Koenigsbrunner Zeitung

Die Gerichtstr­adition ist beendet

Auflösung Beim Umzug des Amtsgerich­t stehen sicherheit­srelevante Aspekte im Vordergrun­d. Und viel Wehmut

- VON MATTHIAS SCHALLA

Das Amtsgerich­t Schwabmünc­hen befindet sich ab dem morgigen Mittwoch nach 175 Jahren endgültig in Augsburg. »Lokales

Schwabmünc­hen Leere Büros, ausgeräumt­e Aktenschrä­nke, viele Aufkleber an den Möbeln mit dem Vermerk „Kann bleiben“oder „Kommt weg“und jede Menge Wehmut bei den Mitarbeite­rn: Ab heute ist die Gerichtstr­adition, die seit 1842 in Schwabmünc­hen bestand, endgültig beendet. Das ehemalige Amtsgerich­t Schwabmünc­hen aus der Fuggerstra­ße 62 befindet sich ab morgen in Augsburg Am Alten Einlaß. Und während so mancher Mitarbeite­r mit einer Träne im Knopfloch seinen Schreibtis­ch leer räumt, dürfte Rechtspfle­geoberinsp­ektor Philip Wörle ein großer Stein vom Herzen fallen. Denn der Umzug eines Amtsgerich­ts ist mit einem normalen Wohnungswe­chsel nicht zu vergleiche­n.

„Die größte Herausford­erung für die Geschäftsl­eitung mit dem Präsidente­n des Amtsgerich­ts, Dr. Bernt Münzenberg, an der Spitze sowie Geschäftsl­eiter Johann Mair, ist der nahtlose Übergang“, sagt Wörle. Bei ihm laufen die Fäden des Umzugs zusammen. „Nahtloser Übergang“bedeutet, dass die Mitarbeite­r, die heute noch in der Fuggerstra­ße sit- zen, ab morgen in Augsburg ihre Arbeit sofort aufnehmen können. 15 komplette EDV-Arbeitsplä­tze sind davon betroffen. Dazu ist eine Teamleistu­ng der ganzen Verwaltung­sabteilung des Amtsgerich­ts notwendig. Allein das Archiv, das ins Staatsarch­iv verlagert wird, hat ein Volumen von 40 Kubikmeter­n. Doch trotz des immensen Aufwands: „Der Geschäftsb­etrieb darf nicht beeinträch­tigt werden“, betont Wörle.

Eine weitere Herausford­erung für das Mammutproj­ekt ist natürlich der Sicherheit­saspekt. Alle Akten müssen unter ständiger Aufsicht bleiben, besonders sensible Unterlagen werden eigens verplombt. Schwerpunk­t des gestrigen Umzugstags war vor allem der Transport der Akten. „Hier muss gewährleis­tet sein, dass auch während der Fahrt nach Augsburg kein Einblick von Unbefugten genommen werden kann“, sagt Wörle. Doch nicht alles aus dem 1300 Quadratmet­er großen Gebäude wandert ab nach Augsburg. „Ein Teil des Mobiliars wurde zum Verkauf angeboten“, sagt Wörle.

So kann sich beispielsw­eise die Münchner Bereitscha­ftspolizei unter anderem künftig in der ehemaligen Küche des Amtsgerich­ts ihr Süpp- kochen. Auch ein Teil der Stühle wandert in die Landeshaup­tstadt ab. Doch für den Großteil der 40 Jahre alten Inneneinri­chtung gibt es keine Verwendung mehr. Rund 130 Kubikmeter müssen laut Wörle entsorgt werden und wandern in der kommenden Woche in die Müllcontai­ner.

Mit viel Wehmut betrachtet­e gestern Justizv er wal tungs inspektor Ländle das emsige Treiben in dem Gebäude, dass erst vor gut drei Jahren für rund 1,2 Millionen Euro thermisch, technisch und optisch saniert wurde. Ländle arbeitete seit 1975 – mit kleinen Unterbrech­ungen – in der Fuggerstra­ße. Und nicht nur für das „Urgestein“, wie er sich selbst nennt, geht eine Ära zu Ende. „Über so viele Jahre waren wir ein gut funktionie­rendes Gericht“, sagt er. Soeben noch habe er einen Anruf wegen einer Erbsache von einer betagten Seniorin aus den Stauden bekommen. Doch Inspektor Ländle musste ihr mitteilen, dass die Schwabmünc­hner Telefonnum­mer ab morgen keine Gültigkeit mehr hat. „Sie war fassungslo­s“, sagt er. Vor allem für ältere Menschen sei der Weg nach Augsburg „eine Weltreise“.

Auch Zweigstell­enleiter Franz Geist-Schell trauert der Zeit in Schwabmünc­hen schon jetzt ein wenig nach. „Das Gericht hatte eine so lange Geschichte in Schwabmünc­hen“, sagt er. Jeder habe jeden gekannt. „Da hängt bei manchem ein Stück Leben dran“, sagt er. „Es ist ein schönes Gebäude in einer schönen Stadt. Das werde ich vermissen.“In Schwabmünc­hen bleibt lediglich die Bewährungs­hilfe mit fünf Mitarbeite­rn bestehen. Und ein weiteres „Urgestein“wird voraussich­tlich ebenfalls bleiben: Justizsich­erheitssek­retär Helmut Knöpfle, der seit 28 Jahren seinen Dienst in der Fuggerstra­ße versieht.

Knöpfle obliegt die Verantwort­ung, das Gebäude nicht nur weiterhin zu verwalten, sondern auch Ansprechpa­rtner für die Nachmieter zu sein. Wie berichtet wird künftig ein IT-Schulungsz­entrum für Bayerische Justizmita­rbeiter dort seine Arbeit aufnehmen. Nach der Auflösung der Zweigstell­e werden in Schwabmünc­hen lediglich Rechtspfle­geramtstag­e stattfinde­n. Jeden ersten und dritten Montag im Monat sind Rechtspfle­ger von 8 bis 11.30 Uhr im Vorraum des Sitzungssa­als im Rathaus vor Ort. Der erste Amtstag ist am Montag, 20. Februar. Die Amtschen tage stehen den Bürgern insbesonde­re für Beratungsh­ilfe bei geringem Einkommen und als Rechtsantr­agsstelle in Zivil- und Zwangs-vollstreck­ungss-achen zur Verfügung.

 ??  ?? Aus und vorbei. Justizsich­erheitssek­retär Helmut Knöpfle schließt das Amtsgerich­t ab. Manuela Klinke, Justizverw­altungsins­pektorin, räumt die Akten aus und Rechtspfle­geoberinsp­ektor Philip Wörle (rechts) hat beim Umzug nicht nur die Fäden in der Hand.
Aus und vorbei. Justizsich­erheitssek­retär Helmut Knöpfle schließt das Amtsgerich­t ab. Manuela Klinke, Justizverw­altungsins­pektorin, räumt die Akten aus und Rechtspfle­geoberinsp­ektor Philip Wörle (rechts) hat beim Umzug nicht nur die Fäden in der Hand.
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Fotos: Matthias Schalla
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