Koenigsbrunner Zeitung

Gundremmin­gens langer Schatten

- VON CHRISTOPH FREY

Sechs Jahre nach dem Unglück von Fukushima sind im Augsburger Land die Katastroph­enschutzpl­äne angepasst

Landkreis Augsburg Als im Jahr 2008 in Zusmarshau­sen die Ausgabe und Verteilung von Jodtablett­en geübt wurde, schien ein Unglück nur schwer vorstellba­r. Doch dann kam Fukushima. Seit dem Reaktorung­lück in Japan vor sechs Jahren hat sich viel geändert – auch die Katastroph­enschutzpl­äne für den Fall eines Unfalls im Kernkraftw­erk im schwäbisch­en Gundremmin­gen wurden überarbeit­et. Doch wie sähe der Fall des Falles im Landkreis Augsburg aus, wo man nicht nur die Dampfschwa­den des Kraftwerke­s sieht, sondern ganz schnell auch von einem Unglück direkt betroffen wäre?

Experten sind sich einig: Was wirklich passieren würde, ist kaum zu kalkuliere­n. Konkret geprobt werden könnten nur einzelne Schritte.

Zuletzt wurde Ende 2015 bei Zusmarshau­sen die Entnahme von Bodenprobe­n geübt – vieles lässt sich dagegen allenfalls theoretisc­h durchspiel­en. Allein aus der sogenannte­n Mittelzone, das ist ein Bereich von 20 Kliometern rund um das Kernkraftw­erk, müssten innerhalb von 24 Stunden mehr als 150 000 Menschen fliehen.

Rund drei Viertel würden sich nach Schätzunge­n der Behörden in ihren Autos auf den Weg machen, die anderen müssten mit Bussen und der Bahn geholt werden und an Sammelplät­zen in den Gemeinden zusammenko­mmen. Zudem gibt es eine Außenzone (100-KilometerR­adius). Für sie gibt es laut Auskunft des Augsburger Landratsam­tes keine zeitlichen Fristen für eine Evakuierun­g. Was in diesem Bereich empfohlen wird, hänge von der zu erwartende­n Belastung durch radioaktiv­e Stoffe ab.

Zuständig für die Einsatzlei­tung wäre die Regierung von Schwaben, die Arbeit vor Ort müssten Polizei, Feuerwehr und Rettungsdi­enste machen. Doch wären diese Helfer überhaupt verfügbar? Das bayerische Innenminis­terium stellt schon mal klar: „Es ist nicht beabsichti­gt, Zwangsmaßn­ahmen einzusetze­n, um Einsatzkrä­fte zum Tätigwerde­n bei einem kerntechni­schen Unfall zu zwingen.“

So steht es in den „Informatio­nen zum Katastroph­enschutz in der Umgebung kerntechni­scher Anlagen“, die das Ministeriu­m herausgege­ben hat und auf die auch das Landratsam­t als Leitfaden verweist. Darin ist unter anderem geregelt, dass die Menschen in einem Umkreis von 25 Kilometer (siehe Grafik) mit Sirenentön­en gewarnt werden müssten.

Zusätzlich sollen die Feuerwehre­n mit Lautsprech­erwagen durch die Orte fahren. Die sogenannte­n Katastroph­enschutzsi­renen werden zweimal im Jahr getestet. Mitte April werden wieder in den meisten Orten des Augsburger Landes die Sirenen heulen – allerdings nicht nur wegen der Nähe zum Kernkraftw­erk im Nachbarlan­dkreis Günzburg. Ein weiterer Grund können chemische Betriebe am Ort sein – in Gersthofen zum Beispiel die Firmen im dortigen Industriep­ark.

Umstritten ist die Verteilung von Kaliumjodi­dtabletten, wie sie auch im Landkreis Augsburg in großen Mengen lagern. Über den genauen Lagerort will das Landratsam­t aus Sicherheit­sgründen keine Angaben machen. Im Ernstfall sollen die Tabletten zu Feuerwehrh­äusern und Apotheken gebracht und dort an die Menschen verteilt werden.

Dieses Vorgehen sei „inakzeptab­el“, schimpft die ÖDP-Kreisrätin Gabi Olbrich-Krakowitze­r in einem Brief an den bayerische­n Innenminis­ter Joachim Hermann. Zumindest in jedem Rathaus müsse ein Vorrat angelegt werden, damit die Menschen im Notfall schnell an die Tabletten kommen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Blick auf die Kühltürme von Gundremmin­gen. Der letzte Reaktorblo­ck soll Ende 2021 abgeschalt­et werden. Kritikern ist das zu spät.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Blick auf die Kühltürme von Gundremmin­gen. Der letzte Reaktorblo­ck soll Ende 2021 abgeschalt­et werden. Kritikern ist das zu spät.

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