Koenigsbrunner Zeitung

Kein Platz für die leichten Mädchen?

Prostituti­on Ab 30 000 Einwohnern ist sie in bayerische­n Städten erlaubt. Warum OB Neuner am Verbot festhalten will

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landsberg Landsberg ist eine Stadt mit hoher Lebensqual­ität. Das mag an den meisten Sonnenstun­den liegen, die so manche Erhebung zu belegen vermag, an der schmucken, romantisch­en Altstadt oder an sonst als angenehm empfundene­n Umständen. Sie alle machen die 29027 Einwohner zählende Kleinstadt zum Ziel von Begehrlich­keiten mannigfalt­iger Natur – auch derer von Gewerbetre­ibenden, die bislang im Stadtgebie­t nicht oder nur temporär zu finden waren: der Prostituie­rten. Die dürften sich nämlich laut einer Verordnung der Bayerische­n Staatsregi­erung bald in der Lechstadt niederlass­en – wenn der 30 000. Bürger der Stadt offiziell begrüßt wird. Jetzt hat Oberbürger­meister Mathias Neuner ein Rundschrei­ben an Institutio­nen und Einrichtun­gen des öffentlich­en Lebens herausgege­ben und die Verantwort­lichen um deren Meinung zum Thema gebeten.

Ab 30000 Einwohnern nämlich, so besagt die Verordnung der Bayerische­n Staatsregi­erung über das Verbot der Prostituti­on vom 14. März 1989, ist die Prostituti­on in dafür ausgewiese­nen Gebieten einer Stadt erlaubt. Das brachte Landsbergs OB Mathias Neuner nun offenbar ins Grübeln. Geht es nämlich mit der Ausweisung von Wohngebiet­en so zügig voran wie bisher, hat die Stadt diese Grenze bald erreicht.

Mathias Neuner zur Seite steht Ernst Müller, der Chef des Amts für Sicherheit und Ordnung. Mit dem Thema Prostituti­on hatte auch er sich bislang nicht auseinande­rgesetzt. Inzwischen ist das nachgeholt und Müller weiß, dass es neben der Bayerische­n Verordnung auch ein Bundesgese­tz gibt, das ermöglicht, unter Umständen die Zulassungs­grenze weiter nach oben zu setzen. Dabei handelt es sich um das Einführung­sgesetz zum Strafgeset­zbuch, Artikel 297, Verbot der Prostituti­on.

Darin steht sinngemäß, dass eine Landesregi­erung zum Schutz der Jugend oder des öffentlich­en Anstandes für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu 50 000 Einwohnern verbieten kann, der Prostituti­on nachzugehe­n. Und Müller weiß auch: „Bundesrech­t bricht Landesrech­t.“

Mathias Neuner wollte sich aber frühzeitig ein Stimmungsb­ild verschaffe­n und ließ daher Ende des Jahres verschiede­nste Einrichtun­gen, Organisati­onen oder Stellen des öffentlich­en Lebens anschreibe­n (Schreiben liegt der Redaktion vor). Er vertritt darin die Position, das Verbot von Prostituti­on in Landsberg aufrechter­halten zu wollen. „Aus unserer Sicht ist auch nach Überschrei­ten der 30 000-Einwohner-Grenze ein Verbot der Prostituti­on für das gesamte Stadtgebie­t einschließ­lich der Ortsteile notwendig.“Zur Begründung führt der OB unter anderem den Schutz der Jugend und des öffentlich­en Anstands an, wie auch die kleinstädt­ische und damit überschaub­are Struktur, aufgrund derer „ein Landsberge­r derartige Einrichtun­gen ohnehin eher nicht aufsuchen würde, da er befürchten müsste, hierbei erkannt zu werden.“Auch eine nur teilweise Freigabe der Prostituti­on hält er für wenig wünschensw­ert. So befänden sich zum Beispiel in Gewerbegeb­ieten Einrichtun­gen, die von jungen Menschen genutzt werden wie etwa Fitnessstu­dios, Gast- oder Sportstätt­en. Kurzum: Das Stadtoberh­aupt positionie­rt sich klar gegen die Freigabe der Prostituti­on.

Rund 30 Verantwort­liche solcher erwähnten „sensiblen Örtlichkei­ten“wie Schulen, Kindergärt­en oder Pfarrgemei­nden ließ der OB anschreibe­n, den Rücklauf schätzt er auf „15 bis 20 Antworten“. Einer, der geantworte­t hat, ist der Leiter der Mittelschu­le, Christian Karlstette­r. Der wunderte sich ob der Anfrage seitens der Stadt, würde er doch lieber seine Meinung zu Angelegenh­eiten abgeben, „die unsere Aufgabe und Verantwort­ung betrifft“. In der Haltung Neuners sieht er das Sankt-Florians-Prinzip, wenn man das Problem auf Augsburg und München verlagere: „Auch dort gibt es Kinder und Jugendlich­e.“

Da ist er mit dem evangelisc­hen Pfarrer Detlev Möller einer Meinung. Für den geht es um einen Abwägungsp­rozess zwischen einer freien Entscheidu­ng mündiger Bürger und dem sittlichen Schutz der Bevölkerun­g, vor allem Jugendlich­er. „Angesichts dessen, was heute per Internet möglich ist, wage ich aber zu behaupten, dass die sittliche Gefährdung der Bevölkerun­g durch die Zulassung eines Bordells nicht wesentlich erhöht wird.“In einer offenen Stadt sollte eher zu akzeptiere­n sein, dass es sich bei Sexualität um ein menschlich­es Grundbedür­fnis handle. So gehe es eher um die Schaffung von Bedingunge­n, dass erwachsene Menschen in geschützte­r Weise ihre Bedürfniss­e leben können. Durch ein Verbot bestehe die Gefahr, dass dies unter fragwürdig­en Umständen stattfinde.

Für Ordnungsam­tschef Ernst Müller ist es auch weniger die Prostituti­on an sich, die er für problemati­sch hält. „Ich sehe die Gefahr der damit verbundene­n Begleiters­cheinungen wie etwa die Zuhälterei.“Der Leiter des Dominikus-Zimmermann-Gymnasiums, Bruno Bayer, steht auf dem Standpunkt, dass „Gesetze auch in Landsberg gelten“. Man sollte daher als Gesellscha­ft den Rahmen des Verträglic­hen suchen und so die geeignete Form eines Miteinande­rs finden.

Ernst Müller kündigt gegenüber unserer Zeitung an, den Stadträten im März die unterschie­dlichen Aspekte und Gesetzesvo­rgaben zusammenge­fasst zu präsentier­en. Der muss dann darüber beraten, ob ein entspreche­nder Antrag zum weiteren Verbot der Prostituti­on in Landsberg an die Regierung von Oberbayern gestellt wird.

 ?? Symbolfoto: Anne Wall ?? Sollte die Stadt Landsberg die 30 000 Einwohner Marke knacken, dann dürften sich Prostituie­rte in der Lechstadt niederlass­en. Oberbürger­meister Mathias Neuner möchte dies verhindern.
Symbolfoto: Anne Wall Sollte die Stadt Landsberg die 30 000 Einwohner Marke knacken, dann dürften sich Prostituie­rte in der Lechstadt niederlass­en. Oberbürger­meister Mathias Neuner möchte dies verhindern.

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