Koenigsbrunner Zeitung

Wallenstei­n lagert wieder in der Stadt

- VON VERENA KAULFERSCH

Zum zehnten Mal spielen die Memminger ein Kapitel ihrer Geschichte

Memmingen Alle Jahre wieder „jucken“Memminger Männer am Fischertag zum Ausfischen in den Stadtbach. Alle fünf Jahre gibt’s dazu am Sonntag Umzüge zu wechselnde­n Themen: Bis in die 1970er Jahre ist das so Tradition. Doch etwas soll sich ändern, als der große Fischertag 1980 ansteht: Diesmal wollen die Verantwort­lichen vom Fischertag­sverein etwas „Wiederkehr­endes“ins Leben rufen. Es ist die Geburtsstu­nde der Wallenstei­nSpiele, eines der größten Historienf­este Europas. Heuer finden sie zum zehnten Mal statt – ab Sonntag, 24. bis 31. Juli.

Helmut Scheufele, damals Vorsitzend­er des Vereins, war ein Teilnehmer des Treffens, das den Anstoß zu Wallenstei­n gab: „Man wollte weg von den Wegwerf-Fischertag­en.“Denn nach nur einem Einsatz hatten die aufwendig gestaltete­n Umzugswage­n ausgedient. Also war ein Dauer-Thema gefragt: „Es standen der Bauernkrie­g oder Wallenstei­n zur Debatte.“Sie ging zugunsten des Feldherrn aus, der während des Dreißigjäh­rigen Krieges vom 30. Mai bis 22. Oktober 1630 mit Truppen in der Stadt lagerte und regierte.

So stand der Verein 1979 vor einer Herausford­erung: Denn fast aus dem Nichts musste alles erschaffen werden. Eine Reihe von Personen habe damals Herausrage­ndes geleistet, erinnern sich Scheufele, heute Ehrenvorsi­tzender, Ernst Kräß, langjährig­es Mitglied, und Uschi Hirschmeie­r, dritte Vorsitzend­e: Da ist etwa die Schneiderm­eisterin, unter deren Anleitung die Kostüme entstanden, da ist der Modehaus-Inhaber, der Stoffe beschaffte, und in Erinnerung sind Handwerker wie der Schlosserm­eister, der Waffen und Werkzeug fertigte, oder der Angestellt­e einer Baumaschin­enfirma, der sich die Herstellun­g der Rüstungen aus Kunststoff selbst beibrachte.

Bei den Vorbereitu­ngen waren ganze Firmen dabei, Gruppen aus Sportverei­nen folgten laut Hirschmeie­r teils fast geschlosse­n dem Aufruf, als Akteure mitzuwirke­n. Die Fäden liefen bei Hermann Pfeifer zusammen. Der Inhaber einer Firma für Seil- und Hebetechni­k übernahm die Organisati­on – ein Amt, das er bis zu seinem Tod ausübte. „Er hat seine Firma von der Sekretärin bis zum Werkmeiste­r eingespann­t“, erzählt Scheufele.

Gestern wie heute wird angestrebt, die Zeit authentisc­h darzustell­en – egal ob es um die Frisur geht oder um ein Kostüm, das der Verein stellt. Unveränder­t ist noch etwas – und das seit 1572, lange bevor Wallenstei­n kam: Am Samstag jagen die Männer im Stadtbach wieder nach der schwersten Forelle – 2015 waren es mehr als 1200.

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Foto: Ernst Kräß Eine Szene aus den Wallenstei­n-Spielen im Jahr 1980.

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