Auf keinem schlechten Weg
Stadtgesellschaft
Wenn über 60 Prozent der kleinen Kinder Migrationshintergrund haben, dann mag mancher Alteingesessener erschrocken fragen: Wo bleiben wir eigentlich? Die Frage ist mit einer Gegenfrage zu beantworten: Wer ist „wir“? Die Stadtgesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert und wird sich weiter ändern.
Knapp 45 Prozent der Einwohner, darunter auch der Verfasser dieser Zeilen, haben ausländische Wurzeln. Man kann nicht so tun, als wären sie eine Minderheit, wie man es vielleicht vor 30 Jahren getan hat. „Wir“und „die“ist ein Denkmuster, das im Menschen angelegt ist, aber das in irrationaler Auslegung schon oft auf den Holzweg geführt hat. In Augsburg als Stadt des Religionsfriedens muss das besonders deutlich sein. Katholisch und evangelisch war vor Jahrhunderten eine Trennungslinie, heute hat die Konfession kaum Bedeutung mehr im alltäglichen Leben.
Die Frage ist, ob es zwischen Zuwanderern und Alteingesessenen eine solche Trennungslinie gibt. Irgendwie schon, wie Studien zu rassistischen Vorurteilen in der Bevölkerung belegen. Bei Facebook zeigt mancher sein wahres Gesicht. Im Alltag aber funktioniert das Miteinander sehr gut.
Die Kenngröße „Migrationshintergrund“ist mäßig aussagekräftig. Über den Grad der Integration – das eigentlich interessante Thema – sagt sie nichts aus. Jemand mit Migrationshintergrund kann das Vorschulkind sein, das wie seine Eltern kein Deutsch spricht, obwohl diese schon lange hier leben. Es kann aber auch der Kundenbetreuer bei der Bank oder der Arzt sein, der hier geboren ist und türkische oder russlanddeutsche Eltern hat.
Es ist nicht wegzudiskutieren, dass diese Entwicklung Probleme und Herausforderungen mit sich bringt, die sich räumlich über die Stadtteile unterschiedlich verteilen. Manche Viertel haben ein soziales Problem, wie das Sozialmonitoring deutlich zeigt. Man muss sie beherzt angehen, und Augsburg ist dabei auf keinem schlechten Weg.