Der Königstiger im Bistumswald
Bei Bobingen ist ein Ungetüm unterwegs. Die klobige Maschine zeigt beim Einsatz ihrer Krallen große Eleganz
Bobingen Mehr noch als der Lärm von Motorsägen stört den Erholungsuchenden im Naturpark Augsburg Westliche Wälder der Anblick eines großen Maschinen-Ungetüms, womöglich gar auf Raupenketten durch den Forst scheppernd. Beides kann dem Waldbesucher dieser Tage im Gehölz Bistum südlich des Bobinger Stadtteils Straßberg passieren.
Etwaige Augenzeugen sollten weit Abstand halten – aber sich durchaus einen Blick auf das Geschehen gönnen. Forstleute jedenfalls sind fasziniert. Zunächst vom Arbeitstempo, vor allem aber durch den die Natur schonenden Eingriff in die Baumbestände. Der staatliche Forstbetrieb Zusmarshausen lässt sich das einiges kosten.
Sein Chef, Hubert Droste, hat seine Gründe dafür: Hier im einstigen Bistumswald sei die nächste Baumgeneration schon weit gediehen. Bis zu vier Meter Höhe messen die jungen Buchen, die aus der natürlichen Saat von selbst aus dem Boden kamen. Sie werden allerdings noch von mächtigen Fichten beschirmt. Um den jungen Buchen das nötige Licht zu geben, lässt Droste einige der alten Fichten ernten.
Die moderne Maschinentechnik bewahrt dabei die bestehende Naturverjüngung davor, durch gefällte Bäume und Rückemaschinen plattgewalzt zu werden und der Boden unter dem Ungetüm wird durch breite Gewichtsverlagerung sowie dicke Matratzen aus übrig bleibendem Geäst geschont. Denn die Maschine kommt in der vorgegebenen Rückegasse beweglich voran wie ein Tiger und mit ihrem starken Teleskoparm ist sie zugleich ein König der Lüfte. Für knapp drei Wochen ist Sven Sparschuh mit seiner Vollerntemaschine vom Typ „Königstiger T30“engagiert. Das Gefährt ähnelt einem großen Bagger, doch statt einer Schaufel arbeitet es mit stabilen Krallen und scharfen Sägen an einem Hydraulikarm, der bis zu 15 Meter weit ausholen kann.
Sogenannte Harvester sind auch in heimischen Wäldern keine Seltenheit. Doch noch nie arbeitete hier eine solch starke Maschine im Staatsforst. Sie wiegt 38 Tonnen und kann bis zu vier Tonnen schwere Baumstämme packen, unten absägen, dann senkrecht stehend hochheben und zwischen den Kronen der Nachbarbäume durchfädeln, um sie am Rand der Rückegasse sortiert abzulegen – nicht ohne sie vorher zwischen ihren Krallen durchzuziehen, zu entasten und auf vorgegebene Länge zu schneiden.
Sven Sparschuh beherrscht die Technik seit gut 20 Jahren. Pro Jahr sitzt er für eine Firma aus Landshut etwa 2300 Stunden in der Führerkabine, steuert den Greifarm per Computer und Joystick. Hubert Droste zeigt seinem Geschick unverhohlen seinen Respekt: „Es gibt nahezu keine Schäden an der Naturverjüngung.“
Damit sei diese Maschinentechnik eine wertvolle Ergänzung zur konventionellen Holzernte mit eigenen Waldarbeitern und kleineren Harvestern auf Rädern. Im staatlichen Forstbetrieb mit Sitz in Zusmarshausen werden jedes Jahr rund 120 000 Festmeter Holz von Maschinen geerntet, 40000 Festmeter werden von Waldarbeitern eingeschlagen. Der Königstiger hinterlässt dabei am Ende weniger Spuren als Radfahrzeuge, sagt Droste. Und er ist auch noch schneller: Etwa 20 bis 30 Bäume legt Sven Sparschuh pro Stunde ab. Das Zehnfache der herkömmlichen Erntemethode.
Trotzdem wird die große Erntemaschine das Geschehen im Wald vermutlich wenig verändern. Ihre Stärke spiele sie weniger durch Wirtschaftlichkeit aus, als durch schonende Eingriffe dort, wo die natürliche Verjüngung des Bodens weit fortgeschritten ist. In anderen Lagen gelten andere Kriterien, sagt der Forstmann.
„Es gibt nahezu keine Schäden an der Naturverjüngung.“
Hubert Droste, Forstbetrieb