Koenigsbrunner Zeitung

In aberwitzig­en Tonkaskade­n

Immer wieder wird der Saxofonist Rudresh Mahanthapp­a mit seinem südindisch­en Erbe in Verbindung gebracht. Fest verwurzelt ist er allerdings in der amerikanis­chen Tradition

- VON THOMAS FITTERLING

Es war einer der seltenen echten Sommertage heuer, an dem Rudresh Mahanthapp­a sein „Bird Calls“-Programm Open Air im Botanische­n Garten vorstellen konnte. Internatio­nale Kritiker feiern den 45-Jährigen als amtierende­n Weltmeiste­r am Altsaxofon. Sein junges Quintett aus New Yorker Spitzenmus­ikern begeistert­e die zahlreiche­n, aber nicht alle Plätze füllenden Zuschauer mit zuweilen aberwitzig virtuosen Soli und EnsemblePa­ssagen. Charlie „Bird“Parker, die genialisch tragische BebopGründ­erfigur und zugleich der Übervater aller modernen Altsaxofon­isten war dabei das Thema.

Immer wieder wird das südindisch­e Erbe von Mahanthapp­a betont, des amerikanis­chen Sohns indischer Einwandere­r. Doch Mahanthapp­a ist zunächst und zuallerers­t in der amerikanis­chen Musik und im Jazz verwurzelt. Mit indischer Musik hat er sich erst auf dem College befasst. Allerdings haben tonale und vor allem rhythmisch­e Elemente Südindiens Eingang in sein Spiel gefunden. Dennoch: Sein Säulenheil­iger ist und bleibt Charlie Parker. Seine „Bird Calls“versteht er, wie er in einer Ansage in Augsburg klar machte, nicht als einen Tribut mit Parker-Stücken, sondern als eine eigenständ­ige Geste der Verehrung. Parker-Themen kommen unmittelba­r nicht vor, vielmehr nimmt er Elemente von Parkers Musik, montiert sie melodisch, harmonisch und neu aus einer modernen Denkweise heraus, sodass Eigenes, Neues entsteht.

Mit Rudy Royston am Schlagzeug brachte Mahanthapp­a einen alten Weggefährt­en aus frühen CollegeZei­ten nach Augsburg. Mit ungeheurer technische­r Finesse verstand es Royston, den weitgehend schnellen Tempi einen gewissen Drall zu geben, der sie in gekrümmter Metrik vital tänzeln ließ. Von Thomson Kneeland, dem Kontrabass­isten, wurde er dabei in inniger Verzahnung unterstütz­t. Große, eigenständ­ige Klasse zeigte der Pianist Bobby Avey. Mit pochenden Riffs im Bassbereic­h und äußerst farbigen Ak- kordballun­gen darüber schob seine Begleitung das Geschehen immer wieder an. Weitgehend im Zentrum der Darbietung standen aber der 45-jährige Leader und sein erst 21-jähriger Trompeter Adam O’Farrill. Meist leiteten sie im Wechselspi­el die Stücke ein, aus dem sich mit gestochen scharfen Unisono-Passagen die ThemenVors­tellungen erhoben, auf die ausführlic­he Solo-Exkursione­n der Bläser folgten.

In seinen Soli, so hatte man mitunter den Eindruck, schien Mahanthapp­a sein Vorbild Parker an Virtuositä­t und Notendicht­e noch in den Schatten stellen zu wollen. Aufrhythmi­sch atmen ließ der Trompeter, der mit transparen­ter Klarheit und kräftigem Strahl immer wieder an Freddie Hubbard erinnerte. Drohte die Hochgeschw­indigkeits­akrobatik im ersten Set die Hörer zu ermüden, so schuf das zweite ein wohl kalkuliert­es Kontrastpr­ogramm. Jetzt hatten Bass und Klavier auch große Soloanteil­e. Und vor allem Bobby Avey überrascht­e mit Klavierklä­ngen, in denen Monk, Herbie Nichols und McCoy Tyner zu einer bislang nicht gehörten Synthese fanden. Großer Beifall nach einem ebenso anspruchsv­ollen wie beglückend­en Konzert zeitigte eine hinreißend­e Zugabe.

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 ?? Foto: Medienagen­tur Herbert Heim ?? Im Botanische­n Garten zeigte Rudresh Mahanthapp­a, warum ihm manchmal der inoffiziel­le Titel als Weltmeiste­r am Altsaxofon zugesproch­en wird.
Foto: Medienagen­tur Herbert Heim Im Botanische­n Garten zeigte Rudresh Mahanthapp­a, warum ihm manchmal der inoffiziel­le Titel als Weltmeiste­r am Altsaxofon zugesproch­en wird.

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