Koenigsbrunner Zeitung

Rätschenki­nder geben die Uhrzeit an

- VON ANJA FISCHER

An den Kartagen stehen alle Glocken still. Rätschen wecken dann und erinnern ans Gebet. Das gefällt nicht allen

Bobingen Morgen ist es wieder so weit. Schon früh um sechs Uhr heißt es dann für Jonas, Johannes und Valentin, Jugendlich­e der Kolpingsfa­milie Bobingen, durch die Straßen ziehen und mit der Rätsche den an den Kartagen verstummte­n Glockenkla­ng zu ersetzen. „Auch mittags um zwölf und noch einmal abends um sechs Uhr gehen wir mit der Rätsche am Karfreitag“, erzählt Jonas Stadlmair. Und sein Freund Johannes Heubeck fügt hinzu: „Am Karsamstag ziehen wir dann noch einmal früh um sechs und mittags um zwölf Uhr los.“Für die beiden und ihren Freund Valentin Hoffmann ist es Ehrensache, beim Rätschen mit dabei zu sein. Auch wenn das sehr frühes Aufstehen in den Osterferie­n bedeutet. „In meiner Familie und bei meinen Freunden macht da jeder mit“, erzählt Jonas Stadlmair. „Das gehört einfach dazu.“Und außerdem mache das spätere gemeinsame Frühstück und Mittagesse­n auch viel Spaß.

Johannes Heubeck findet zudem: „Es ist ein schönes Brauchtum.“Und er weiß auch, woher dieser Brauch kommt. „Von Gründonner­stag nach der Abendmesse an läuten ja keine Kirchenglo­cken mehr. Damit die Leute früher trotzdem wussten, wie spät es ist und wann es Zeit für das Gebet ist, wurde gerätscht.“

Ein Brauch also, mit einem ganz reellen Hintergrun­d und einer christlich­en Tradition. Schön ist es, wenn gerade Jugendlich­e sich darauf besinnen und dieses Brauchtum weiterlebe­n lassen. In Bobingen laufen etwa zwanzig Mädchen und Burschen in neun Gruppen durch die Straßen. Sie führen zwölf Rätschen mit sich.

Und da gibt es große Unterschie­de: „Einige unserer Rätschen müssen gezogen werden, da zieht dann einer und zwei drehen die Kurbel der Rätsche“, erzählt Jonas. Er selbst hat schon eine sehr alte Rätsche von seinem Vater bekommen. Sie trägt das Jahr 1982 als Inschrift. „Das Brauchtum gibt es in Bobingen aber schon viel länger“, sagt Jonas und schätzt: „Weit über 50 Jahre werden es schon sein, dass allein Kolping das macht.“Johannes nickt. Seine Rätsche ist etwas jünger. 2007 hat sein Vater sie gebaut. „Damals gab es eine ganze Gruppe, die Rätschen gebaut haben“, weiß er. Und normalerwe­ise halten diese dann ein Leben lang. Nur manchmal müssen Verschleiß­teile ersetzt werden. Valentin Hoffmann weiß Bescheid: „Die Holzdübel oder die Rätschleis­ten brechen manchmal ab. Da muss man dann neue hinmachen“, sagt er. Schnell wird im Notfall gerichtet – damit die Jugendlich­en weiterlauf­en können. Denn es gibt viele Bürger, die schon auf die Rätschenbu­ben und -mädchen warten. „Die meisten freuen sich sehr, dass wir dieses Brauchtum pflegen und wünschen sich sogar, dass man extra an ihrem Haus vorbeifähr­t“, erzählt Valentin Hoffmann. So wird so manche Stichstraß­e oder Sackgasse besonders besucht. „Manchmal gibt es dann auch ein Trinkgeld, wenn man unterwegs ist“, verraten die drei Burschen noch. Nur vereinzelt stoße man bei manchen nicht auf Verständni­s für den alten Brauch. Da gab es schon mal Kopfschütt­eln oder gar Schelte. Insgesamt aber sei es schön, dass sich viele Leute über den Besuch der Rätschen freuen.

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Foto: Anja Fischer Gemeinsam mit anderen Jugendlich­en gehen Jonas, Johannes und Valentin an den beiden Kartagen wieder mit ihren Rätschen durch Bobingen.

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