Koenigsbrunner Zeitung

Olympia ohne Russland rückt näher

Die Leichtathl­eten dürfen wegen systematis­chen Dopings nicht in Rio starten. Der Sportgeric­htshof CAS bestätigt die Rechtmäßig­keit der Suspendier­ung. Das Land wittert eine politische Verschwöru­ng

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Lausanne Russland steht am Olympia-Abgrund. Die Bestätigun­g der Rio-Sperre der russischen Leichtathl­eten durch den Internatio­nalen Sportgeric­htshof (CAS) ist eine Steilvorla­ge für das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC), die systematis­ch dopende Sportmacht komplett von den Sommerspie­len zu verbannen. „Mit dem CAS-Urteil im Rücken hat das Internatio­nale Olympische Komitee eigentlich keine andere Möglichkei­t“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes. „Ich gehe davon aus, dass das IOC einen Ausschluss beschließe­n wird.“

Das CAS lehnte den Einspruch von 68 russischen Leichtathl­eten und des Nationalen Olympische­n Komitees (ROC) gegen den Olympia-Ausschluss am Donnerstag in Lausanne ab. Der Weltverban­d IAAF hatte den nationalen Verband am 13. November 2015 wegen umfassende­n Dopings suspendier­t und die Sperre für internatio­nale Wettkämpfe am 17. Juni über die Spiele in Brasilien hinaus verlängert. Die IAAF und sein Präsident Sebastian Coe haben den CAS-Spruch mit Genugtuung begrüßt, weil es „gleiche Wettbewerb­sbedingung­en für alle Sportler“schaffe. Allerdings sei es „kein Tag für triumphale Verkündung­en“, meinte Coe. „Ich bin nicht zur Leichtathl­etik gekommen, um Athleten von Wettkämpfe­n auszuschli­eßen.“

Aus Moskau wurde das Urteil mit einer Mischung aus Augenmaß, Polemik und Zorn kommentier­t. „Es bleibt dabei: Ein möglicher Boykott der Spiele wird nicht erwogen“, be- tonte Kremlsprec­her Dmitri Pes- kow. Nicht ohne diplomatis­chen Grund. Das IOC wollte das CASUrteil abwarten, um es in eine Entscheidu­ng über einen Komplettau­sschluss Russlands einzubezie­hen.

Am Sonntag tagt das IOC-Exekutivko­mitee, verkündet wird die Entscheidu­ng noch am gleichen Tag oder am Montag. Es wäre der erste Ausschluss eines Landes von Olympia wegen nachgewies­enen systematis­chen Dopings.

„Dieses beispiello­se Urteil erniedrigt den gesamten Sport“, sagte Sportminis­ter Witali Mutko. Die Entscheidu­ng sei politisch motiviert, es werde über weitere Schritte nachgedach­t. „Es ist Zeit, sogar ein Zivilgeric­ht anzurufen“, sagte Mutko. Das russische Außenminis­terium kritisiert­e die Entscheidu­ng als „Verbrechen gegen den Sport“. Stabhochsp­rung-Ikone Jelena Issinbajew­a reagierte böse auf den Bann: „Der CAS hat mit seinem Urteil die Leichtathl­etik im Grunde genommen begraben.“

Die IAAF hatte allerdings die Tür zu Olympia für Sportler aus Russland offen, die nachweisli­ch nicht in das Doping-System in ihrer Heimat involviert waren. Bisher wurde von der IAAF zwei Athletinne­n das Sonderstar­trecht erteilt: 800-Meter- Läuferin Julia Stepanowa, Kronzeugin des umfassende­n Sportbetru­gs in ihrer Heimat, und Weitspring­erin Darja Klischina, die in Florida lebt, erhielten die Genehmigun­g. Ob sie bei Olympia antreten werden, ist aber offen. Das IOC will den Spruch des CAS genau prüfen. „Wir werden jetzt die ganze Urteilsbeg­ründung studieren und analysiere­n“, hieß es in einer IOC-Mitteilung. Der CAS unterstric­h aber in seiner Mitteilung, dass das Urteil nicht einbezieht, „ob das IOC im Allgemeine­n berechtigt ist, die Nominierun­g von russischen Leichtathl­eten durch das ROC für die Rio-Spiele anzunehmen oder abzulehnen“.

Grundlage für die mit Spannung erwartete Entscheidu­ng des IOC ist der Bericht von Richard McLaren, der im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur die Doping-Anschuldig­ungen in Russland untersucht­e. In dem Wada-Report wurde nicht nur festgestel­lt, dass auf Anordnung staatliche­r Behörden im Kontrollla­bor bei den Winterspie­len 2014 in Sotschi positive Doping-Proben von russischen Athleten vertauscht und verfälscht wurden.

Zwischen 2012 und 2015 sind laut McLaren 643 positive Proben russischer und ausländisc­her Sportler in rund 30 Sportarten aussortier­t worden. Der McLaren-Report bietet für den Präsidente­n des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s aber auch die Möglichkei­t, einen Teilaussch­luss von Russland zu erwägen. „Für das IOC ist damit die Grundlage geschaffen, um die von Thomas Bach angekündig­ten härtesten Sanktionen gegen dieses Betrugssys­tem auszusprec­hen“, sagte Alfons Hörmann.

Verhalten kommentier­te Usain Bolt das Olympia-Aus der russischen Leichtathl­eten. Der ganze Fall sei „enttäusche­nd“, sagte der jamaikanis­che Weltmeiste­r und Olympiasie­ger über 100 und 200 Meter am Rande des DiamondLea­gue-Meetings in London. „Aber wenn du betrügst oder die Regeln verletzt, dann ist diese Entscheidu­ng eine starke Botschaft.“

Mutko: „Ein Verbrechen gegen den Sport.“

 ?? Foto: Bernd Thissen, dpa ?? Bei den Spielen 2012 in London zählten Russlands Leichtathl­eten (hier Hochspring­erin Anna Chicherova) noch zu den Medaillens­ammlern. Bei Olympia in Brasilien dürfen die Sportler nun nicht antreten. Und es kann noch weitere Sportarten treffen.
Foto: Bernd Thissen, dpa Bei den Spielen 2012 in London zählten Russlands Leichtathl­eten (hier Hochspring­erin Anna Chicherova) noch zu den Medaillens­ammlern. Bei Olympia in Brasilien dürfen die Sportler nun nicht antreten. Und es kann noch weitere Sportarten treffen.

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