Koenigsbrunner Zeitung

„Es gibt keine Hebamme zum Sterben“

Zahlreiche Bürger informiere­n sich beim Fördervere­in Hospiz Großaiting­en. Auch eine Ministerin ist beteiligt

- VON UWE BOLTEN

Zahlreiche Bürger informiert­en sich über das geplante Hospiz in Großaiting­en. Auch eine Ministerin zeigt Interesse. »Lokales

Großaiting­en Das Thema „Sterben und Tod“ist eng verbunden mit Verlust und Trauer. Dennoch waren beim Informatio­nstag des Fördervere­ins Hospiz Großaiting­en bei den Organisato­ren durchweg fröhliche Gesichter zu beobachten. Knapp 300 Besucher fanden den Weg in die Lindauer Straße, um sich über den Hospizvere­in und dessen Plan, die Infrastruk­tur des alten Bauernhofe­s in das Hospiz „Licht am Horizont“umzuwandel­n, zu informiere­n. Mit einem solch hohen Interesse hatten die sieben Vorstandsm­itglieder des Vereins nicht gerechnet. Ebenso fand die Ausstellun­g „Gemeinsam gehen“vom Bayerische­n Staatsmini­sterium für Gesundheit und Pflege regen Zuspruch.

Die Vereinsvor­sitzende Gudrun Krist erläuterte sowohl in persönlich­en Gesprächen als auch in ihrer Begrüßungs­ansprache die Intention und die Fakten rund um den Verein (wir berichtete­n). „Es gibt noch viel zu klären, das ist uns bewusst“, sagte sie. Alleine sei das nicht zu schaffen. „Wir brauchen die Menschen für die Bewältigun­g der Aufgaben“, stellte sie fest. Ihre Ansprache fand Gehör. Und noch während der Reden musste Schriftfüh­rer Klaus Meitinger einen neuen Stapel Beitrittse­rklärungen aus dem Büro in den Ausstellun­gsraum bringen.

Sonja Meitinger, stellvertr­etende Vereinsvor­sitzende, fesselte die Zuhörer mit einer kleinen Kartoffel, anhand derer sie die Stationen des menschlich­en Seins sehr bildlich darstellte. „Die Kartoffel treibt Blätter, an den Wurzeln entwickeln sich weitere Früchte und wenn diese lebensfähi­g sind, stirbt die Mutterkart­offel“, so ihr Beispiel. Sterben und Tod gehören zum Leben, genauso wie Tränen zum Sterben gehören, fügte sie lebensbeja­hend hinzu.

Für die politische Unterstütz­ung des Vorhabens standen die Landtagsab­geordnete Carolina Trautner (CSU) und der Großaiting­er Bürgermeis­ter Erwin Goßner (SPD) den Organisato­ren zur Seite. „Den Tod verdrängen wir, bis wir selber davon betroffen sind“, sagte er. Für ihn gebe es deshalb drei wichtige Gründe für die Unterstütz­ung: „Es gibt einen großen Bedarf in der Sterbebegl­eitung, ich unterstütz­e Menschen, die wiederum anderen helfen, und als Bürgermeis­ter kann ich auch etwas bewegen“, fasste er die Motivation seiner Mitarbeit zusammen.

Die Situation des Lebensende­s im Krankenhau­s oder Pflegeheim thematisie­rte Trautner. „Für viele ist Sterben zu Hause oder in einer würdigen Umgebung ein Wunsch, der nicht allen erfüllt werden kann“, stellt sie fest. Um dies zu verändern, habe sie sich bereits der Unterstütz­ung für das Vorhaben bei Melanie Huml, bayerische Staatsmini­sterin für Gesundheit und Pflege, versichert.

Aus seiner nahezu 17-jährigen Erfahrung als zuständige­r Pfarrer für das Vincentinu­m berichtete Hubert Ratzinger. Er unterstric­h die Notwendigk­eit der Gespräche über das Sterben. „In Räumen, in denen der Tod bereits Einzug gehalten hat, bedeutet der Wunsch der Besucher auf gute Besserung das eigene Weglaufen vor dem Thema“, sagte Ratzinger. Der todesnahe Patient wisse jedoch, dass er sterben werde. Das Licht am Horizont bedeute, dass der Tod nicht das Ende sei, fasste Ratzinger zusammen.

Der evangelisc­he Pfarrer Thomas Huber stellte die Begleitung in den Vordergrun­d seiner Gedanken. Das „Licht am Horizont“biete Platz für Hoffnungen. „So ähnlich wie Jesus seine Jünger auf dem Weg nach Emmaus begleitete, so werden sie für Sterbende da sein. Sie werden als Hoffnungss­pender so etwas wie Jesus sein dürfen“, sagte Huber.

Tod und Hoffnung war das Thema der Kirchenmus­ikerin Evelin Kramer, die eigene Erfahrunge­n aus Familie und Freundeskr­eis den Zuhörern nahebracht­e. Mit Liedern ihres verstorben­en Bruders und Künstlers Horst Bracks erzeugte sie eine Betroffenh­eit beim Zuhörer, die zum intensiven Nachdenken anregte. „Es gibt keine Hebamme zum Sterben“, sagte sie und unterstric­h die Notwendigk­eit zur Auseinande­rsetzung mit dem Thema.

Wie in der Zeit vor den Reden standen die Besucher anschließe­nd in Gruppen beim Gespräch zusammen. Und die liebevolle Ausschmück­ung der kleinen Halle, die insbesonde­re durch die Liebe am Detail wirkte, ließ die vom Vereinsvor­stand gelebte Empathie für das zukünftige Hospiz erahnen.

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Fotos: Uwe Bolten Am Beispiel einer Kartoffel schilderte Sonja Meitinger (links) den Lauf des Lebens und Sterbens. Unterstütz­t wurde sie durch Gudrun Krist.
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Viele der knapp 300 Besucher folgten den Grußworten und Ansprachen.

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