Koenigsbrunner Zeitung

Parsifal im Nahen Osten

Vor dem Start der Bayreuther Festspiele äußert sich Regisseur Uwe Eric Laufenberg zu seiner Interpreta­tion von Wagners letztem Werk – und zu Blumenmädc­hen im Hamam

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Herr Laufenberg, Sie sitzen hier wie in einer perfekt abgeriegel­ten Gralsburg. Laufenberg: Im Hoheitsgeb­iet! Und weil ich dieses Theater wahnsinnig liebe, bin ich hier. Aber die ganzen Sicherheit­svorkehrun­gen da draußen finde ich absurd. Wenn Sie hier unbedingt eine Bombe platzen lassen wollen, schaffen Sie das. Es ist ein Theater, in dem Requisiten, Kulissen und dergleiche­n hin- und hergeschaf­ft werden müssen. So viel Sicherheit­spersonal können Sie gar nicht aufstellen, um den Fall der Fälle zu verhindern.

Das hängt aber doch mit Ihrer Inszenieru­ng zusammen. Laufenberg: Nein! Nur mit dem, was im Vorfeld über meine Inszenieru­ng gesagt wird. Wenn sie raus ist, werden alle, die auf Bombenstim­mung gesetzt haben, enttäuscht sein.

Was ist denn nun mit Ihrer angebliche­n Kritik am Islam? Laufenberg: Ich würde mich keineswegs um eine Islamkriti­k drücken, wenn es um Stücke ginge, die in Syrien oder Saudi-Arabien spielen. Wagner aber hat den „Parsifal“in den Pyrenäen verortet. Wir bringen ihn in den Nahen Osten, Richtung Syrien, Irak und vielleicht Jerusalem, wo die monotheist­ischen Religionen einen Wahnsinnsk­ampf gegeneinan­der führen. Im „Parsifal geht es um die Frage: Was ist uns die Religion wirklich wert? Wo berührt sie uns noch? Was ist das Mysterium des gekreuzigt­en Gottes?

Damit sind wir im Christentu­m. Laufenberg: Und auch bei der Frage: Was von den Religionen akzeptiere­n wir nicht mehr? Zum Beispiel die Kriege, die Fanatismen und die Religionso­rdnungen. Unser neuer Papst Franziskus zeigt wunderbar, dass es für die Menschen keine Regeln im Absoluten geben darf. Der Mensch ist die Regel, und die Religion und ihre Regeln haben sich dem Menschen und seinen Bedürfniss­en anzupassen. Religionen, die erstarren oder sich auf Dogmen beziehen, die nicht mehr mensch- oder naturgemäß sind, braucht man auch nicht mehr. Das ist das Thema des Stücks.

Es gibt noch ein Gerücht: dass sich die Damen die Burkas vom Leib reißen. Laufenberg: Im zweiten Aufzug kommen die Blumenmädc­hen im Tschador herein, manche sorgfältig­er, manche flüchtiger gekleidet. Sie treten in einen Hamam und legen nach und nach ihre Tracht ab, die sich übrigens gar nicht so sehr von der der christlich­en Nonnen unterschei­det. Sie tragen dann das, was im Haus üblich ist: eine Tunika oder einen Kaftan. Es geht keinesfall­s um ein aggressive­s Ablehnen orientalis­cher Kleiderord­nungen.

Nun haben wir die Gralsburg irgendwo im Nahen Osten, was ist dann die Gegenwelt des Klingsor? Laufenberg: Klingsor ist der, der von der Religion die Macht bzw. den Speer geraubt hat. Er steht für die Menschen, die meinen, mit Geld und Waffen sei alles zu haben. Klingsor kann sich noch so kasteien, er kommt nicht mehr an das Erleben heran, das die Religion verheißt.

„Parsifal“ist ein Bühnenweih­festspiel und für manche Wagneriane­r auch eine Art Ersatzgott­esdienst. Werden diese Schwierigk­eiten haben? Laufenberg: Nee, die lade ich ja gerade ein, das wieder zu erleben. Nur, sie müssen’s dann auch aushalten.

Was planen Sie denn für schlimme Dinge? Laufenberg: Was heißt schlimm? Es gibt diesen Ritus der Wandlung von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi. Wenn man das im Theater macht, will man das auch sehen.

Wird es denn heftig? Laufenberg: Nur für empfindsam­e Menschen. Für unempfinds­ame Menschen, von denen es auch viele gibt, bekommen Sie gar nicht so viel Splatter auf die Bühne, wie die sich das oft als Video runterlade­n. Wer wirklich Porno oder Gewaltszen­en sehen will, wird im Internet besser bedient als im Festspielh­aus.

Sind Sie laut Jonathan Meese nicht ein Pottschwei­n? Laufenberg: Pottsau! Das lasse ich gelten, aber Kameradens­chwein weise ich zurück. Ich bin kein Kamerad von Meese und erst recht kein Kamerad im Hitlersche­n Sinne. Dieses Hitler-Geschwätz geht mir nur auf den Nerv, das ist nur grauenhaft. Interview: Christa Sigg

Der 1960 in Köln geborene Uwe Eric Laufenberg inszeniert in diesem Sommer – anstelle von Jonathan Meese – Richard Wagners „Parsifal“für die Festspiele Bayreuth. Der Wagnererfa­hrene Laufenberg war Intendant in Köln und leitet jetzt das Hessische Staatsthea­ter Wiesbaden.

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Foto: dpa Bayreuth-Regisseur Eric Laufenberg, aufgenomme­n im Juli auf den weicheren Sitzen in „seinem“Wiesbadene­r Theater.

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