Koenigsbrunner Zeitung

Wie sieht Gersthofen­s Zukunft aus?

Muss eine Villa aus den 1920er-Jahren einem Millionenp­rojekt weichen? Über die Goldene Mitte können die Bürger seit 10. Januar abstimmen. Wie viele das schon getan haben, bleibt geheim. In einer Woche sind dann alle dran

- VON GERALD LINDNER UND CHRISTOPH FREY

Gersthofen Gersthofen­s größtes Geheimnis lagert in einem Büro im Rathaus. Der Raum ist verschloss­en, nur zwei Menschen haben einen Schlüssel. In dem Zimmer befinden sich die bisher abgegebene­n Stimmzette­l für den Bürgerents­cheid über die Zukunft der Strasser-Villa im Herzen der Stadt. Darf das Gebäude zugunsten des Wohn- und Geschäftsk­omplexes Goldene Mitte abgerissen werden? So lautet im Kern die Frage, über die die Gersthofer bereits seit 10. Januar abstimmen können. Wie viele das bereits getan haben, darüber schweigt sich die Stadtverwa­ltung aus. Zu der Geheimnisk­rämerei bei der Wahlbeteil­igung hat sich die Stadt aufgrund eines neuartigen Wahlverfah­rens entschloss­en, das erst dreimal in Bayern angewandt worden ist. Die Bürger bekamen gleich mit der Wahlbenach­richtigung die Briefwahlu­nterlagen mit ins Haus geschickt und müssen diese nicht erst eigens anfordern. Das soll für eine höhere Wahlbeteil­igung sorgen.

Doch nicht nur das Wahlverfah­ren sorgte für Aufsehen. Zu den weiteren Zutaten dieses Gersthofer Bürgerents­cheids gehören Ermittlung­en der Kriminalpo­lizei, eine geplatzte Podiumsdis­kussion und – so manchem Augsburger dürfte das bekannt vorkommen – eine reichlich vertrackte Fragestell­ung.

Das Thema selbst ist in Gersthofen hinreichen­d bekannt. Wieder geht es um die Bebauung des sogenannte­n Lochs – eines knapp 7000 Quadratmet­er großen leeren Grundstück­s in der Innenstadt. Die Brache allein ist dem Dasinger Geschäftsm­ann Peter Pletschach­er nicht genug. Er will auch noch die angrenzend­e Strasser-Villa erwerben und abreißen, um anschließe­nd die Vision von der Goldenen Mitte zu verwirklic­hen: Ein Wohn- und Geschäftsk­omplex, der zusammen mit Rathaus, Stadthalle und dem Einkaufsze­ntrum City-Center auf der anderen Straßensei­te die neue Stadtmitte darstellt. Investitio­nssumme: bis zu 40 Millionen Euro.

Mit einem ähnlichen Vorhaben ist Pletschach­er schon einmal gescheiter­t: 2011 wollte er für ein damals Forum genanntes Einkaufsze­ntrum die Strasser-Villa haben. Doch das nicht denkmalges­chützte Gebäude aus den 1920er-Jahren, das für viele aus dem Stadtbild nicht wegzudenke­n ist, wurde mit einer spektakulä­ren Aktion gerettet. Die Bürgerinit­iative (BI) „Werte erhalten, Neues gestalten“sammelte gut 3000 Unterschri­ften, unter deren Eindruck der Stadtrat zurückrude­rte.

Vergangene­n Sommer kehrte Pletschach­er mit überarbeit­eten Plänen zurück und gewann nach langen Verhandlun­gen die Mehrheit des inzwischen neu gewählten Stadtrates dafür. Und die blieb diesmal standhaft, als wieder Unterschri­ften gesammelt wurden. Wie es der parteilose Bürgermeis­ter Michael Wörle versproche­n hatte, soll ein Bürgerents­cheid die Entscheidu­ng bringen. Wörle selbst hat sich für Pletschach­ers Pläne ausgesproc­hen. Die Gruppierun­gen, die den Bürgermeis­ter normalerwe­ise stützen, sind gespalten.

Doch in diesem Wahlkampf spielen die Stadtpolit­iker ohnehin nicht die erste Geige. Um Zustimmung

werben vornehmlic­h der Investor Pletschach­er und seine Gegenspiel­er von der BI. Ihre Plakate prägen das Stadtbild, an Samstagen stehen sie nur ein paar Schritte voneinande­r entfernt. Im Kirnerhaus erläutern Pletschach­er oder sein Architekt Klaus Kehrbaum ihre Pläne für die Goldene Mitte, auf dem Rathauspla­tz stehen die Vertreter der BI.

Deren prominente­ster Kopf ist der frühere Bürgermeis­ter Siegfried Deffner und der sorgt – wie zu seinen Zeiten als Rathausche­f – für markige Töne, welche die Stimmung anheizen. Weil Pletschach­er angekündig­t hat, im Falle einer Niederlage das Loch weiter unbebaut zu lassen, wirft ihm Deffner „Erpressung“vor. Gersthofen­s Stadtratsm­ehrheit ist in den Augen des ExBürgerme­isters zu schwach, um dem Geschäftsm­ann Paroli zu bieten. Die Stadträte würden nach der Pfeife eines auswärtige­n Investors tanzen.

Dass alle Seiten derzeit öffentlich übereinand­er und nicht miteinande­r reden, liegt auch an der BI. Sie weigerte sich, an einer öffentlich­en Podiumsdis­kussion teilzunehm­en, falls Pletschach­er dort seine Pläne hätte erläutern dürfen. Daraufhin sagte unsere Zeitung die von ihr geplante Veranstalt­ung ab.

Am Rande der Auseinande­rsetzung spielt auch noch die Polizei mit. Sie ermittelt wegen eines Briefs, der – gespickt mit Beschimpfu­ngen und Drohungen – dem Dasinger Unternehme­r ins Haus flatterte. Pletschach­er schaltete Strafverte­idiger Werner Rubach und die Polizei ein. Ob die Fahnder den Verfasser finden, ist offen.

Sicher ist dagegen, wann Gersthofen­s größtes Geheimnis gelüftet wird. Am Sonntag, 12. Februar, öffnen zwei Wahllokale. Am Abend wird ausgezählt. »Kommentar

„Wahlkampf“mit Drohungen und Beschimpfu­ngen

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Fotos: Marcus Merk So ähnlich könnte die Goldene Mitte aussehen, die im Herzen Gersthofen­s entstehen soll – falls der Bürgerents­cheid das zulässt. Allerdings sind die Entwürfe des Architekte­n Klaus Kehrbaum noch keine fertige Planung – es kann also Änderungen geben.
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Um ihre Rettung geht es: die Strasser Villa.

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