Warum die Fahrradnacht richtig war
Rund 3500 Radler sind am Samstagabend rund um die Innenstadt gefahren. Sie hatten viel Freude, doch einigen Autofahrern verging der Spaß. Trotzdem braucht es eine Wiederholung
Ein Geständnis: Ich gehörte zu den rund 3500 Radfahrern, die am Samstag gut gelaunt eine Runde um die Augsburger Innenstadt gedreht haben. Ja, ich habe hin und wieder auch geklingelt und Lärm verursacht. Ja, ich war mit schuld an Staus und Ärger aufseiten der Autofahrer. Das aber war nie meine Absicht. Und ja, ich bin dafür, dass 2017 wieder geradelt wird. Warum?
Die Fahrradnacht war ein längst überfälliges Zeichen. Wer sich wie Augsburg den Titel Fahrradstadt verpasst, der muss auch etwas tun dafür. Die Fahrradnacht war endlich ein sichtbares Signal, das nicht nur eingefleischte Radler gesehen haben: Ja, wir sind bereit, etwas zu ändern. Ja, wir sind bereit, zwei, drei Stunden die gewaltige Vormacht des Autos zu unterbrechen. An 365 Tagen und 21 Stunden im (Schalt-)Jahr steht das nämlich außer Frage. Dann gibt das Auto den Ton an. Daher halte ich die Fahrradnacht schon einmal für vertretbar. Eines sage ich aber auch: Wenn sich einige Autofahrer regelrecht in „Geiselhaft“genommen gefühlt haben, weil sich ein sieben Kilometer langer Radlerzug um die Innenstadt legte, war das weder Absicht noch notwendig.
Es war wohl eher der große Erfolg, der den Zug so in die Länge zog. Wenn es nächstes Jahr eine noch schönere Radlstrecke gibt, die zugleich den Autofahrern den Weg in die Stadt lässt, gerne. Das Zeichen funktioniert auch so: Die Stadt will im Verkehr etwas ändern. Gut so. Klar ist aber auch: Nach diesem Signal muss die Stadt auch liefern. Die Fahrradstadt muss angepackt werden – sichtbar. Was schon geschieht, ist schön. Wer schon radelt, weiß Verbesserungen zu schätzen. Doch wer die Masse erreichen will, muss klotzen und auch einmal überraschende Projekte angehen, die das Gefühl hinterlassen: Ups, die meinen es ernst. Die Radlnacht war ein Anfang – und das nicht nur aus Sicht der Radler.
Die Veranstaltung hat nämlich nach langer Zeit einmal wieder einen Stoppunkt im Verkehr gesetzt. Sie zeigte, wie sehr wir vom Auto abhängig sind. Und die Frage ist: Wollen wir das eigentlich? Oder ist es einfach selbstverständlich, dass sich der Lebensraum Stadt nach dem Autoverkehr richtet?
Es ist selbstverständlich, dass Autos die Straßen fahrend und abgestellt prägen. Dass selbst kleine Wohnstraßen gesäumt sind von abgestelltem Blech. Dass an den Samstagen vor Weihnachten der Verkehr in der Innenstadt steht, weil es gilt, Geschenke zu kaufen. Es ist selbstverständlich, dass Autos Lärm machen dürfen und Anwohner darunter leiden. Und wenn an einer Straße das Tempo von 60 auf 50 reduziert wird – Lärmschutz – hagelt es sofort Kritik aus der Wirtschaft. Es ist normal, dass Au- tos Abgase in die Luft blasen, die vor allem in der Innenstadt die Luft belasten, die die Anwohner atmen; das kann krank machen. Vom Klimawandel ganz zu schweigen. Und es ist auch selbstverständlich, dass Radfahrer und Fußgänger in die zweite Reihe hinter dem Auto treten. Das kann man natürlich machen. Doch wollen wir das eigentlich? Ist das noch eine bewusste Entscheidung?
Nach einer Studie der Technischen Universität Dresden verursacht jedes Auto im Jahr im Schnitt rund 2100 Euro Zusatzkosten durch Unfälle, Abgase und Lärm. Das wären für Augsburg (etwa 125000 Autos) rund 260 Millionen Euro. Zieht man die Steuern ab, die Autofahrer bezahlen, aber nicht direkt fürs Auto verwendet werden (was man laut Studie nicht sollte), bleibt immer noch mehr als die Hälfte an Kosten. Das Geld wird von allen aufgebracht – Autofahrern, Fußgängern, Tramnutzern und Radlern. Und nun?
Nehmen wir die Radlnacht als Denkanstoß. In Zukunft wird es nicht genügen, eine Stadt möglichst autogerecht zu halten. Alle müssen ihren Platz haben. Das beginnt bei den Menschen, die dort leben und geht hin bis zu denen, die sich dort bewegen. Das ist natürlich das Auto, das sind aber auch Nahverkehr, Fußgänger und Radler. Die Radlnacht war die klare Botschaft, sich darüber Gedanken zu machen. Wer sich dieses Jahr darüber geärgert hat, der sei für das nächste schon mal eingeladen: Es war ein schöner Abend und die Chance, die Stadt entspannt aus einem ganz anderen Blickwinkel zu erleben.
Wem gehört eigentlich die Stadt?