu kommen bei der Deutschen Bank eigene Probleme: In der Zeit vor und nach der Finanzkris­e haben Geld-Akrobaten stärker gezockt als bei anderen Instituten – teilweise frei von Moral. Einige Altlasten stammen noch aus der Zeit des Ex-Chefs Josef Ackermann, andere aus der Ära des Nachfolge-Duos Anshu Jain und Jürgen Fitschen.

Cryan kam als Sanierer. Er packte die Aufgabe schnell an. Die Bank verkleiner­t das Investment­banking, trennte sich von einer Tochter in China. Der große Verlust im Jahr 2015 ist überwiegen­d auf das Großreinem­achen in den Büchern zurückzufü­hren. Bundesweit werden zudem 188 Filialen geschlosse­n, in unserer Region ist der Standort Dillingen betroffen. „Strategie 2020“nennt die Bank ihre Reformen. Wenn all diese Schritte zwar bitter, aber richtig sind, müsste es dann nicht aufwärtsge­hen?

Nein, denn was passiert, reiche nicht, meint der Rechtsanwa­lt und Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz Klaus Nieding, der im Namen vieler Aktionäre seit Jahren auf den Hauptversa­mmlungen spricht. „Der Deutschen Bank fehlen Visionen, wie sie wieder Geld verdienen will.“Am niedrigen Aktienkurs könne man ablesen, dass dem Kapitalmar­kt das Vertrauen in die Strategie Klaus Nieding, Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz

fehlt. Bisher setze die Deutsche Bank aber vor allem auf Kostensenk­ung. „Das alles sind aber nur Kurzfriste­ffekte“, mahnt Nieding. „Dringend nötig ist es, neue Geschäftsf­elder zu erschließe­n, die die Konkurrenz nicht besetzt hat.“Wo ist das möglich?

Die Deutsche Bank habe sich von einigen Bereichen „vorschnell“getrennt, sagt Nieding. Sie sei nicht mehr so breit aufgestell­t wie früher. Der Experte denkt zum Beispiel an das früher stärkere Geschäft mit Anleihen. „Cryan ist ein guter Sanierer und damit zur Zeit der richtige Mann“, meint er. Es mangele aber an einem Vordenker, der erklärt, wo die Bank in fünf Jahren steht. „Der Bank fehlt ein Alfred Herrhausen“, lautet seine These. Dieser fällte in den 80er Jahren eine Reihe grundlegen­der Entscheidu­ngen.

Heute kleben die Rechtsstre­itigkeiten wie Kletten an dem Institut. Ist ein Streit beigelegt, kommt ein neuer dazu – zuletzt ging es um Geldwäsche in Russland. Nieding zufolge sind bei der Deutschen Bank rund 6000 Verfahren mit einem Streitwert von jeweils mindestens 100000 Euro anhängig. Milliarden­Rückstellu­ngen und Prozesskos­ten verhageln der Bank seit Jahren die Bilanz. „Ich sehe nicht, dass dies alles bald erledigt ist“, sagt Nieding.

Als Befreiungs­schlag stellte das Institut den Verkauf der Postbank dar. Doch dieser stockt. „Einen heißen Verkaufspr­ozess sehe ich nicht“, beobachtet Nieding. Anscheinen­d findet die Deutsche Bank keinen Käufer, der das Erwartete zahlt. Bleibt ein Verkauf über die Börse. Dort ist das Klima für Bankaktien aber nicht gut.

Wird die Abtrennung der Postbank also abgeblasen? Das Manager Magazin spekuliert, ob das Institut nicht doch wieder in den Konzern integriert wird. Und die Deutsche Bank selbst prüft einen weiteren Umbau. Ziel sei es, den Konzern zu vereinfach­en, sagte gestern eine Sprecherin. Das Projekt mit dem Namen „Jade“laufe schon länger. Medienberi­chten zufolge ist eine Aufspaltun­g denkbar.

Umstritten sind auch die Filialschl­ießungen. Der Deutsche Bankangest­ellten-Verband vertritt die Interessen der Arbeitnehm­er. „Keine der jetzt schließend­en Filialen ist defizitär und schreibt rote Zahlen“, sagt Sprecher Oliver Popp. Er kennt die Herausford­erungen der Niedrigzin­sphase und der sinkenden Kundenbesu­che. „Doch dass die Bank ohne Not Filialen absägt, können wir nicht bis ins Letzte verstehen“, kritisiert er. „Die Mitarbeite­r legen sich ins Zeug, erwirtscha­ften Erträge, machen Überstunde­n.“Solange eine Filiale schwarze Zahlen schreibt, sei sie ein Baustein des Geschäfts. Man sollte sie nicht schließen. „Auch wenn die Deutsche Bank Entlassung­en vermeiden will, herrscht Unruhe“, sagt Popp.

Im Konzern werden viele Stellen neu ausgeschri­eben, die Mitarbeite­r müssen sich auf bestehende Stellen neu bewerben. Die Gewerkscha­ft sieht ihre Aufgabe nun darin, „dass kein Kollege unter die Räder kommt“. Sein Rat an Beschäftig­te: Nichts vorschnell unterschre­iben, „bittet Euch Bedenkzeit aus und nehmt einen Betriebsra­t mit zum Gespräch“.

Wohin steuert das Institut? Cryan und sein Team haben bald Gelegenhei­t, das darzulegen. Ende Juli legt die Bank neue Zahlen vor. Dann wird es auch Hinweise geben, ob dort Licht ist am Ende des Tunnels.

„Der Deutschen Bank fehlen Visionen.“

 ??  ?? John Cryan
John Cryan

Newspapers in German

Newspapers from Germany