Wenn Gerümpel zu leuchten beginnt
Die Installationen von Franziskus Wendels haben zwei Gesichter – je nachdem, ob das Licht an ist oder aus. Vor allem im Dunkeln haben diese Arbeiten etwas Magisches
Ein Schalter hat zwei Zustände: an und aus, Strom und kein Strom, Licht und kein Licht. Dieses Prinzip hat der Künstler Franziskus Wendels zum Kern seiner Werkserie „Switch“gemacht. Und sie heißt „Switch“, was so viel wie Schalter oder schalten bedeutet.
Im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst in Augsburg hat Wendels, der 2008 einmal im Augsburger Kunstverein seine Arbeiten ausgestellt hat, in den drei Kabinetträumen verschiedene Installationen geschaffen, die ihr Aussehen komplett verändern, wenn der Lichtschalter auf „An“oder „Aus“gestellt wird. Eine Zeitschaltuhr erledigt das für die Besucher.
Dem Betrachter öffnet sich erst einmal ein Raum, in dem Gerümpel versammelt ist. Man könnte meinen, ein Keller wird gerade ausgeräumt: Skier, ein Staubsauger, Bret- ter, ein Lattenrost, Umzugskisten, ein Katzenkorb, ein Teppichklopfer. So, mit den Neonlampen ausgeleuchtet, wirkt diese Ansammlung von Dingen beliebig.
Schaltet sich das Licht aus, setzt die Verwandlung ein. Aus dem kompletten Dunklen taucht innerhalb von Sekunden – das Auge muss sich erst daran gewöhnen – das Nachtbild einer Großstadt auf. Eine Straßenschlucht, der vielspurige Verkehr, Hochhäuser an den Seiten. Man spürt förmlich, wie das Leben dort pulsiert. Wo davor Leere war, wo der Mensch gefehlt hat, der all die Dinge einmal benutzt hat, ist er nun plötzlich da, fährt er im Auto nach Haus, sitzt er im Hochhaus noch in seinem Büro und verfolgt auf dem Bildschirm die Börsenkurse aus einem fernen Land.
Diese Verwandlung der Installation hat etwas Magisches, vor allem weil das Fehlen von Licht erst das Leben und die höhere Ordnung sichtbar machen. Da findet eine Umkehrung statt.
Den Effekt des Nachtleuchtens erzeugt Wendels (Jahrgang 1960) mit einer speziellen, fluoreszierenden Farbe. Überraschend ist es, wenn sich aus einem alten Fenstervorhang plötzlich ein Haus zeigt, das vielleicht auch ein Schiffsrumpf sein könnte, so genau weiß man es nicht. Einen Raum weiter ist es eine Wäscheleine samt Wäsche, die sich nachts in eine Meeresoberfläche verwandelt, auf der ein Kreuzer gerade unterwegs ist. Vor allem die große, raumgreifende Installation dort – wieder aus Dingen, die eher dem Keller oder Sperrmüll zugeordnet sind – hat ihren Reiz: Wieder ist es ein Großstadtpanorama, das sich im Dunkeln auftut. Straßenschluchten, ein Häusermeer, der Verkehr. Und der Betrachter erschließt sich diesen Raum, in dem er sich bewegt.
Und man ahnt schon auch, dass es nicht nur ein Witz, ein künstlerischer Spaß ist, der das eine mit dem anderen verbindet, sondern dass es durchaus auch gedankliche Linien gibt. So einfach es ist, die Ordnung einer Stadt mit ihren Häusern, Straßen und Grünflächen von oben zu begreifen, so schwierig ist es, zwischen den Dingen des Alltags, verstrickt im Alltäglichen, den größeren Plan und die Strukturen zu entdecken. Erst einmal ist diese Ausstellung in den drei Kabinetträumen des H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast eine sinnliche Erfahrung, die Franziskus Wendels den Museumsbesucher bereitet.
OLaufzeit der Ausstellung „Switch“von Franziskus Wendels ist bis zum 23. April. Die Öffnungszeiten im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst sind von Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr. Zur Ausstellung ist der Katalog „Switch“erschienen; er ist 82 Seiten stark und kos tet 19,50 Euro.