Gundremmingens langer Schatten
Sechs Jahre nach dem Unglück von Fukushima sind im Augsburger Land die Katastrophenschutzpläne angepasst
Landkreis Augsburg Als im Jahr 2008 in Zusmarshausen die Ausgabe und Verteilung von Jodtabletten geübt wurde, schien ein Unglück nur schwer vorstellbar. Doch dann kam Fukushima. Seit dem Reaktorunglück in Japan vor sechs Jahren hat sich viel geändert – auch die Katastrophenschutzpläne für den Fall eines Unfalls im Kernkraftwerk im schwäbischen Gundremmingen wurden überarbeitet. Doch wie sähe der Fall des Falles im Landkreis Augsburg aus, wo man nicht nur die Dampfschwaden des Kraftwerkes sieht, sondern ganz schnell auch von einem Unglück direkt betroffen wäre?
Experten sind sich einig: Was wirklich passieren würde, ist kaum zu kalkulieren. Konkret geprobt werden könnten nur einzelne Schritte.
Zuletzt wurde Ende 2015 bei Zusmarshausen die Entnahme von Bodenproben geübt – vieles lässt sich dagegen allenfalls theoretisch durchspielen. Allein aus der sogenannten Mittelzone, das ist ein Bereich von 20 Kliometern rund um das Kernkraftwerk, müssten innerhalb von 24 Stunden mehr als 150 000 Menschen fliehen.
Rund drei Viertel würden sich nach Schätzungen der Behörden in ihren Autos auf den Weg machen, die anderen müssten mit Bussen und der Bahn geholt werden und an Sammelplätzen in den Gemeinden zusammenkommen. Zudem gibt es eine Außenzone (100-KilometerRadius). Für sie gibt es laut Auskunft des Augsburger Landratsamtes keine zeitlichen Fristen für eine Evakuierung. Was in diesem Bereich empfohlen wird, hänge von der zu erwartenden Belastung durch radioaktive Stoffe ab.
Zuständig für die Einsatzleitung wäre die Regierung von Schwaben, die Arbeit vor Ort müssten Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste machen. Doch wären diese Helfer überhaupt verfügbar? Das bayerische Innenministerium stellt schon mal klar: „Es ist nicht beabsichtigt, Zwangsmaßnahmen einzusetzen, um Einsatzkräfte zum Tätigwerden bei einem kerntechnischen Unfall zu zwingen.“
So steht es in den „Informationen zum Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen“, die das Ministerium herausgegeben hat und auf die auch das Landratsamt als Leitfaden verweist. Darin ist unter anderem geregelt, dass die Menschen in einem Umkreis von 25 Kilometer (siehe Grafik) mit Sirenentönen gewarnt werden müssten.
Zusätzlich sollen die Feuerwehren mit Lautsprecherwagen durch die Orte fahren. Die sogenannten Katastrophenschutzsirenen werden zweimal im Jahr getestet. Mitte April werden wieder in den meisten Orten des Augsburger Landes die Sirenen heulen – allerdings nicht nur wegen der Nähe zum Kernkraftwerk im Nachbarlandkreis Günzburg. Ein weiterer Grund können chemische Betriebe am Ort sein – in Gersthofen zum Beispiel die Firmen im dortigen Industriepark.
Umstritten ist die Verteilung von Kaliumjodidtabletten, wie sie auch im Landkreis Augsburg in großen Mengen lagern. Über den genauen Lagerort will das Landratsamt aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen. Im Ernstfall sollen die Tabletten zu Feuerwehrhäusern und Apotheken gebracht und dort an die Menschen verteilt werden.
Dieses Vorgehen sei „inakzeptabel“, schimpft die ÖDP-Kreisrätin Gabi Olbrich-Krakowitzer in einem Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Hermann. Zumindest in jedem Rathaus müsse ein Vorrat angelegt werden, damit die Menschen im Notfall schnell an die Tabletten kommen.