Wann ist Schluss mit Kükenschreddern?
45 Millionen männliche Tiere sterben jedes Jahr, weil sie keine Eier legen. Agrarminister Schmidt verspricht, das von diesem Sommer an zu beenden. Doch daran glauben längst nicht alle
Augsburg Das Video des Bundeslandwirtschaftsministeriums deutet an, wie grausam die moderne Geflügelzucht sein kann: Frisch geschlüpfte Küken fahren über ein Förderband. Dann plumpsen die Tiere in den Schacht einer Maschine. Das, was dann, im Inneren der Maschine, passiert, will niemand sehen. Aber es ist bekannt: Jedes Jahr werden in Deutschland rund 45 Millionen Eintagsküken geschreddert oder mit Kohlendioxid vergast – weil sie für die Industrie wertlos sind. Eigentlich sollten sie für die Eierproduktion eingesetzt werden. Doch die männlichen Tiere können nun mal keine Eier legen. Andererseits setzen sie zu wenig Fleisch an, um als Masthähnchen durchzugehen. Also werden sie getötet, als Abfallprodukt der Massentierhaltung.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt will das beenden. Die Frage ist nur: Wann? Schon im März 2015 betonte der CSU-Politiker: „Mein Ziel ist, dass wir bis 2017 kein Kükenschreddern mehr haben werden.“Schon damals hieß es, ein neues Verfahren der Universität Leipzig solle es möglich machen, das Geschlecht des Embryos im Ei zu erkennen. Die Methode: Drei Tage, nachdem das Ei gelegt wurde, ritzt ein Laser ein kleines Loch in die Schale. Mithilfe von Licht kann dann das Geschlecht bestimmt wer- Die weiblichen Eier kommen zurück in den Brutschrank. Die anderen werden weiterverarbeitet, etwa in der Kosmetikindustrie oder als Futtermittel. Dass diese Technik Anfang 2017 marktfähig ist, sei „realistisch“, sagte Schmidt damals unserer Zeitung.
Nun, zwei Jahre später, wird die Methode noch immer erforscht – gefördert mit rund vier Millionen Euro des Ministeriums. Schmidt sieht sich trotzdem im Zeitplan und kündigt an: „Wir werden die Technik zur Geschlechtsbestimmung im Ei noch in diesem Sommer einem Praxistest in einer Brüterei unterziehen – das ist der Einstieg in den Ausstieg.“Sobald das Verfahren praxistauglich sei, betont Schmidt, ist das Kükentöten nach dem Tierschutzgesetz unzulässig.
Der Opposition aber ist das nicht genug. Grünen-Fraktionschef Anden. ton Hofreiter sagt: „Seit zwei Jahren verspricht Minister Schmidt, das Töten zu stoppen – und nichts ist passiert.“Die Große Koalition nehme das „millionenfache Kükenschreddern aus rein wirtschaftlichen Gründen billigend in Kauf“. Die Grünen hatten schon 2015 ein gesetzliches Verbot des Tötens gefordert.
Schmidts Sorge aber ist groß, dass in diesem Fall die Brütereien ins Ausland abwandern könnten. Daher sei es wichtig, die Unternehmen – zehn davon gibt es hierzulande – von der neuen Methode zu überzeugen. „Grundsätzlich gilt: Wir brauchen wettbewerbsfähige Lösungen für mehr Tierwohl, die auch am Markt Bestand haben. Nur so können wir tatsächlich mehr Tierschutz erreichen und verhindern, dass sich die Produktion von Lebensmitteln ins Ausland verlagert“, sagt er.
Die Branche unterstützt zwar die Pläne, das Kükentöten zu beenden, ist aber deutlich weniger optimistisch als der Minister. Die Geschlechtsbestimmung im Ei sei noch längst nicht marktreif, betont man beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, der 8000 Mitglieder bundesweit vertritt. Derzeit warte man auf den Prototyp einer Maschine – und müsse dann beobachten, ob sich das Verfahren in der Praxis bewährt. „Den genauen Zeitpunkt einer Serienreife kann daher derzeit niemand seriös benennen.“